Finanzen

Trumps permanenter Wahlkampf gefährdet die Weltwirtschaft

Mit Blick auf die im kommenden Jahr anstehenden Präsidentschaftswahlen forciert US-Präsident Trump seinen protektionistischen Wirtschaftskurs, welcher sich allmählich als ernste Bürde für die Weltwirtschaft herausstellt. Die Notenbank Fed ist dabei in eine schwierige Lage geraten.
03.08.2019 10:20
Lesezeit: 4 min

Die Lage des Arbeitsmarkts zeigt die Stärke der US-amerikanischen Wirtschaft. Die am Freitag veröffentlichte Arbeitslosenrate für Juli beträgt unverändert 3,7 Prozent. Schon seit Anfang 2016 liegt die Marke unter 5 Prozent, seit dem zweiten Quartal 2018 unter 4 Prozent. Dass der US-Wirtschaftsmotor weiter brummt, zeigt sich an der beachtlichen Schaffung neuer Arbeitsplätze: Im Juli wurden, wie auch schon in den vergangenen Monaten, über 160.000 neue Jobs eröffnet. Allerdings kann man auch eine Krisensituation konstruieren. Im Vorjahr gab es monatlich sogar etwa 220.000 neue Arbeitsplätze. Es läuft also nicht mehr so prächtig wie 2018, allerdings immer noch beeindruckend gut.

Es wäre unverständlich, dass US-Präsident Donald Trump von einer drohenden Schwäche der Wirtschaft und der Notwendigkeit von umfassenden, belebenden Maßnahmen spricht – gäbe es nicht im November 2020 Präsidentenwahlen, die Trump unbedingt gewinnen will, und gäbe es nicht Maßnahmen von Donald Trump, die tatsächlich für beachtliche Probleme sorgen. Also will Trump, dass die derzeit stattfindende überschaubare Abschwächung der Konjunktur mit Aktionen bekämpft werden soll, die bei einer tatsächlichen Krise am Platz wären.

Die Botschaft: Ich bringe Euch die Arbeitsplätze zurück aus China

Der Zuwachs an Jobs in den vergangenen Monaten ist nicht der Industrie zu verdanken. Tatsächlich hat dieser Bereich aktuell die Zahl der Arbeitsplätze insgesamt nur marginal erhöht. In den schwachen Regionen des Zentrums, dem sogenannten „Rust Belt“ – rust, weil dort viele Anlagen verrosten –, ist die Lage besonders trist. Also spricht Trump von Krise und der Notwendigkeit belebender Maßnahmen.

Vor diesem Hintergrund betreibt Trump seinen Handelskrieg mit China. Erst in dieser Woche wurden die bisher nicht erfassten Waren mit einem Strafzoll von 10 Prozent belegt, sodass nun alle Importe in die USA entweder mit 25 oder mit 10 Prozent belastet sind. An die Wähler lautet die Botschaft: Die Chinesen haben Euch die Arbeitsplätze weggenommen, indem sie die US-Firmen mit niedrigen Löhnen gelockt haben. Ich hole Euch die Arbeitsplätze zurück! Diese Botschaft klingt zwar gut in den Ohren der frustrierten Arbeiter, die vom früheren Glanz der Fabriken träumen, hat aber keine konkreten Effekte.

In jenen Sparten, die für die ausgezeichneten Gesamtergebnisse und die niedrige Arbeitslosenrate sorgen, hat Trump hingegen nur wenige Anhänger: Die in den USA eifrig betriebene Digitalisierung sorgte in den vergangenen zwölf Monaten für 300.000 zusätzliche Jobs, davon allein im Juli 2019 31.000. Starke Zuwächse fanden auch im Finanzsektor und im Gesundheitswesen statt.

Der Handelskrieg schadet den großen US-Unternehmen. Trump will den Kleinen imponieren.

Opfer des Handelskriegs sind neben anderen die US-Firmen, die einen Teil ihrer Produktion nach China ausgelagert haben und Elemente aus China in die USA importieren. Diese sind nun teurer und belasten die Ertragsentwicklung der Firmen. Dies gilt beispielsweise für Apple, das sich gerade von der Schwäche des neuen I-Phone erholt, aber auch für viele andere Unternehmen. Dabei handelt es sich um die Flaggschiffe der US-Wirtschaft. Doch auch hier ist auf Trumps Wahlkampf zu verweisen: Große Unternehmen ergeben keine Wähler, anzusprechen sind die vielen kleinen, die keinen Zugang zu den Milliarden-Umsätzen und -Gewinnen haben. Dazu passen auch die kürzlich gestarteten Verfahren, die den Missbrauch der Marktmacht durch die Großen untersuchen.

Derzeit zeichnet sich sogar eine Neuorientierung der geografischen Verteilung von Fabriken ab, weil sich die Löhne in China bereits westlichem Niveau nähern und weiter steigen. Es wird also in Zukunft weniger attraktiv sein, in China für den Weltmarkt zu produzieren. Hier ist ein Anpassungsprozess im Gang, der auch die Produktion in den USA begünstigen dürfte, aber China schwer zu schaffen macht. Nur dauern derartige Veränderungen Jahre und könnten nur langfristig Trumps Wählern im „Rust Belt“ nützen, sind aber sicher nicht im Kampf um den Präsidentensessel im Jahr 2020 relevant. Auch ist zu beobachten, dass die fundamentalen Struktur-Änderungen in China und die daraus resultierenden Konsequenzen noch nicht allgemein bewusst sind. Also attackiert der Wahlkämpfer Trump weiter China.

