"In Deutschland ist eine Treibjagd gegen die eigene Spitzenindustrie im Gang, wie sie wohl in fast keinem anderen Land möglich wäre", schreibt Michael Rasch in einem Gastbeitrag für die Neue Zürcher Zeitung und attestiert Deutschland im Hinblick auf seine Autoindustrie eine "Freude an der Selbstzerstörung".
Man verdamme den Diesel, obwohl die neusten Modelle extrem sauber sind. Man streite über Stickstoffdioxid, obwohl Feinstaub das viel größere Gesundheitsproblem ist. "So zerlegt man die eigene Spitzenindustrie und sägt am Wohlstand des Landes", schreibt Rasch.
Laut Umweltepidemiologen sterbe ein Durchschnittsbürger mehrere Lebensmonate früher durch die Feinstaubbelastung. Die Verkürzung der Lebenszeit durch Stickstoffdioxid betrage hingegen weniger als einen Tag. Doch Aktivisten schocken die Menschen mit irren Zahlen über angebliche Todesfälle durch Stickstoffdioxid.
Die Autoindustrie stehe für 8 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung. Sie beschäftige direkt 820.000 und indirekt sogar 1,8 Millionen Menschen. Doch in Medien und Politik fänden die Kosten und der Nutzen von Maßnahmen wie Fahrverboten viel zu wenig Beachtung, so Rasch.
Nur die Kunden halten den deutschen Herstellern weiter die Treue, sogar dem Volkswagen-Konzern.
Als die Bundesregierung im letzten Jahrzehnt einer von der EU vorgegebenen starken Verschärfung von Luftgrenzwerten zustimmte, war laut Rasch von vornherein klar, dass diese Werte nicht eingehalten werden können. Auch Städte und Kommunen hätten wenig gegen die Verschärfung der Grenzwerte getan.
Erst die juristischen Klagen des Abmahnvereins Deutsche Umwelthilfe hätten Politik und Konzerne aufgeschreckt. Denn plötzlich drohten in zahlreichen Städten durch Gerichtsurteile erwirkte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, die inzwischen teilweise auch tatsächlich verhängt wurden.
"Ausgelöst wurde der Albtraum der Autofahrer durch den unvorstellbaren und unverzeihlichen Betrug des Volkswagen-Konzerns bei der Emission von Abgasen, der das Unternehmen inzwischen mehr als 25 Milliarden Euro gekostet hat", schreibt Rasch.
Der Skandal habe schließlich alle heimischen Hersteller in Verruf gebracht, obwohl sich alle außer Volkswagen an die geltenden Regeln und die herrschende Praxis gehalten hatten. Die Fahrzeuge von BMW, Daimler, Opel und vielen anderen wurden regulär zugelassen.
In Politik, Medien und der Öffentlichkeit sei über Jahrzehnte bekannt gewesen, dass Abgas- und Verbrauchswerte im realen Fahrbetrieb viel höher liegen, als unter idealen Bedingungen auf dem Prüfstand. Auch die geringere Abgasreinigung unter gewissen Bedingungen sei bekannt gewesen.
Dennoch ließen sich "Daimler, BMW, Opel und andere bis heute von Politikern und Journalisten als Betrüger beschimpfen, ohne sich dagegen zu wehren", schreibt Rasch. Daher sei es kein Wunder, dass auch die Folgediskussionen von den Anklägern der Autoindustrie dominiert werden.
Laut Rasch sollte man stärker über andere Möglichkeiten sprechen, um die Belastung mit Feinstaub und Stickstoffdioxid zu verringern, etwa eine City-Maut, teueres Parken, umweltfreundlichere Fahrzeuge der Städte und Kommunen, Park-and-ride-Angebote, besserer öffentlicher Nahverkehr, optimierte Ampelsysteme und Umgehungsstraßen.
"Vor allem grünen Politikern sind aber etwa die letzten Punkte ein Graus, weil man Autos durch miserable Ampelsteuerungen lieber aus der Stadt vertreiben und beim Bau der Umgehungsstraße ein Stück Wiese schonen will", schreibt Rasch.
Die Diskussion um den Diesel hat dazu geführt, dass ihr Anteil bei Neuzulassungen von knapp 50 Prozent im Jahr 2015 auf inzwischen etwa 33 Prozent gesunken ist. Damit droht laut Rasch das "Aussterben des Dieselmotors, einer deutschen Spitzentechnologie". Diese Entwicklung sei absurd, weil der moderne Diesel sauber ist.
Laut ADAC erfüllen alle bisher im realen Fahrbetrieb gemessenen Dieselfahrzeuge der Abgasnorm "Euro 6d Temp" die Anforderungen bei den Stickoxiden und liegen mit Ausnahme eines japanischen Modells alle deutlich unter dem Grenzwert von 80 Mikrogramm.
Dieselmotoren verbrauchen etwa 15 Prozent weniger Sprit, sodass sie auch weniger Kohlendioxid ausstoßen. Daher kommen nun auf die deutsche Autokonzerne erhebliche Strafzahlungen zu, weil sie die CO2-Vorgaben der EU nicht werden einhalten können. Bezahlen müssen das letztlich auch die Kunden.