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11.07.2019 17:03
An der relativ niedrigen Verschuldung Kroatiens können sich sogar angestammte Mitglieder der Euro-Zone ein Beispiel nehmen. Die Regierung hat aber keine allzu starke Unterstützung in der Bevölkerung bei dem Plan, den Euro einzuführen. Außerdem läuft die Opposition dagegen Sturm.
Kroatien schielt auf den Euro
Kolinda Grabar-Kitarovic, Präsidentin von Kroatien. (Foto: dpa)

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„Die Europäische Zentralbank (EZB) und andere internationale Finanzinstitute haben unsere bisherigen Bemühungen anerkannt”, freute sich der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenković. „Unserer Brief an die EU zeigt, dass wir bereit sind, noch weitere Reformen in Angriff zu nehmen”, sagte der Regierungschef. „Wir sind insgesamt auf einem guten Weg”, unterstrich der kroatische Politiker.

Hintergrund: Kroatien versucht gerade, einen wichtigen Schritt zu machen, um den Euro einführen zu können. So hat die kroatische Regierung bei der Europäischen Kommission eine Absichtserklärung eingereicht, um dem Europäischen Wechselkursmechanismus II (WKM II) beizutreten – die Vorstufe zur Einführung der Gemeinschaftswährung. Der Termin wird den Planungen zufolge Mitte des kommenden Jahres sein – also relativ bald. Damit zeigen die Kroaten, dass sie die Angelegenheit wirklich ernsthaft angehen und nicht auf die lange Bank schieben wollen.

Wieder mehr Interesse am Euro

Damit ist Kroatien das zweite Land aus der Region nach Bulgarien, das sich für den Euro interessiert. Der südosteuropäische Nachbar hatte im vergangenen Jahr den selben Antrag gemacht. Für die EU ist dies grundsätzlich ein positives Zeichen, dass sich nach der großen Krise um den Euro wieder mehr Staaten für die Übernahme der Gemeinschaftswährung interessieren. Noch sind es zahlenmäßig zwar nicht viele, aber immerhin.

„Der Antrag von Kroatien zeigt, dass die Eurozone doch ein stabiler Anker ist und weitere Mitglieder anzieht”, erklärte denn auch Mário Centeno, der derzeitige Chef der Euro-Gruppe. „Die kroatische Regierung hat eine Reihe an Zusagen gemacht – etwa in der Bankenaufsicht und bei der Verbesserung des Wirtschaftsumfelds“, so Centeno. „Das soll nun kontrolliert werden“, fügte der Chef der Euro-Gruppe hinzu.

Centeno und Plenković haben durchaus Grund, optimistisch nach vorne zu blicken: So hat im vergangenen Jahr der Verschuldungsgrad bei 70,9 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gelegen, der ein sehr wichtiges Kriterium für die Übernahme der Gemeinschaftswährung ist.

Bis zur Einführung des WKM II im Jahr 2020 dürfte sich die Verschuldung weiter verringern – und zwar auf 67,6 Prozent am BIP. Das schätzt die deutsche Wirtschaftsförderungsgesellschaft GTAI. Damit wären die Kroaten bereits nicht weit von den Maastricht-Kriterien entfernt, die ein Niveau von maximal 60 Prozent erlauben. Zum Vergleich: Italien, ein altes Mitglied der Euro-Zone, wird aktuell von 132 Prozent belastet, Griechenland von rund 180 Prozent und Frankreich von etwa 100 Prozent. Folglich können sich die Kroaten mit ihrer relativ geringen Quote in der Zone durchaus sehen lassen.

Deutschland sehr wichtiger Außenhandelspartner

Auch die anderen gesamtwirtschaftlichen Daten sind in Ordnung: Das BIP ist in den vergangenen Jahren moderat im einstelligen Prozentbereich auf einen Gesamtwert von 53 Milliarden Euro gewachsen. Mit einem jährlichen BIP pro Kopf von 11.900 Euro befinden sich die Kroaten allerdings am hinteren Ende der EU-Staaten. Sie lassen dabei lediglich Rumänien mit 10.400 Euro sowie Bulgarien mit 7.800 Euro hinter sich. Der direkte Nachbar Slowenien generiert 22.200 Euro und landet weit vor ihnen – und zwar auf dem 16. Platz von insgesamt 28 Staaten.

