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Niedrige Preise verhageln Südzucker das Geschäft - kommt jetzt noch eine Zuckersteuer?

Europas größter Produzent Südzucker kämpft an allen Fronten: Die Weltmarktpreise sind im Keller, und die Umsätze gehen zurück. Jetzt hat auch noch eine politische Diskussion begonnen, die für den Konzern alles andere als günstig ist.
17.10.2019 15:47
Aktualisiert: 17.10.2019 16:01
Lesezeit: 4 min
Niedrige Preise verhageln Südzucker das Geschäft - kommt jetzt noch eine Zuckersteuer?
Der Hersteller muss viele Probleme lösen - beispielsweise gegen die niedrigen Preise kämpfen (Foto: dpa). Foto: Uwe Anspach

Wolfgang Heer, der 63jährige Vorstandsvorsitzende von Südzucker, ist derzeit nicht um seinen Job zu beneiden: Die Bilanz des größten Zuckerherstellers Europas ist nach den ersten sechs Monaten von Rückgängen beim Erlös und Gewinn gekennzeichnet – und das teilweise im hohen zweistelligen Prozentbereich.

Zusätzlich verharren die Weltmarktpreise aktuell auf einem niedrigen Niveau – insbesondere die hochsubventionierte Konkurrenz aus Indien macht Heer zu schaffen. Der Konzern hat zwar seine Jahresprognose bestätigt. Doch ist es trotzdem nicht so leicht vorherzusehen, wie es mit dem Produzenten weitergeht.

Dazu kommt jetzt noch ein Problem, auf das bisher nur sehr wenige Analysten, Anleger und Experten achten. Denn zuhause schwelt ein Streit zwischen dem aktiennotierten Hersteller und dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), der eine echte Belastung für den Konzern werden könnte.

So forderte der BVKJ die Bundesregierung auf, endlich eine Zuckersteuer einzuführen. „Bei einem Blick ins Ausland zeigt sich, dass dies ein wirksames Vorgehen ist,“ sagte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

„Durch die Einführung von Zuckerabgaben und damit höhe­ren Preisen ist den Verbrauchern dort die Lust auf Süßes weitgehend vergangen, die Ab­satzzahlen an Süßgetränken gehen seit Einführung der Steuer deutlich zurück", sagte der Präsident. Dass gesetzliche Regelungen wirkten, haben seiner Meinung zufolge das Rauchverbot und die Alkopops-Steuer gezeigt.

„Nachdem die Politik die bei Jugendlichen beliebten Schnapsmischgetränke mit einer Sondersteuer belegt hatte, sank der Absatz binnen eines Jahres um 80 Prozent", erklärte der Funktionär. "Das Beispiel, aber auch die Beispiele Mexiko, Frankreich, Finnland, Ungarn und Großbritann­ien zeigen, dass Steuerungsmechanismen die Gesundheit wirksam schützen können“, sagte Fischbach.

Streit: Verursacht übermäßiger Zuckerkonsum Übergewicht bei Kindern?

Hintergrund: Der Streit über die Einführung einer solchen Abgabe ist schon älter, weil das Problem, dass immer mehr Kinder ein zu hohes Gewicht aufweisen, auch nicht erst seit gestern bekannt ist. Die Statistiken sprechen hier eine deutliche Sprache: So hat eine Studie des Robert-Koch-Instituts zur Kindergesundheit (KiGGS) herausgefunden, dass zwischen 2014 und 2017 insgesamt 15,3 Prozent der Mädchen und 15,6 Prozent der Jungen übergewichtig waren. 5,5 Prozent der Mädchen litten sogar unter Fettleibigkeit, von den Jungs waren es hingegen 6,3 Prozent.

Bei den Erwachsenen sehen die Zahlen noch schlechter aus: Denn es gelten 47 Prozent der Frauen als übergewichtig. Bei den Männern haben statistisch gesehen 62 Prozent ein zu hohes Gewicht. Sie weisen nach dem Body-Maß-Index (BMI) einen höheren Wert als 25 auf. Ab diesem Niveau gilt ein Mensch als "übergewichtig". Dieser Index wird errechnet, indem das Körpergewicht in Kilogramm durch das Quadrat der Körpergröße in Metern geteilt wird.

