Finanzen

Mehr als ein Drittel der weltweiten Direktinvestitionen sind verdeckte Steuerhinterziehungen

Fast 40 Prozent der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen sind keine echten Investitionen. Sie verfolgen einzig das Ziel, die globale Steuerlast der Konzerne zu minimieren, so eine aktuelle IWF-Studie.
11.09.2019 15:46
Aktualisiert: 11.09.2019 15:58
Lesezeit: 3 min
Mehr als ein Drittel der weltweiten Direktinvestitionen sind verdeckte Steuerhinterziehungen
Eine aktuelle Studie zeigt, dass globale Konzerne wie Apple zur Steueroptimierung verstärkt "Special Purpose Entities" nutzen. (Foto: dpa) Foto: Peter Kneffel

Ausländische Direktinvestitionen sind grenzüberschreitende Finanzinvestitionen zwischen Unternehmen derselben multinationalen Gruppe. In vielen Fällen leisten sie einen echten Beitrag zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Staaten, etwa indem sie Arbeitsplätze schaffen und durch den Transfer von Kapital, Know-How und Technologien die Produktivität steigern. Daher bemühen sich auch viele Länder, mehr ausländische Direktinvestitionen anzuziehen.

Allerdings sieht es in der Praxis oft anders aus, wie eine aktuelle Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Universität Kopenhagen zeigt. Ein großer Teil der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen verfolgt demnach nicht das Ziel, "echte" Unternehmungen zu finanzieren. Vielmehr geht es den investierenden Konzernen allein darum, ihre Steuerlast zu minimieren.

Der Studie zufolge fließen fast 40 Prozent der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen - im Wert von insgesamt 15 Billionen Dollar - durch leere Unternehmenshüllen ohne echte Geschäftstätigkeit, auch "Special Purpose Entities" genannt. Diese Unternehmenshüllen führen Holdingtätigkeiten und innerbetriebliche Finanzierungen durch oder verwalten immaterielle Vermögenswerte. Sie verfolgen dabei vor allem das Ziel, die globale Steuerlast der Konzerne zu minimieren.

Welche Staaten sind betroffen?

Fast die Hälfte der von den Forschern identifizierten Phantom-Investitionen entfiel auf Luxemburg und die Niederlande. Und wenn man Hongkong, die Britischen Jungferninseln, Bermuda, Singapur, die Kaimaninseln, die Schweiz, Irland und Mauritius hinzufügt, kommt man auf mehr als 85 Prozent aller Phantom-Investitionen. Der Anteil Großbritanniens an "unechten" ausländischen Direktinvestitionen stieg von nur 3 Prozent im Jahr 2009 auf 18 Prozent im Jahr 2017. In Belgien und Schweden hingegen sank der Anteil im gleichen Zeitraum von rund 30 Prozent auf einstellige Werte.

Länder, in denen weniger als die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen "echt" ist, sind Luxemburg, die Niederlande, Malta, Irland, die Schweiz sowie eine Reihe britischer Überseegebiete und Besitzungen der britischen Krone, so die Autoren der Studie.

Luxemburg hat nur 600.000 Einwohnern. Doch offiziellen Statistiken zufolge hat das Großherzogtum einen Bestand von 4 Billionen Dollar an ausländischen Direktinvestitionen. Das ist so viel wie die USA und viel mehr als China. Die Summe entspricht 6,6 Millionen Dollar pro Einwohner. Ausländische Direktinvestitionen dieser Größenordnung spiegeln nach Ansicht des IWF kaum echte Investitionen in die winzige luxemburgische Wirtschaft wider.

In Irland wurde der Körperschaftsteuersatz von 50 Prozent in den 80er Jahren auf heute 12,5 Prozent abgesenkt. Zudem nutzen einige multinationale Unternehmen Schlupflöcher im irischen Recht, um Gewinne zwischen Tochtergesellschaften in Irland und den Niederlanden zu transferieren, wobei Steueroasen in der Karibik ein typische Endziel darstellen. Mit diesen Taktiken werden noch niedrigere Steuersätze erreicht oder Steuern ganz vermieden. Trotzdem sind die Einnahmen Irlands aus Unternehmenssteuern als Anteil am BIP gestiegen, weil die Bemessungsgrundlage deutlich gestiegen ist, zum großen Teil durch massive Zuflüsse ausländischer Investitionen. Fast zwei Drittel der irischen Auslandsinvestitionen sind der IWF-Studie zufolge "Phantome".

