„Weil die Bundesregierung nicht handelt, kann die deutsche Rüstungsindustrie weiter kräftig Profit machen mit dem verbrecherischen Krieg im Jemen sowie der aggressiven Außenpolitik Erdoğans“, hat die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion der Linken, Sevim Dağdelen, zu Jahresanfang dem ZDF gesagt.
Dann forderte die Politikerin die Bundesregierung auf, den weiteren Export von Rüstungsgütern an Saudi-Arabien und die Türkei zu unterbinden. Und Angela Merkel reagierte auch prompt und ordnete die Verschärfung der Richtlinien für den Waffenexport an, die im Juni 2019 dann vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlicht wurden. Denn grundsätzlich gelten Geschäfte, die deutsche Unternehmen mit diesen beiden Ländern machen, als schwierig, weil Saudi-Arabien und die Türkei aus westlicher Sicht demokratische Prinzipien verletzen.
Hintergrund: Dieser Konflikt ist nur einer von vielen, den es um die deutschen Rüstungsexporte gibt. Und er steht stellvertretend für andere, die schon immer zuhauf die Zeitungen und Agenturen gefüllt haben. Grundsätzlich haben Deutschland und seine Militärindustrie ein sehr schlechtes Image – und das schon seit Jahrzehnten. Das Land gilt als „aggressiver Waffenexporteur“, dessen Industrie „großen Profit“ erwirtschaftet. Aus moralischen und politischen Gründen müsse man dessen Geschäfte unbedingt eindämmen, so der Ton in der Debatte.
Doch wenn man genauer in die Statistiken schaut, dann wird klar, dass diese Industrie doch keine so große Bedeutung hat, wie viele Politiker oder Bürgeraktivisten immer wiederholen – weder für die deutsche Wirtschaft noch für die weltweite Waffenindustrie.
So betrug der Wert der militärischen Güter, die Deutschland im vergangenen Jahr an Saudi-Arabien geliefert hat, zwar 147 Millionen Euro. Und das war auch mit Abstand der größten Posten unter allen Lieferungen, die in Länder exportiert wurden, die nicht zur EU oder zur NATO gehören.
Exporte in autoritäre Staaten sehr gering
Diese Ausfuhren gelten immer als besonders sensibel, weil sich darunter auch autokratische Systeme befinden, die politisch umstritten sind. Allerdings ist der Anteil der Exporte in diese Staaten an den gesamten Rüstungsausgaben, die im vergangenen Jahr bei 4,8 Milliarden Euro gelegen haben, sehr gering.
Wie sich aus dem aktuellen Bericht der Bundesregierung zu den Rüstungsexporten 2018 errechnen lässt, lag er damit gerade einmal bei einem Prozent. Die politischen Auseinandersetzungen um die Waffenlieferung an Saudi-Arabien sind somit ein reines Politikum, das geschäftlich keine sonderlich große Grundlage hat. Dass die Diskussion um die Waffenexporte grundsätzlich einen politischen Hintergrund hat, wird auch daran deutlich, dass die Rüstungsausfuhren in den vergangenen Jahren generell zurückgegangen sind.
Rüstungsexporte um ein Fünftel geschrumpft
So sind die Exporten 2018 gegenüber dem Vorjahr um fast ein Fünftel geschrumpft. Doch das war noch nicht alles: Zwölf Monate zuvor hatten die Volumina noch einmal fast neun Prozent mehr betragen. Grundsätzlich haben sich die Ausfuhren in den vergangenen zehn Jahren um satte 17 Prozent verringert.
Und wenn man sich den Umfang der einzelnen Waffengattungen anschaut, die deutsche Firmen geliefert haben, dann kann man auch nicht sagen, dass von deutschem Boden eine riesige Gefahr ausgegangen ist: So hat Deutschland 2018 gerade einmal 45 Panzer exportiert – und zwar nach Singapur, Katar und Jordanien.
Die Zahl der insgesamt gelieferten Tanks war so gering, dass damit gerade einmal Botsuana und Simbabwe ihre Fuhrparks erneuern könnten, die derzeit über 52 bzw. 42 Panzer verfügen. Beide afrikanischen Länder sind nun wirklich keine Militärnationen, ohne ihren Regierungen zu nahe zu treten. Zum Vergleich: Die größte Zahl an Fahrzeugen haben Russland (21.900), China (knapp 13.000) und die USA (etwa 6.300). Die Bundeswehr schickt 900 solcher militärischen Fahrzeuge in die Manöver und in die militärischen Aktionen.
Schwierige Analyse von Dual-Use-Gütern
Etwas schwieriger ist die Analyse der Güter, die einen sogenannten Dual-Use-Zweck haben – also von Produkten, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können. Hier ist es schwieriger, Statistiken zu finden.
