Deutschland

Mindestlohn und Reichen-Steuer: Die Politik als leeres Ritual

Die SPD will mit Steuererhöhungen für die Spitzen-Einkommen und mit einem flächendeckenden Mindestlohn die Partei-Basis einfangen. Die CDU hat bereits signalisiert, dass sie höhere Steuern akzeptieren wird. Doch die Maßnahmen sind Voodoos - sie bringen nichts, weil dem Bürger durch höhere Lebenshaltungskosten das Geld am Ende doch wieder fehlt. Die einzig wirkungsvolle Maßnahme wäre ein Ende der Steuerverschwendung. Davon will jedoch keiner etwas wissen.
27.09.2013 02:46
Lesezeit: 3 min

Die SPD wird bei den Koalitions-Verhandlungen zwei Forderungen stellen: die Anhebung des Spitzensteuersatzes und die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro. Beim Spitzensteuersatz hat die CDU sogar schon vor den eigentlichen Verhandlungen Entgegenkommen signalisiert. Zum Mindestlohn hat man sich noch nicht geäußert.

Doch die Partei-Basis der SPD rebelliert (hier).

Ob sie sich von einer reinen Symbol-Politik umstimmen lassen?

„Wir sagen der Steuer-Ungerechtigkeit in Deutschland genauso den Kampf an wie der Steuer-Ungerechtigkeit in Europa“, sagte SPD-Partei-Chef Sigmar Gabriel etwa einen Monat vor der Bundestagswahl. So müsste etwa Steuerhinterziehung in jeder Form ebenso bekämpft werden, wie Steuern für Reiche erhöht werden:

„Dafür haben wir vor mehr als einem Jahr ein klares Finanzierungskonzept vorgelegt: mit der Erhöhung des Spitzensteuersatzes und der stärkeren Besteuerung von Vermögens- und Kapitaleinkünften. Das werden wir auch umsetzen. Das Steuerpaket der SPD steht zur Wahl.“

Genauso deutlich drückte sich Peer Steinbrück aus. Ende August stellte er in Berlin sein 100-Tage-Programm vor:

„Mit mir als Bundeskanzler wird die Regierung ein Gesetz für einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro vorlegen. Mehr als fünf Millionen Menschen werden so höhere Löhne bekommen. Dann ist endlich Schluss mit der Subventionierung von Billiglohn-Arbeitgebern durch Steuergelder. Ein Mindestlohn ist sozial gerecht, weil alle von ihrer Arbeit leben können müssen. Und er ist wirtschaftlich sinnvoll, weil er die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern stärkt, sowie die öffentlichen Haushalte und Sozialsysteme entlastet – insgesamt um bis zu 5 Mrd. Euro pro Jahr.“

Und weiter:

„Mit mir als Bundeskanzler wird die Regierung mit Hilfe der rot-grünen Mehrheit im Bundesrat den Spitzensteuersatz auf 49 Prozent erhöhen, aber diesen erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 100.000 Euro für Singles und 200.000 Euro für Verheiratete greifen lassen. Deswegen sind davon 95 Prozent der Steuerzahler nicht betroffen. Parallel dazu werden wir die Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf 32 Prozent erhöhen und das von Schwarz-Gelb klientelpolitisch motivierte Mehrwertsteuerprivileg für das Gaststättengewerbe („Mövenpick-Steuer“) zurücknehmen.“

Bei der  Anhebung des Spitzensteuersatzes hat die SPD gute Karten. Schon vor den Koalitionsgesprächen schließt die CDU Steuererhöhungen nicht mehr aus (hier).

Beim Mindestlohn könnte es einen Kompromiss geben.

Doch die Wirkung des flächendeckenden Mindestlohn ist zweifelhaft. Im Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute an die Bundesregierung heißt es, dass die Einführung eines Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro „erhebliche negative Beschäftigungseffekte“ nach sich ziehen könnte. Es sei zu vermuten, dass die hohe Arbeitslosigkeit in Frankreich auch auf die Höhe des dortigen Mindestlohns zurückzuführen sei.

