Finanzen

Frankreich: Kommunen bekommen keine Kredite mehr

Lesezeit: 2 min
08.06.2012 00:08
Aufgrund der neuen Kapitalanforderungen und der unsicheren Situation in der Eurokrise fällt es französischen Kommunen zunehmend schwerer, ihre Projekte zu finanzieren. Manche suchen bereits Kredite in China. Doch nicht nur französische Kommunen sind davon betroffen.
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Neben der steigenden Arbeitslosigkeit und der schwächelnden Wirtschaft wird der französische Präsident Francois Hollande nun vor neue Herausforderungen gestellt. Viele Kommunen können ihre Investitionsvorhaben nicht mehr finanzieren. Das ist insofern problematisch, als dass die lokalen Regierungen die Mehrheit der öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur, von der Straße über Kanalisation bis hin zu Krankenhäusern, durchführen. Projekte, die das Wachstum ankurbeln könnten. „Die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum werden erheblich sein", sagte Bernard Dreyfus, der sich im Studium mit der Finanzierung von lokalen Regierungen beschäftigt, dem WSJ.

Die sich verschlechternde Finanzkrise und die neuen Kapitalanforderungen an die Banken führten dazu, dass diese ihre Kreditvergabe an Kommunen drastisch reduzierten – nicht nur in Frankreich, in ganz Europa. Im Gegensatz zu den USA, wo Kommunen regelmäßig Anleihen verkaufen, um ihre Projekte zu finanzieren, setzen europäische Kommunen überwiegend auf Bankkredite.

In Spanien führte die Schwierigkeit der Regionen und Gemeinden, Geld für Bauprojekte von Banken zu erhalten, dazu, dass die Landesregierung eine 35 Milliarden Euro Kreditlinie für sie einrichtete. Im Dezember griff die spanische Regierung ein, um die Region Valencia vor einer Pleite zu bewahren, als diese die überfälligen Bankschulden nicht aufbringen konnte. Katalonien rief Ende Mai um Hilfe (mehr hier).

In Frankreich haben die Kommunen und Krankenhäuser einen jährlichen Finanzierungsbedarf von 20 bis 22 Milliarden Euro – eine Lücke von mindesten 10 Milliarden Euro wird sich einer Studie des Verbands der Bürgermeister Frankreichs in diesem Jahr auftun. Wird dieses Finanzloch nicht gestopft, gefährdet dies auch die Bau- und Servicegesellschaften, die von den Verträgen mit den Kommunen leben, so Philippe Laurent, Bürgermeister des Pariser Vororts Sceaux und Leiter der Finanzkommission des Verbandes.

In der Stadt Saint-Maixent-l’Ecole, im Westen Frankreichs, ist der Bau eines Krankenhauses ins Stocken geraten, in Sceaux wird die Renovierung eines Altersheimes auf unbestimmte Zeit verzögert. „Niemand leiht uns etwas“, so Philippe Laurent. Kritiker sagen, in Zeiten der Sparmaßnahmen müssten auch die Kommunen kürzer treten. Diese hätten in der Vergangenheit zu leichtfertig Geld für Bauprojekte ausgegeben. So hat Frankreich beispielsweise 30.000 Kreisverkehre – vier Mal so viele wie in Deutschland. Viele davon befinden sich auf Nebenstraßen auf dem Land.

Die Stadt Chartres muss in den nächsten drei Jahren 300 Millionen Euro aufbringen, wenn sie ihre derzeitigen Investitionsprogramme voranbringen will. Nachdem sie weder Kredite von in der Stadt ansässigen Banken noch von nationalen Banken erhalten hat, ging sie in Richtung China. „Geld ist eine Ware wie jede andere. Es ist mir egal, ob sie aus China oder von  deutschen Banken kommt", sagte der Bürgermeister von Chartres. Im März flog sein Finanzberater nach Peking zu Gesprächen mit der China Development Bank. Zwei chinesische Investmentfonds überlegen, zu investieren. Noch laufen die Verhandlungen.

Problematisch, besonders in Frankreich, war zudem auch die Pleite der französisch-belgischen Bank Dexia, die mittlerweile verstaatlicht wurde. Ihr unterstanden, dem WSJ zufolge, 40 Prozent der kommunalen Kreditvergabe. Dexia vergibt seitdem an Kommunen keine neuen Kredite mehr. Lokale Regierungen könnten sich für die Banken wieder attraktiver machen, wenn sie ihr Geld bei den Banken einzahlen würden, erklärt Philippe Brassac von der Crédit Agricole. Aber die französischen Gemeinden sind verpflichtet, ihr Geld bei dem französischen Finanzministerium zu deponieren.

Einige große lokale Regierungen, wie etwa die Regionen Paris und Lyon sind in der Lage mittels Anleihen Zugang zu den Finanzmärkten zu erhalten, „aber für die meisten lokalen Regierungen wird der Bond-Markt wird noch lange unerreichbar bleiben", sagte Bernard du Boislouveau, Geschäftsführer der Corporate and Investment Bank bei Crédit Agricole. Zudem seien in den USA die Zinsen auf kommunale Anleihen oft steuerfrei, in den meisten europäischen Ländern gibt es keine steuerlichen Vorteile für solche Anleihen.


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