Die Redaktionen der MADSACK-Gruppe haben eine Liste veröffentlicht, die das Bundeswirtschaftsministerium dem Wirtschaftsausschuss im Bundestag hat zukommen lassen. Darin steht, dass die Ausfuhren in sogenannte Drittstaaten 2018 bei 4,9 Milliarden Euro gelegen haben.
In dieser Zahl sind nicht die Exporte enthalten, die in die Länder der NATO und der EU gegangen sind. Das bedeutet, dass die Gesamtausfuhren von Dual-Use-Gütern wesentlich größer gewesen sein müssen.
Relativ kleine Rüstungsexporte
Selbst wenn man dies mitberücksichtigt, dürfte das gesamte Volumen kaum mehr als im zweistelligen Milliarden-Euro-Bereich gelegen haben. Addiert man die direkten Rüstungsexporte dazu, die 2018 bei 4,8 Milliarden Euro gelegen haben, ergibt sich eine Gesamtsumme zwischen zehn bis vielleicht maximal 20 Milliarden Euro, die militärisch genutzt werden können.
Dieses Volumen ist verhältnismäßig gering, wenn man sich den Gesamtwert der deutschen Exportgüter pro Jahr anschaut, der bis zu 1,3 Billionen Euro im Jahr erreicht. Das bedeutet, dass die Rüstungsgüter inklusive der Dual-Use-Waren maximal 1,5 Prozent an den Gesamtausfuhren ausmachen.
Dass die deutschen Waffenproduzenten bei weitem nicht so bedeutend sind, wie sie immer dargestellt werden, lässt sich auch an der Liste der 100 größten Waffenproduzenten ablesen, die das internationale Institut für Friedensforschung SIPRI für das Jahr 2017 veröffentlicht hat. Unter den zehn größten Herstellern gibt es kein einziges deutsches Unternehmen, sondern nur überwiegend US-amerikanische Firmen. Die USA nehmen die ersten drei Plätze ein und stellen allein fünf Produzenten unter den Top Ten.
Bester deutscher Hersteller nur auf dem 25. Platz
Derjenige deutsche Konzern, der sich im Ranking am höchsten befindet, ist Rheinmetall. Das Unternehmen, das unter anderem gepanzerte Kettenfahrzeuge herstellt, liegt auf dem 25. Platz. Wichtig: Der Herstellung militärischer Produkte macht nur knapp die Hälfte seiner Erlöse aus – folglich ist Rheinmetall nicht einmal ein reiner Waffenproduzent.
Ähnlich sieht es bei ThyssenKrupp aus. Das Unternehmen aus dem Ruhrgebiet, das unter anderem U-Boote und Marineschiffe herstellt, nimmt auf der Liste lediglich den 53. Platz ein. Ganze vier Prozent der Gesamtgeschäfte wird mit dem Rüstungs-Business erzielt, so dass man wirklich nicht von einem Rüstungsunternehmen reden kann.
Darüber hinaus entwickelt sich der Konzern, der einstmals ein Vorzeige-Unternehmen der deutschen Industrie gewesen ist, derzeit dermaßen schlecht, dass die Kritiker der Rüstungsexporte bestimmt keine Angst vor dem Produzenten haben müssen. Danach folgt aus deutscher Sicht der Panzer-Hersteller Krauss-Maffei Wegmann, der auf dem 56. Rang liegt. Auch dieser Hersteller nimmt keinen der vorderen Plätze in der Tabelle ein.
Dass die Deutschen mit ihrer Waffenindustrie nun wirklich nicht mehr so schrecklich sind, wie die Kritiker immer wieder behaupten, wird auch an einem anderen interessanten Fakt deutlich: So hat der polnische Premier Mateusz Morawiecki gerade Deutschland aufgefordert, die Rüstungsausgaben zu erhöhen.
"Ich würde nicht sagen, dass Deutschland ein Trittbrettfahrer ist, aber seine Beiträge entsprechen nicht den Verpflichtungen", sagte der polnische Premier. "Deutschland sollte seine Verteidigungsausgaben schneller erhöhen", erklärte Morawiecki den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Die NATO-Staaten haben sich verpflichtet, dass die Rüstungsausgaben bis 2024 zwei Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) betragen. Deutschland will hingegen in den kommenden fünf Jahren lediglich 1,5 Prozent erreichen. Diese Aussagen ist deswegen besonders interessant, weil Polen grundsätzlich historische Bedenken gegenüber dem westlichen Nachbarn hat. Morawiecki zeigte damit jedenfalls direkt, dass sein Land die Deutschen militärisch nicht mehr besonders fürchtet.