Wer in deutschen Metropolen ein neues Zuhause sucht, hat häufig keine allzu guten Karten. Denn in den sieben größten Städten hierzulande werden viel zu wenige Wohnungen gebaut, wie aus einer in Köln publizierten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht. Am miesesten unter den Metropolen sah es zuletzt in Köln aus, wo der Bedarf an Neubauwohnungen seit 2016 nicht mal zur Hälfte gedeckt werden konnte (46 Prozent). "Insgesamt besteht in den Metropolen ein gravierender Wohnungsmangel", schreiben die Autoren Ralph Henger und Michael Voigtländer.
In Stuttgart wurden 56 Prozent der Wohnungen gebaut, die nötig gewesen wären. Nur etwas besser war die Lage in München (67 Prozent), Berlin (73) und Frankfurt/Main (78). "Hier fehlen nicht nur aktuell Wohnungen, sondern auch längerfristig bedarf es einer weiteren Steigerung der Bautätigkeit." Vergleichsweise gut, aber ebenfalls noch deutlich unter Bedarf schnitten Hamburg und Düsseldorf mit jeweils 86 Prozent ab. Die Autoren verglichen die Zahl der 2016 bis 2018 fertiggestellten Wohnungen mit dem Bedarf, den sie anhand von Faktoren wie Bevölkerungsentwicklung und Leerständen schätzten. Auch in Unistädten wie Münster wird zu wenig gebaut.
Gründe für die Misere sind der hohe Zuzug in die Städte, das knappe Personal in Bauämtern, strenge Vorschriften und der Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft. "Man kommt mit dem Bauen nicht hinterher", sagt Studienautor Henger.
Dies zeigt auch die Statistik zum sogenannten Bauüberhang - also die Zahl der Wohnungen, die schon genehmigt, aber noch nicht fertiggestellt wurden. Deren Zahl wuchs in den sieben Metropolen von 2016 bis 2018 den Angaben zufolge von rund 88.000 auf 123.000. Die Situation war von Stadt zu Stadt aber unterschiedlich - in Köln und Stuttgart blieb der Überhang in etwa gleich, während er in Berlin, München, Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf stark wuchs.
Die Städte müssten sich anstrengen, um die Mietenentwicklung zu bremsen, mahnen die Autoren. Entscheidend hierfür sei in den Metropolen die Bereitstellung von Bauland, um Investoren anzulocken. Zudem sollten mancherorts alte Gebäude umgebaut werden, anstatt neue zu errichten. Auch sollten der Bund und das Land finanziell klamme Städte wie Köln stärker unterstützen, etwa für den Ausbau des Nahverkehrs. Wenn das Umland besser angeschlossen wäre, würde das Wohnen dort attraktiver und der innerstädtische Druck des Wohnungsmarktes würde sich etwas abschwächen, meldet die dpa.
Ganz anders sieht es auf dem Land aus: Dort wird mancherorts zu viel neu gebaut, etwa in Sachsen-Anhalt, Sachsen, im Saarland und am Rande Bayerns. "Obwohl es auf dem Land viel Leerstand gibt, entstehen relativ viele Neubauten, die bevorzugt werden, obwohl Umbauten im Altbestand vielerorts sinnvoller sind", sagte Studienautor Henger.
Durch Neubaugebiete vor den Türen von Kleinstädten verlieren Stadt- und Dorfzentren an Bedeutung und das Leerstand-Problem verschärfe sich da. "Kommunen auf dem Land fernab der Metropolen sollten ein besseres Flächenmanagement betreiben, um attraktiv zu bleiben und Leerstände in der Ortsmitte zu vermeiden." Der Grundsatz "Umbau vor Neubau" sei hier wichtig. In einem Drittel der deutschen Kreise sollte "die Bautätigkeit im Neubau gebremst werden, um ein Überangebot zu vermeiden", heißt es in der Studie.
In den Jahren 2019 und 2020 werden den Angaben zufolge in ganz Deutschland je 342.000 neue Wohnungen benötigt, um den Bedarf zu decken. 2018 wurden nur 287.000 Wohnungen fertiggestellt. Dieser Wert dürfte dieses Jahr nicht deutlich anspringen - die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage bleibt also groß.
Nach Publikation der Studie äußerten Branchenvertreter ihre Besorgnis. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW wies darauf hin, dass bei preiswerten Mietwohnungen nur die Hälfte des Neubaubedarfs bundesweit gedeckt werden konnte und bei Sozialwohnungen noch weniger. "Das zeigt, dass der Wohnungsbau weiterhin nicht ausreichend in Schwung kommt", so der Verband. Er forderte, dass die Länder Mittel für Sozialwohnungsbau aufstocken. Zudem sollten Kommunen und Länder sich "der Daueraufgabe stellen, mehr Bauflächen zu schaffen", hieß es - Nachverdichtung und Dachaufstockung sollten angekurbelt statt ausgebremst werden.
Der Mieterbund untermauerte seine Forderung nach Schutz gegen extreme Mieterhöhungen, etwa mit einem Mietendeckel, und zwar "bis der Wohnungsneubau die Märkte in den Städten wirklich entlasten kann".
Von solchen Forderungen hält der Eigentümerverband Haus & Grund bekanntermaßen wenig. Mit politischen Instrumenten zur Mietenregulierung werde "keine einzige Wohnung geschaffen", monierte Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland. "Zwei wesentliche Hindernisse im Wohnungsbau sind die hohen Baukosten und fehlendes Bauland." Der Staat könne viel tun, um Baukosten zu senken. "Die Stadt Hamburg hat mit ihrer neuen Landesbauordnung vorgemacht, wie sich bürokratische Hürden beispielsweise im Brandschutz senken lassen, um damit den Dachgeschossausbau voranzutreiben."