„Die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns wäre ein großer ordnungspolitischer Sündenfall, aus dem man sich schwerlich wieder befreien könnte. Er lässt sich nicht verantworten“, schreibt Manfred Neumann im ifo Schnelldienst.

Die Stiftung Marktwirtschaft spricht sich in ihrem Positionspapier ebenfalls gegen einen Mindestlohn aus:

„Empirische Studien zeigen, dass 2008 etwa 15,7 % der abhängig Beschäftigten, das sind etwa 5 Mio. Menschen, einen Stundenlohn von unter 8 Euro erhielten. Diese Arbeitsplätze wären bei Einführung eines Mindestlohns zumindest potentiell gefährdet. Das ifo Institut schätzt, dass bei einem Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde rund 1,1 Millionen Arbeitsplätze tatsächlich wegfielen, wobei die zu erwartenden Anpassungen im Lohngefüge knapp oberhalb des Mindestlohns noch gar nicht berücksichtigt sind.“

Ein vom wirtschaftlichen Sachverständigenrat der französischen Regierung („Conseil d’Analyse Economique“) in Auftrag gegebenes Gutachten verweist auf die Auswirkungen eines Mindestlohns für die Jugend. Der Mindestlohn sei ein Hindernis für den Berufseinstieg von Jugendlichen. Ähnlich drückte es auch Milton Friedman aus:

„Es ist kein Zufall, dass die Jugendarbeitslosigkeit doppelt so hoch, wie die Gesamt-Arbeitslosigkeit ist. Es ist auch kein Zufall, dass es bis in die fünfziger Jahre nicht so gewesen ist. Denn erst ab da an wurde der Mindestlohn drastisch angehoben.“

Die US-Ökonomen Joseph J. Sabia und Richard V. Burkhauser schreiben in ihrem Aufsatz  „Minimum Wages and Poverty: Will a $9.50 Federal Minimum Wage Really Help the Working Poor?“:

 „Wenn der Mindestlohn von 7,25 US-Dollar auf 9,5 US-Dollar angehoben wird, werden nur 11,3 Prozent der armen Haushalte davon profitieren (…). Geringverdiener werden nicht besser, sondern schlechter gestellt, weil viele von ihnen ihre Arbeitsplätze verlieren (…).“

Tatsächlich handelt es sich bei den wohlklingenden Maßnahmen um reine Symbol-Politik: Marc Faber berichtet aus Thailand, dass es dort zwar einen offiziellen Mindestlohn gäbe, sich jedoch keiner dran hält.

Vor allem aber helfen die Mindestlöhne nicht, wenn die Lebenshaltungskosten explodieren. Zwar erweckt die offizielle Inflationsrate den Eindruck, dass es eigentlich keine Inflation gibt. Doch von den Mieten über die Einkäufe im Supermarkt merken gerade die Geringverdiener, dass ihnen das Wirtschaften kaum noch gelingt.

Die einzig wirkungsvolle Maßnahme wäre - auch in Deutschland - eine echte Haushaltsdisziplin: Weil aber der Staat die Milliarden bei Skandal-Projekten wie Stuttgart 21, dem Berliner Großflughafen oder der Elbphilharmonie in Hamburg mit vollen Händen beim Fenster hinauswirft, müssen die Steuern immer weiter erhöht werden.

Die größte Chuzpe ist die Erhöhung des Spitzensteuersatzes: Die wirklich Reichen, die die Steuer treffen soll, sind schon längst über alle Berge. Damit die Rechnung aber aufgeht, wird die Mittelschicht geschröpft.

Die Regierung Merkel, Schäuble und N.N. denkt nicht daran, zu sparen. Auch die angeblich so sprudelnden Steuereinnahmen reichen nicht, weil der Moloch der staatlichen Apparate immer mehr verschlingt.

Möglicherweise gelingt es der SPD-Führung, die Basis noch einmal zu überreden: Sigmar Gabriel wird versuchen, den Genossen seine großen Erfolge anzudienen.

Doch spätestens in vier Jahren werden die Wahlkämpfer vor noch mehr Armut und Ungerechtigkeit stehen.

Viel Stoff für kritische Fragen an die SPD.

Und vermutlich wenige, überzeugende Antworten.

 

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