Finanzen

Für einen großen Teil des Rentenmarkts gibt es kaum Finanzdaten

Seit der Finanzkrise hat sich die Macht am Rentenmarkt zugunsten der Schuldner verschoben. Unternehmen müssen beim Verkauf von Anleihen kaum noch Finanzdaten vorlegen.
Autor
03.11.2019 07:05
Lesezeit: 3 min
Für einen großen Teil des Rentenmarkts gibt es kaum Finanzdaten
Die lockere Geldpolitik der Zentralbanken hat nicht nur die Kreditkosten verzerrt, sondern auch die Kreditbedingungen. (Foto: dpa) Foto: Daniel Reinhardt

Der Investor Michael Burry, der einst mit seinen Wetten gegen die US-Immobilienblase ein Vermögen machte und als Vorlage für den Film "The Big Short" diente, hat kürzlich vor einer Blase bei Indexfonds gewarnt, auch passive Fonds genannt. Er argumentiert, dass Indexfonds Vermögenswerte kaufen, ohne dabei aktuelle Finanzdaten oder Unternehmensnachrichten zu berücksichtigen. Für sie zählt allein, welche Vermögenswerte wie stark in einem bestimmte Index vertreten sind.

Doch in Wirklichkeit ist die Lage offenbar noch viel schlimmer. Denn selbst wenn sich mehr Fonds für die Finanzdaten der Unternehmen interessieren würden, in die sie investieren wollen, so sind diese Daten heute in vielen Fällen gar nicht mehr für Investoren verfügbar. Dies zeigt eine aktuelle Analyse von Tad Rivelle, Chief Investment Officer für den Rentenmarkt bei TCW, einer US-Investmentfirma mit rund 200 Milliarden Dollar an verwaltetem Vermögen.

Geldschwemme schwächt die Position der Kreditgeber

Tad Rivelle schreibt, dass der aktuelle Konjunkturzyklus so stark von den Zentralbanken getrieben worden ist, wie kein anderer Zyklus in der Finanzgeschichte. Die Zentralbanken hätten die Zinsen gesenkt und das System mit "Liquidität" überschwemmt, also massiv Geld zum Verleihen geschaffen - mit der Folge, dass heute weltweit Schulden im Umfang von 17 Billionen Dollar mit negativen Renditen gehandelt werden.

Denn zwar können die Zentralbanken unbegrenzt Geld zum Verleihen schaffen, sagt Rivelle. Doch die Finanzwerte, die man damit kaufen kann, seien endlich. In der Folge seien nicht nur Kredite extrem billig geworden, sondern die Geldschwemme habe auch die Verhandlungsposition der Kreditgeber geschwächt. Diese könnten in dieser Situation kaum noch vernünftige Kreditbedingungen verlangen, also etwa bindende Verpflichtungen für die Schuldner oder die Bereitstellung von Finanzdaten.

Schulden ohne verfügbare Finanzdaten wachsen überproportional

In der Vergangenheit hatten Unternehmen mit Kreditbedarf zwei Optionen, sagt Rivelle. Entweder brachten sie Risikoanleihen auf den Markt und unterwarfen sich den entsprechenden Offenlegungs- und Berichtsstandards. Oder wenn das Unternehmen geringere Offenlegungsstandards bevorzugte, konnte es auf dem privaten Kreditmarkt Anleihen ausgeben, musste sich dann aber einer Reihe von Verpflichtungen unterwerfen, die das Management in seinem Vorgehen einschränkten.

Doch heute müssen Kreditgeber dank der Zentralbanken nicht mehr zwischen diesen beiden Optionen wählen. Heute können Unternehmen billige Kredite erhalten, ohne dass sie restriktive Kreditverpflichtungen eingehen müssen und ohne dass sie ihre Finanzdaten offenlegen müssen.

"Daher sind nicht nur die Schuldenmärkte in ihrer Größe gestiegen, sondern das Wachstum stammt auch überproportional aus den Segmenten des Schuldenmarkts, wo die finanzielle Offenlegung schlecht ist", so Rivelle, der dazu auch konkrete Zahlen vorlegt. Demnach ist der Risikoanleihemarkt von 2008 bis 2019 nur um rund 49 Prozent gewachsen, während der private Kreditmarkt (wo wenig oder gar keine Finanzdaten verlangt werden) in diesem Zeitraum einen Anstieg um 159 Prozent verzeichnet hat.

