In den letzten Jahren waren chinesische Unternehmen stets starke Käufer von ausländischen Vermögenswerten. Nun sind sie erstmals Netto-Verkäufer, seit sie vor einem Jahrzehnt zu großen Akteuren bei internationalen Fusionen und Übernahmen wurden. Hintergrund ist, dass das Wirtschaftswachstum in China auf ein 30-Jahres-Tief gesunken ist und der Handelskonflikt mit den USA beginnt, die chinesischen Hersteller zu belasten.
Chinas Unternehmen haben im laufenden Jahr bereits angekündigt, etwa 40 Milliarden Dollar an ausländischen Vermögenswerten zu verkaufen, so Daten des Finanzmarktdienstleisters Dealogic vom September. Diese Summe ist deutlich mehr als die Verkäufe im gesamten vergangenen Jahr im Umfang von 32 Milliarden Dollar.
Zugleich haben chinesische Konzerne in diesem Jahr bisher nur 35 Milliarden Dollar an Auslandsvermögen gekauft, was das Land erstmals seit einem Jahrzehnt zu einem globalen Netto-Verkäufer macht. Eine Analyse der Daten durch die Financial Times zeigt, dass China zuvor seit mindestens 2009 ein Nettokäufer von ausländischen Vermögenswerten gewesen war.
Chinas Unternehmen stoßen Vermögenswerte in den USA ab
Allein die Veräußerungen von Investitionen in den USA, wo chinesische Unternehmenskäufer nun verstärkt unter Beobachtung stehen, sind im laufenden Jahr bereits auf über 26 Milliarden Dollar gestiegen, gegenüber nur 8 Milliarden Dollar für das gesamte Jahr 2018. Die Geschäftsbedingungen haben sich für viele Unternehmen verschlechtert, die noch vor zwei Jahren in den USA und Europa Milliardengeschäfte gemacht haben. Auch der Zugang zu Krediten hat sich verschärft, sodass einige neuere Käufe in Verzug geraten sind.
Viele der Vermögenswerte, welche chinesische Unternehmen jetzt auf den Markt bringen, hatten sie im Jahr 2016 gekauft, als die chinesischen Investitionen eine Rekordsumme von mehr als 200 Milliarden Dollar in ausländische Vermögenswerte investierten, wozu sie hohe Schulden aufnahmen.
"Es gab eine Zunahme von chinesischen Deals im Ausland - einige davon ohne industrielle Logik", zitiert die Financial Times Raghu Narain, den Leiter für den asiatisch-pazifischen Raum bei der französischen Investmentbank Natixis. "Die Geschäfte, die entweder durch zu viele Schulden, mangelnde Logik oder nachfolgende tatsächliche Synergien finanziert wurden, lösen sich jetzt auf."
Eine Handvoll einst aggressiver chinesischer Käufer, die inzwischen bei der chinesischen Regierung in Ungnade gefallen sind, haben wesentlich zum starken Volumen der Vermögenswerte in chinesischem Besitz beigetragen, die in diesem Jahr zum Verkauf angeboten werden.
Die chinesische HNA Group, die vor allem im Luftverkehr und Tourismus aktiv ist, hatte in den Jahren 2016 und 2017 Beteiligungen in Höhe vieler Milliarden Dollar an Hilton und der Deutschen Bank erworben. Nun hat die Unternehmensgruppe seit einer Liquiditätskrise Ende 2017 mindestens 20 Milliarden Dollar an ausländischen Vermögenswerten abgestoßen. Anfang des Jahres hat HNA das Schweizer Luftfahrtunternehmen Gategroup für 1,4 Milliarden Dollar an RRJ Capital verkauft.
In einigen Fällen hat die chinesische Regierung direkt an den Veräußerungen mitgewirkt. So hat der einstige starke Käufer Anbang Insurance, der im Jahr 2017 von der Regierung übernommen wurde, einen Großteil seines globalen Portfolios verkauft, darunter eine Gruppe von Hotels, die im September für 5,8 Milliarden Dollar an die koreanische Mirae Asset verkauft wurden.
Laut Derek Scissors vom American Enterprise Institute sind der Rückgang der Übernahmen und der eskalierende Verkauf in diesem Jahr Folgen eines chinesischen "Devisenmangels aufgrund der Schwäche der Zahlungsbilanz, der zum Teil durch die Angst vor dem Verlust des US-Marktes verursacht wurde".
Schon in den letzten Jahren hatten Chinas Aufsichtsbehörden darauf hingewirkt, Übernahmen im Ausland aufzuhalten, da sie befürchteten, dass die Geschäfte die Dollarreserven des Landes zu stark reduzieren. Der Handelsstreit zwischen den USA und China und der Verlust einiger Dollarzuflüsse aus Exporten in die USA haben nun dazu beigetragen, dass China die Kontrolle weiter verschärft hat.