Technologie

Unerwarteter Krisenfall: Finnland kommt nicht aus der Rezession

Finnland galt bisher als das Euro-Musterland. Nun stellt sich heraus: Die Produktivität ist in Finnland schlechter als in Südeuropa. Man kann im Euro-Raum auch ohne Schulden zum Krisenfall werden.
17.08.2013 00:33
Lesezeit: 2 min

Seit der Einführung des Euro sind die Löhne in Finnland deutlich gestiegen. Nun warnt das größte finnische Wirtschaftsinstitut, die hohen Löhne gefährdeten die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Um mit Deutschland konkurrieren zu können, sei Lohnzurückhaltung geboten.

In den vergangenen Jahren sind die Löhne in Finnland stark gestiegen, sogar deutlich stärker gestiegen als die Wirtschaftskraft des Landes. Dies gefährdet die finnische Wettbewerbsfähigkeit. Schon jetzt steckt das Land in der Rezession.

Seit der Euro-Einführung ist die Wirtschaft in Finnland stärker gewachsen als in der Eurozone als ganze, so Eurostat. Doch die finnischen Bruttolöhne stiegen noch schneller. Das BIP pro Kopf ist in Finnland im Schnitt um 2,6 Prozent jährlich gestiegen, in der Eurozone insgesamt hingegen nur um 2,1 Prozent.

Die finnische Wirtschaftskraft pro Kopf ist heute größer als in Deutschland. Das deutsche Pro-Kopf-BIP ist seit 2002 im Schnitt nur um 2,3 Prozent jährlich gestiegen.

Finnland ist einer der wenigen Staaten, die noch das Kredit-Rating AAA haben. Denn die Schuldenquote des Landes lag 2012 bei nur 53 Prozent und somit deutlich unterhalb des Wertes für die Eurozone von 91 Prozent. Die deutschen Staatsschulden entsprechen 82 Prozent des BIP. Doch seit 2009 schreibt Finnland Defizite, im letzten Jahr lag das Defizit bei 1,9 Prozent.

Seit Einführung des Euro im ersten Quartal 2002 sind die realen Lohnstückkosten in Finnland pro Jahr um durchschnittliche 0,8 Prozent gestiegen. Diese Größe gibt das Verhältnis der Löhne zum BIP eines Landes an. Ein Plus von 0,8 Prozent bei den Lohnstückkosten bedeutet also, dass die Bruttolöhne in Finnland stärker gestiegen sind als die Wirtschaftskraft des Landes.

In der Eurozone hingegen sind die realen Lohnstückkosten seit Einführung des Euro fast unverändert geblieben. In Deutschland sind sie sogar um 0,2 Prozent pro Jahr gesunken. Die Löhne stiegen hierzulande also weniger als die Wirtschaftskraft.

Das größte finnische Wirtschaftsforschungsinstitut ETLA warnt nun, dass die vergleichsweise hohen Lohnstückkosten Finnlands Wettbewerbsfähigkeit gefährdeten. Zudem drohe eine mögliche Einbeziehung der Schifffahrt in die CO2-Steuer. Dadurch werde die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gegenüber Deutschland weiter abnehmen, so das Institut. Seit dem ersten Quartal 2012 ist das Land in der Rezession.

Das finnische Beispiel zeigt, dass der Globalisierungs-Tsunami auch vor einstigen Hoffnungsträgern nicht Halt macht. Vor 20 Jahren hatte Finnland mit Nokia das innovativste Unternehmen der Welt, die Firma kämpft heute gegen Apple und Samsung und hat ihren Nimbus als Mobilfunk-Pionier verloren. Ähnlichen finnischen Unternehmen ist es ähnlich ergangen.

Die wirtschaftliche Glückseligkeit hat sich auch im hohen Norden der Euro-Zone als Illusion erwiesen, die in der Euro-Krise zerplatzt wie eine Seifenblase.

Die ETLA-Studie könnte auch bei den Lohnverhandlungen in den kommenden Wochen eine Rolle spielen. Sie wird möglicherweise als Argument dienen, um von den Arbeitnehmern Lohnzurückhaltung zu fordern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Elterngeld: Warum oft eine Steuernachzahlung droht
12.07.2025

Das Elterngeld soll junge Familien entlasten – doch am Jahresende folgt oft das böse Erwachen. Trotz Steuerfreiheit lauert ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto ersetzt Börse: Robinhood bietet Token-Anteile an OpenAI und SpaceX
12.07.2025

Die Handelsplattform Robinhood bringt tokenisierte Beteiligungen an OpenAI und SpaceX auf den Markt. Doch was wie ein Investment klingt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Meta-KI: Facebook-Mutter wirbt KI-Top-Talente von OpenAI ab – Altman schlägt Alarm
12.07.2025

Der KI-Krieg spitzt sich zu: Meta kauft sich Top-Talente, OpenAI wehrt sich mit Krisenurlaub – und Europa droht im Wettrennen um die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...