Daher warnt der Analyst: "Während ein Mangel an finanzieller Offenlegung während eines Kredit-Bullenmarktes unproblematisch ist, ist dieser Mangel während eines Baissemarktes ein definierendes Merkmal einer Liquiditätskrise. Menschen neigen von Natur aus zur Angst - sogar zur Panik -, wenn sie nicht in der Lage sind, die Informationen zu erhalten, die sie für ihr (finanzielles) Überleben für entscheidend halten."

Die Blase bei den Indexfonds

Wie in der letzten Woche berichtet, verwalten in den USA passive Aktien-Fonds erstmals mehr Vermögen als aktiv gemanagte Aktien-Fonds. Doch die Indexfonds-Blase beschränkt sich nicht auf den Aktienmarkt, sondern kann auch auf dem Anleihemarkt beobachtet werden. Passive Fonds sind im laufenden Konjunkturzyklus bisher explodiert, wie die Grafik unten zeigt.

"Passive Fonds sind der Inbegriff eines kaum informierten Investors", sagt Tad Rivelle. Ein passiver Anleihefonds kaufe entweder alles in seinem Index oder verkaufe alles in seinem Index. "Er vergibt Kredite an alle Beteiligten, ohne dass Fragen gestellt werden."

Rivelle warnt vor der nächsten Krise, wenn Investoren verstärkt aus Anleihe-Indexfonds aussteigen. "Fragen Sie sich, was passieren könnte, wenn passive Fonds zu großen Netto-Verkäufern von Kreditrisiken werden? In diesem Fall müssen diese Verkäufer, die zuvor alles im Index gleich behandelt haben, nun Käufer finden, die - Sie haben es vermutet - sehr anspruchsvoll sind und viele Fragen stellen werden." Der Mangel an Liquidität könne dann für die Kreditmärkte "sehr problematisch" werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie EU warnt: Reale Emissionen von Plug-in-Hybriden 5-mal so hoch wie angegeben
06.11.2025

Plug-in-Hybride gelten als umweltfreundliche Alternative, doch ihre realen CO₂-Emissionen liegen deutlich über den offiziellen Angaben....

DWN
Finanzen
Finanzen BMW-Aktie im Aufwind: Autobauer erzielt Gewinn wie prognostiziert – was Anleger jetzt wissen müssen
05.11.2025

Die BMW-Aktie legt deutlich zu, doch hinter den glänzenden Zahlen verbirgt sich mehr als nur ein starkes Quartal. Stabilisierung in China,...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktien Frankfurt: DAX-Kurs schließt wieder über 24.000 Punkten – Anleger in Frankfurt atmen auf
05.11.2025

Nach einem turbulenten Wochenbeginn zeigt sich der DAX-Kurs überraschend robust. Trotz globaler Unsicherheiten und schwankender US-Daten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Industrie im Umbruch: Produktion wächst, Aufträge und Beschäftigung sinken
05.11.2025

Die Industrie in Europa zeigt ein uneinheitliches Bild. Einige Länder steigern ihre Produktion, während andernorts Aufträge und...

DWN
Technologie
Technologie „DeepL Agent“: Start-up DeepL startet autonomen KI-Agenten
05.11.2025

Der Kölner KI-Übersetzungsspezialist DeepL hat bislang selbst großen Tech-Konzernen erfolgreich die Stirn geboten. Nun fordert das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Stellenabbau Mittelstand: Jedes vierte Familienunternehmen baut Jobs ab
05.11.2025

Auch bei den Familienunternehmen in Deutschland sind zunehmend Jobs in Gefahr: 23 Prozent der Unternehmer wollen in diesem Quartal...

DWN
Politik
Politik New York: Demokrat Mamdani wird Bürgermeister - eine Niederlage für US-Präsident Trump
05.11.2025

Die liberale Hochburg New York bekommt einen neuen Bürgermeister: Zohran Mamdani ist 34 Jahre alt, Muslim – und präsentiert sich schon...

DWN
Technologie
Technologie Reduzierung von CO2: Deutsche Bahn setzt erstmals Schienen aus „grünem“ Stahl ein
05.11.2025

Die Deutsche Bahn schließt einen Liefervertrag mit dem saarländischen Hersteller Saarstahl für klimafreundlich produzierte Schienen....