"Apple produziert seine iPhones nicht in Irland, noch entwirft Apple sie oder entwickelt die Mehrheit seines Betriebssystems in Irland, aber eine der wertvollsten ausländischen Direktinvestitionen der USA ist jetzt die Beteiligung von Apple an Apple Irland", zitiert die Financial Times Brad Setser, einen Ökonomen beim Council on Foreign Relations in New York.

Trotz der jüngsten internationalen Bemühungen, Unternehmen daran zu hindern, ihre Gewinne für Steuerzwecke international zu verschieben, zeigte die IWF-Studie, dass das Phantomkapital als Anteil an den gesamten ausländischen Direktinvestitionen wächst. Noch im Jahr 2010 machten Phantom-Investitionen nur 31 Prozent der gesamten Bestände aus, bis zum Jahr 2017 stieg der Anteil auf 38 Prozent.

"Die Gewinnverlagerung ist von einem Randmerkmal der Weltwirtschaft zu einem systemischen Merkmal geworden", zitiert die Financial Times Alex Cobham, den Leiter der Kampagnenorganisation Tax Justice Network. "Das ist genau die Art und Weise, wie man jetzt Geschäfte macht."

Doch die derzeitigen Reformbemühungen seien vielversprechend, so Cobham. Der Kampf gegen die Steueroptimierung der internationalen Unternehmen zählt zu den erklärten Prioritäten der G7-Ländergruppe. Die jüngsten einseitigen Schritte Frankreichs zur Besteuerung von globalen Technologiekonzerne haben den Druck auf andere G7-Mitglieder erhöht, eine Einigung zu erzielen. Die OECD wurde beauftragt, bis zum nächsten Jahr global akzeptable Lösungen zu finden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN-Wochenrückblick

Weniger E-Mails, mehr Substanz: Der DWN-Wochenrückblick liefert 1x/Woche die wichtigsten Themen kompakt und Podcast. Für alle, deren Postfach überläuft.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt Tesla-Aktie kaufen? Welche Erwartungen Investoren an Elon Musk haben
21.12.2025

Visionäre Unternehmer haben an den Kapitalmärkten immer wieder ganze Branchen neu geordnet. Ob Tesla-Aktien weiterhin von technologischem...

DWN
Panorama
Panorama Gaudís Sagrada Família: Der höchste Kirchturm der Welt
21.12.2025

Barcelona feiert 2026 die Architektur – und ein Turm der Sagrada Família soll Geschichte schreiben. Doch hinter dem Rekord stecken Geld,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Leadership-Coach Lars Krimpenfort: „Klopp ist ein gutes Beispiel für klare Führung unter Druck“
21.12.2025

Im Mittelstand steigen die Belastungen gefühlt täglich. Wie gelingt es Führungskräften dennoch, unter Druck richtig zu entscheiden?...

DWN
Politik
Politik EU-Kapitalmarktunion: Warum kleine Staaten um ihre Finanzmacht kämpfen
21.12.2025

Die EU will ihren Kapitalmarkt neu ordnen und zentrale Aufsichtsrechte nach Paris verlagern, während kleinere Staaten den Verlust ihrer...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 51: Die wichtigsten Analysen der Woche
21.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 51 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand vor existenziellen Problemen: Keine Aufträge und schlechte Rahmenbedingungen
21.12.2025

Wie eine aktuelle Umfrage des ifo-Instituts ergab, sehen sich 8,1 Prozent der befragten Firmen direkt in ihrer wirtschaftlichen Existenz...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Zölle auf Kleinsendungen: Neue Abgabe trifft Online-Bestellungen aus Drittstaaten
21.12.2025

Der Online-Handel mit günstigen Waren aus Drittstaaten wächst rasant und stellt den europäischen Binnenmarkt vor strukturelle...

DWN
Finanzen
Finanzen Topanalyst enthüllt: Das sind die attraktivsten Rüstungsaktien
21.12.2025

Die globale Sicherheitslage wandelt sich rasant, und die Verteidigungsindustrie gewinnt an Bedeutung für Regierungen und Kapitalmärkte....