Politik

China und Russland vertiefen ihre politische und wirtschaftliche Allianz

China und Russland bauen ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen aus. Das Verhältnis der beiden Staaten zueinander ist so gut wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Vor allem im Handelsbereich zeigt sich eine starke Kooperation.
06.06.2019 17:12
Lesezeit: 3 min
China und Russland vertiefen ihre politische und wirtschaftliche Allianz
Xi Jinping und Wladimir Putin beim Gala-Empfang zu Ehren der 70-jährigen Aufnahme diplomatischer Beziehungen. (Foto: AFP) Foto: AFP

Chinas Staatspräsident Xi Jinping ist am Mittwoch zu einem Besuch in Russland eingetroffen. Das Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Internationalen Wirtschaftsforum in St.Petersburg wurde möglich, weil Putin nicht zum Weltkriegsgedenken am 75. Jahrestag der Truppenlandung in der Normandie eingeladen wurde. Aus russischer Sicht sei dies ein Affront, berichtet die dpa in einer Reportage.

Moskaus Außenministerium mahnt, der Beitrag der anderen Alliierten möge nicht überbewertet werden. Ohne die „titanische Stärke“ der Sowjetunion sei der Sieg über Hitler damals nicht möglich gewesen.

Putin und Xi feiern bei dem Staatsbesuch - zu dem Xi eine rund 1000-köpfige Delegation mitbrachte - auch das 70-jährige Bestehen der diplomatischen Beziehungen ihrer Länder. Aus chinesischer Sicht ist das Verhältnis zwischen Peking und Moskau „nie besser gewesen“, wie der Russland-Forscher Jiang Yi sagt. Auch im Handelskrieg mit den USA steht Russland klar an der Seite Chinas. Ohne diplomatische Rücksicht gegenüber den USA macht Chinas Vizeaußenminister Zhang Hanhui deutlich, dass dies besondere Zeiten seien und beide Länder Seite an Seite gegenüber „den Herausforderungen von außen“ stehen.

„Wir lehnen entschieden den willkürlichen Einsatz von Zollkeulen oder Protektionismus ab“, sagte Zhang Hanhui. „Absichtlich Handelsstreitigkeiten zu provozieren, ist wirtschaftlicher Terrorismus und wirtschaftliche Vormachtpolitik.“ Ähnlich äußerten sich Putin und Xi bei ihrem Treffen.

Es ist eine geopolitische Männerfreundschaft, die beide verbindet. Sie haben sich seit 2013 schon 28 Mal getroffen - zuletzt vor sechs Wochen in Peking, als nächstes in drei Wochen beim Gipfel der großen Wirtschaftsmächte (G20) im japanischen Osaka. Die Gemeinsamkeiten überwiegen: Beide sehen in den USA ihren Hauptgegner, wollen ihren globalen Einfluss ausweiten, teilen einen scheinbar unersättlichen Machthunger und pflegen ähnliche autokratische Systeme daheim. Dabei darf nicht übersehen werden, dass es derzeit die US-Regierung ist, welche offenbar die Konfrontation auf wirtschaftlichem Feld – aber nicht nur dort – sucht.

„China und Russland sind mehr auf einer Linie als zu irgendeinem Zeitpunkt seit Mitte der 50er Jahre“, schreibt der amerikanische Geheimdienstkoordinator Dan Coats in seinem Jahresbericht. Das Verhältnis dürfte noch stärker werden, während sich ihre Interessen und empfundenen Bedrohungen überlappten - besonders gegenüber den USA und ihrem Unilateralismus oder westlichen Werten wie Demokratie und Menschenrechte. „Indem China und Russland ihren Einfluss in der Welt ausdehnen, untergraben sie etablierte Sicherheitsnormen und erhöhen das Risiko regionaler Konflikte, insbesondere im Nahen Osten und Ostasien“, schreibt Coats.