Die Kettenreaktion im Gefolge des Handelskriegs

Diese Strategie schadet nicht nur Apple und anderen US-Industrien, sondern belastet die Weltwirtschaft insgesamt.

Nachdem die Auswirkungen eines Handelskriegs zweier wirtschaftlicher Giganten nicht abzuschätzen sind, lösen die Trump-Aktionen eine weltweite Verunsicherung aus, die wirtschaftsbremsend wirkt. Dazu kommt, dass die chinesische Wirtschaft derzeit im Gefolge von Strukturproblemen schwächer wächst und durch den Handelskrieg zusätzlich belastet wird, weil der Zugang zum US-Markt erschwert ist. China ist aber heute ein wichtiger Abnehmer von Waren und Dienstleistungen aus aller Welt und die geringere Nachfrage des Landes bremst daher die Weltwirtschaft.

Und hier schließt sich der Kreis: Die EU und insbesondere die Euro-Zone leiden unter den Problemen Chinas, aber auch unter den Handelsbarrieren der USA, die sich nicht nur gegen China wenden.

In den USA wiederum geraten Exporteure unter Druck, weil die Absatzmärkte EU und China schwächeln.

Die US-Notenbank muss akrobatische Kunststücke vollbringen, um Trumps Kapriolen auszugleichen

Dass der Handelskrieg die Wirtschaft bremst, ist offenkundig und letztlich auch Trump klar, der sich einen Ausgleich durch eine Stärkung der US-Binnennachfrage durch niedrige Zinsen erhofft und daher die US-Notenbank Federal Reserve Board massiv unter Druck setzt. Tatsächlich hat die Fed die Refinanzierungssätze gesenkt, allerdings nur um 0,25 Prozentpunkte auf 2 bis 2,25 Prozent. Trump reagierte wütend, weil er sich eine Art Paukenschlag erhofft hatte.

Die Fed befindet sich in einer heiklen Lage:

  • Die US-Wirtshaft ist erfolgreich unterwegs, also wären keine Belebungsmaßnahmen erforderlich.
  • Der Fed ist durch die kluge Zinspolitik ein Kunststück gelungen: Die Anleihe-Zinsen sind von fast 0 schrittweise auf knapp unter 3 Prozent gestiegen, ohne dass größere Verwerfungen auf den Aktien- und Immobilienmärkten ausgelöst wurden. Das erreichte Niveau hätte sich für die nächste Zeit als brauchbarer  Kompromiss empfohlen, mit dem die Kreditnehmer wie die Anleger gut zurechtgekommen wären.
  • Der von Trump ausgelöste Handelskrieg bedeutet jetzt tatsächlich eine Gefährdung der Wirtschaftsentwicklung, also ist man in der Fed zu konjunkturfördernden Maßnahmen grundsätzlich bereit, sieht aber unmittelbar noch keinen größeren Handlungsbedarf.
  • Die Fed ist zusätzlich unter Druck, weil, wie betont, die Euro-Zone und China – auch unabhängig vom Handelskrieg – ein geringeres Wachstum aufweisen, wodurch die exportierende US-Industrie belastet wird. Somit würde sich eine Belebung der US-Binnennachfrage empfehlen. Mit einer entsprechenden Politik käme man aber Trump entgegen und es entstünde der Eindruck, man betreibe keine unabhängige Währungspolitik und sei vom Präsidenten gesteuert.
  • Auch die hartnäckig niedrige Inflationsrate in den USA ist ein Argument für konjunkturbelebende Maßnahmen, da niedrige Preise als Zeichen für eine geringe Nachfrage gewertet werden.
  • Nicht zuletzt kann eine Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte keine größeren Wirkungen erzielen und ist folglich in erster Linie nur ein Signal – man ist bereit einzugreifen.

Man könnte die aktuelle US-Währungspolitik mit einem Eiertanz vergleichen.

Letztlich ergibt sich das Fazit, dass Trump besser beraten wäre, den Handelskrieg und die damit verbundenen, unverständlichen Sprünge zu unterlassen. Eine ungehinderte Fortsetzung der erfolgreichen Entwicklung der USA in den vergangenen Jahren täte dem Land selbst gut. Europa und China würden ihren traditionellen Absatzmarkt behalten und wären dadurch wirtschaftlich stärker, wodurch sie wiederum als Abnehmer für US-Exporteure interessanter wären. Dies täte der Weltwirtschaft gut. Und: Europa und China haben selbst genug Probleme. Prügel aus Washington ist verzichtbar. Vor allem: Die politische Inszenierung eines Handelskriegs gegen die vermeintlichen Feinde Amerikas schafft keinen einzigen Arbeitsplatz im „Rust Belt“.

***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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Ronald Barazon

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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