Politik

Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN)

Britta Haßelmann (Bündnis 90/Die Grünen) ist Bundestagsabgeordnete. Sie ist Mitglied im Ältestenrat, im Unterausschuss Kommunales, im Finanzausschuss und im Vermittlungsausschuss. Des Weiteren ist sie stellvertretendes Mitglied im Vermittlungsausschuss.
16.09.2013 02:00
Lesezeit: 2 min

Welchen Weg soll die EU einschlagen: Mehr Abgabe von Souveränität an Brüssel oder Rückgabe von Souveränität an die Nationalstaaten, wie von den Briten gefordert?

Mehr Europa heißt für uns nicht, dass die EU oder gar Brüssel in Zukunft alles regeln soll. Wir wollen, dass auf der Ebene entschieden wird, die bei der jeweiligen Herausforderung am besten, bürgernah und mit der höchsten Legitimität agieren kann. Ein starkes Europa steht für uns weder in Konkurrenz noch im Widerspruch zu handlungsfähigen Kommunen, Regionen, (Bundes-)Ländern und Nationalstaaten. Es kommt vielmehr darauf an, dass die unterschiedlichen Ebenen zusammenarbeiten. Dies bedeutet für die Praxis, dass die europäischen Institutionen viel stärker und früher als bisher alle politischen Ebenen durch Anhörungs- und Einflussrechte in die eigene Gesetzgebung einbinden sollen. Gleiches gilt für die nationale Ebene, die in vielen Fällen europäische Vorgaben in die nationalstaatliche Gesetzgebung implementiert und die Kriterien für die Vergabe von EU-Mitteln mitbestimmt. Das bedeutet auch, dass Kompetenzverlagerung keine Einbahnstraße ist. So wie es in vielen Bereichen sinnvoll ist, mehr Souveränität nach Europa zu verlagern, so lassen sich manche Bereiche besser national, regional oder lokal regeln. Deshalb sind wir grundsätzlich dafür, Kompetenzen auf untere Ebenen zurückzugeben, wenn es sachlich sinnvoll erscheint – auch das gehört zum Prinzip der Subsidiarität.

Soll es eine gemeinsame Haftung für die Schulden geben, oder soll jeder Nationalstaat für seine eigenen Schulden haften?

Einerseits birgt eine gemeinsame Haftung für Schulden die Chance, die Finanzmärkte zu beruhigen und die Zinslasten zu senken. Andererseits besteht bei einer bedingungslosen gemeinsamen Haftung aber auch das Risiko, die falschen Anreize für nationale Regierungen zu setzen. Daher haben wir uns nur für den Bereich der Altschulden für einen Altschuldentilgungsfonds mit gemeinsamer Haftung der Euro-Staaten (Modell des Sachverständigenrates) entschieden. Für neue Schulden sollen die Länder weiterhin selbst haften. Die Voraussetzung für eine dauerhafte Lösung der Eurokrise ist eine gemeinsame und koordinierte Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa. Wenn diese geschaffen ist, können gemeinsame europäische Anleihen allen europäischen Ländern nutzen.

Sparen geht am besten durch effizienten Einsatz von Steuergeldern. Sind Sie dafür oder dagegen, dass Behörden und Politiker, die nachweislich Steuergelder verschwendet haben, dafür auch bestraft werden sollen, etwa durch ein Bußgeld?

Bei nachgewiesener grober Fahrlässigkeit, z.B. wenn Ergebnisse von Ausschreibungsverfahren ignoriert werden, ist eine Bestrafung der Verantwortlichen sinnvoll. Bei politischen Entscheidungen ist eine Strafbarkeit aber grundsätzlich schwierig. Nehmen wir das Betreuungsgeld als Beispiel. Aus Grüner Sicht handelt es sich um eine Verschwendung von 1,2 Mrd. Euro Steuern pro Jahr. Wiederholt haben die EU-Kommission, die OECD und wissenschaftliche ExpertInnen darauf hingewiesen, dass Regelungen wie das Betreuungsgeld die Nichterwerbstätigkeit von Frauen fördern und deshalb kontraproduktiv sind. Die Koalition hat das Betreuungsgeld trotzdem eingeführt und ignoriert damit den einhelligen Rat der Experten. Trotzdem wäre eine Strafbarkeit im juristischen Sinne hier unangebracht. Es handelt sich um eine politische Entscheidung, über die zusammen mit anderen im Rahmen von Wahlen abgestimmt werden muss. Dafür gibt es im September die Bundestagswahl!

Was die Ausgaben des Bundes betrifft: Wir GRÜNE haben Einsparvorschläge im Bundeshaushalt im Milliardenhöhe vorgelegt. Zum Beispiel wollen wir auf teure und unsinnige Rüstungsprojekte verzichten und die Bundeswehr weiter verkleinern.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Technologie
Technologie Fahrerlose Taxis in Hessen: Chinesische Technik, deutscher Pilotbetrieb
01.06.2025

In Deutschland startet das erste Pilotprojekt für autonome Taxis: Ohne Fahrer, aber mit Überwachung aus der Ferne. Ein Modell mit...

DWN
Technologie
Technologie Goldrausch 2.0: Wie Google KI neu definiert – und Europa zuschaut
01.06.2025

Google I/O 2025 bietet einen tiefen Einblick in die nächste Ära der Künstlichen Intelligenz – von echten 3D-Videocalls bis hin zu...

DWN
Panorama
Panorama Nur noch fünf Minuten: Schlummertaste in Deutschland beliebt
01.06.2025

Mit der Schlummertaste kann man das Aufstehen verzögern. Ärzte raten davon ab, aber die Praxis ist gerade in Deutschland gängig....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gesundheitscheck vor der Einstellung: Rechte und Grenzen für Bewerber
01.06.2025

Ein Vorstellungsgespräch ist erfolgreich verlaufen, doch bevor der Arbeitsvertrag unterschrieben wird, fordert der potenzielle Arbeitgeber...

DWN
Technologie
Technologie SaaS ist tot – die Zukunft gehört der KI, nicht Ihrer Plattform
01.06.2025

Niemand will die Nutzung Ihrer Plattform lernen – Unternehmen wollen Ergebnisse. Künstliche Intelligenz ersetzt Tools durch fertige...

DWN
Panorama
Panorama EU-Reform könnte Fluggastrechte deutlich schwächen
01.06.2025

Von Verspätungen betroffene Fluggäste haben in Zukunft möglicherweise deutlich seltener Anspruch auf Entschädigung. Die EU-Staaten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...