Es wird schon viel über eine „strategische Allianz“ oder eine „Peking-Moskau-Achse“ spekuliert. Eine solche Koalition könnte eine große Herausforderung wie einst der sowjetisch-chinesische Block darstellen - diesmal nur unter chinesischer Führung. Putin hob hervor, dass es Xi zu verdanken sei, dass die bilateralen Beziehungen in den vergangenen Jahren eine „beispiellose" Bedeutung gewonnen hätten. Kreml-Berater Juri Uschakow stellte in Aussicht, dass Xi und Putin eine Erklärung über „globale Partnerschaft und strategische Zusammenarbeit unterzeichnen.

China und Russland, die zu den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats gehören, vertreten dort in aller Regel dieselbe Linie. Uschakow wies darauf hin, dass die Positionen beider Länder zu internationalen Streitfragen wie Nordkoreas Atomprogramm, dem Machtkampf in Venezuela und dem Atomabkommen mit dem Iran „sehr nahe beieinander oder deckungsgleich“ seien.

Aber nicht immer ziehen beide Länder an einem Strang, was sie nur nicht offen austragen. So hat China die Wiederangliederung der Krim an Russland nicht anerkannt. Und Russland unterstützt auch die Territorialansprüche Chinas im Südchinesischen Meer nicht. Zudem liefert Russland weiter Waffen an Chinas Rivalen Indien und Vietnam.

„Historisch gibt es Interessenkonflikte und Misstrauen zwischen beiden Ländern“, räumt Russland-Forscher Jiang Yi ein. Beide wollten auch kein förmliches Bündnis, sondern eher die wirtschaftliche Kooperation und gemeinsame Projekte voranbringen. Bei dem Besuch von Xi Jinping werden zwei gemeinsame Erklärungen über die bilateralen Beziehungen und globale strategische Stabilität unterzeichnet - außerdem rund 30 Kooperationsvereinbarungen in Handel, Investment und Energie.

Ende des Jahres beispielsweise soll das erste Gas durch die Pipeline Sila Sibiriens, die Kraft Sibiriens, nach China strömen, wie das russische Staatsfernsehen anlässlich des Besuchs berichtet.

Der Handel zwischen beiden Staaten hat 2018 um 24 Prozent auf nunmehr 108 Milliarden US-Dollar zugelegt. Dabei ist Russland eindeutig der „Juniorpartner“, da Chinas Wirtschaft achtmal größer ist. Während Russland vor allem Rohstoffe wie Energie oder Holz oder auch Rüstungsgüter liefert, verkauft China Maschinen, Autos, Elektrogeräte oder andere Verbraucherprodukte. Nur 1,9 Prozent der Exporte Chinas gehen nach Russland, umgekehrt sind es 15 Prozent. Seit 2010 ist China nicht nur größter Handelspartner für Russland.

Ablesen lässt sich der Zustand des aktuell guten Verhältnisses auch an den Tourismuszahlen. Rund 1,7 Millionen chinesische Touristen besuchten im vergangenen Jahr Russland – aus keinem anderen Land gab es mehr Besucher.

Bemerkenswert ist die vergleichsweise starke deutsche Präsenz am Wirtschaftsforum. Trotz westlicher Sanktionen gegen Russland nehmen zwei Ministerpräsidenten sowie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Internationalen Wirtschaftsforum teil. Altmaier will am Donnerstagabend zunächst mit Geschäftsleuten zusammenkommen, bevor er am Freitag russische Ministerkollegen trifft. Zudem haben sich die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) aus Mecklenburg-Vorpommern und Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) angekündigt.

Sie wollen die Beziehungen zu Russland trotz der angespannten politischen Lage wieder intensivieren. Die Sanktionen betreffen nur einen Teil der Wirtschaft. Als Unternehmen vertreten sind unter anderem Siemens, Bayer, BMW, Wintershall und die Deutsche Bank.

Insgesamt werden nach Angaben der Organisatoren in diesem Jahr 15.000 Teilnehmer aus 140 Ländern bei dem Forum erwartet. Es gebe auch 500 Anmeldungen aus den USA von Unternehmen, die trotz der offiziellen Sanktionspolitik Washingtons gegen Moskau weiter an Russland als Markt interessiert seien. Zum Vergleich: Deutschland ist mit mehr als 200 Anmeldungen vertreten.

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