Trotzdem ist die gesamtwirtschaftliche Entwicklung positiv. Das honorierten auch die Investoren, die ihre Engagements vergrößerten. So ist der Gesamtbestand der Investitionen im Jahr 2016 gegenüber dem Vorjahr um 6,5 Prozent gewachsen. Auch zwölf Monate später gab es wieder ein Plus. Diesmal steigerten sich die Volumina um ein sattes Fünftel auf 29,8 Milliarden Euro.

Grundsätzlich macht die Einführung des Euro für die Volkswirtschaft sehr viel Sinn, weil die Außenhandelsquote mehr als 40 Prozent beträgt. Folglich ist der Außenhandel eine tragende Säule der Ökonomie. Wichtige Handelspartner stammen aus der EU – und zwar insbesondere aus Deutschland. Dabei werden überwiegend Autoteile und Maschinen gehandelt. Deswegen werden auch die deutschen Unternehmen von der Abschaffung der bisherigen nationalen Währung Kuna profitieren.

Nur relativ knappe Mehrheit dafür

Die kroatische Bevölkerung ist gegenüber der europäischen Währung grundsätzlich positiv eingestellt – allerdings nur mit einer relativ knappen Mehrheit. Einer Umfrage zufolge, die Eurostat im Februar des laufenden Jahres gemacht hatte, waren 51,7 Prozent der Kroaten für den Euro. 40,4 Prozent sprachen sich dagegen aus, während der Rest keine Meinung dazu hatte. Ein gewichtiger Teil befürchtet, dass die Preise danach erheblich steigen werden.

Insgesamt ist die Zahl der Skeptiker ziemlich hoch. Sie könnten sehr schnell die Oberhand gewinnen, sollte sich die Stimmung ändern. Dabei fällt besonders in Gewicht, dass die Einwohnerzahl nur bei 4,1 Millionen liegt. So reichen statistisch kleinere Veränderungen im Meinungsbild aus, um einen starken Effekt zu erzielen. Das heißt, sollte sich die Regierung dann doch entschließen, ein Referendum durchzuführen, wäre es keinesfalls sicher, dass sich die Mehrheit dafür ausspricht.

Auch Opposition dagegen

Doch nicht nur in der Bevölkerung gibt es skeptische Stimmen, sondern auch unter den Abgeordneten im Parlament. „Dies wird sich auch negativ auf die Löhne und Gehälter in Kroatien auswirken”, mahnte beispielsweise Mirando Mrsić von den Demokraten. Viele seiner Kollegen wehren sich nach Leibeskräften gegen die europäische Währung  – einige mit dem Hinweis auf Schweden. „Wir haben doch letztlich keine Verpflichtung, den Euro einzuführen, Schweden ist doch das beste Beispiel”, ereiferte sich etwa Hrvoje Zekanović von der nationalkonservativen Partei HRAST.

Hintergrund: Das skandinavische Land hatte sich mit der Unterzeichnung des Maastricht-Vertrages 1995 zwar für die Übernahme des Euro verpflichtet. Doch dann hatte die Regierung in Stockholm 2003 einen Volksentscheid organisiert, bei dem sich die Mehrheit der Schweden dagegen entschied. Seitdem – also seit mehr als 15 Jahren – liegen dort die Pläne auf Eis.

Doch die kroatischen Abgeordneten diskutierten nicht nur das schwedische Modell, sondern kritisierten auch noch andere Aspekte: „Der Euro-Plan ist doch ohne Rücksprache mit dem Parlament vorgestellt worden”, ärgerte sich Nikola Grmoja von der Partei Most. Das ist seiner Aufassung nach absolut unzulässig. „Wir brauchen jedenfalls eine öffentliche Debatte zu dem Thema”, forderte der Politiker.

Es sieht ganz danach aus, dass die Gemeinschaftswährung noch lange nicht eingeführt wird. Immerhin hat die Vorstellung des Euro-Plans für positive Schlagzeilen gesorgt und die politische Stimmung in Europa verbessert – Tatsachen, die auch wichtig sind.

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