Deswegen hat auch schon längst die Bundesregierung reagiert. Im Dezember vergangenen Jahres hat das Kabinett eine Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie präsentiert, die zum Ziel hat, dass der Anteil von Zucker, Salz und Fett in den Lebensmitteln verringert wird.

Die Lebensmittelhersteller hatten zugestimmt, dass bis 2025 mindestens 20 Prozent des Zuckers verschwindet, der in Frühstücksprodukten enthalten ist. Darüber hinaus sollten 15 Prozent aus Limonaden und Tees sowie zehn Prozent aus Kinderjoghurt eliminiert werden. Die Produzenten sollten bis März 2020 erste Ergebnisse vorlegen.

Im Rahmen dieser Diskussion kocht nun wieder die Forderung des Verbandes für Kinderärzte (BVKJ) nach einer Zuckersteuer hoch. „Zucker darf nicht zum Sündenbock abgestempelt werden“, erklärte hingegen Dominik Risser, der Sprecher von Südzucker. „Es geht vielmehr um fehlende Bewegung und die Gesamtkalorien-Zufuhr", erklärte Risser, der eine komplett andere Meinung vertritt als der Ärzte-Verband: „Es gibt keine Belege, dass Zucker ursächlich für zu viel Pfunde ist“, so der Vertreter von Südzucker.

Steuer wäre Gift für fast alle Sparten des Konzerns

Für sein Unternehmen wäre die Einführung einer solchen Steuer eine riesige Belastung, weil davon alle Geschäftsbereiche betroffen wäre. So würden davon die drei Sparten „Zucker“, „Spezialitäten“ (Tiefkühl- und Stärkeprodukte“) und „Frucht“ in Mitleidenschaft gezogen werden. Sie generieren gemeinsam 78 Prozent der Gesamterlöse, die pro Jahr zwischen sechs und sieben Milliarden Euro liegen.

In Zahlen liest sich das so: Südzucker generiert nahezu ein Drittel mit der Herstellung von Zucker – dem alten Kerngeschäft. Der Bereich „Spezialitäten“ steuert ebenso 30 Prozent und die „Frucht“-Sparte 18 Prozent zu den Gesamtumsätzen bei. Der Rest stammt aus den Verkäufen, die das Geschäftsfeld „Bioethanol“ erreicht. Diese produziert Biokraftstoffe.

Das Management hat die Geschäfte zwar weiter diversifiziert, um zu verhindern, zu sehr vom Verkauf eines Produktes abhängig zu sein. Doch nützt dies nichts, sollte die Bundesregierung tatsächlich eine Zuckersteuer beschließen, weil ein Großteil des Geschäfts davon belastet wäre.

Zucker-Sparte kracht um ein Fünftel ein

Dabei hat der Vorstandsvorsitzende Heer schon genug Sorgen. So sind nach den ersten sechs Monaten 2019 die Gesamterlöse im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,6 Prozent zurückgegangen. Die Zucker-Sparte ist sogar um ein Fünftel auf 1,1 Milliarden Euro eingekracht. Die Zuwächse, die es beim Verkauf von Tiefkühl- und Stärkeprodukten sowie beim Bioethanol gegeben hat, konnten diesen Rückgang nicht kompensieren.

Ein Problem: Die Weltmarktpreise verharren derzeit auf einem niedrigen Niveau. Und die Ursache dafür ist nicht zuhause in Europa zu suchen, sondern weit weg in Asien. So gibt es in Indien große Lagerbestände, die kurzfristig mit Hilfe der Unterstützung des indischen Staates auf dem Weltmarkt vermarktet werden sollen.

Dafür hat die indische Regierung für das Zuckerwirtschaftsjahr 2019/ 2020 etwa 875 Millionen Dollar bereitgestellt, um damit sechs Millionen Tonnen auf den Weltmarkt zu exportieren. Zum Vergleich: Weltweit werden zwischen 180 bis 190 Millionen Tonnen hergestellt. Indien steuert dazu 35 Millionen Tonnen bei und ist damit alleiniger Spitzenreiter – gefolgt von Brasilien (etwa 33 Millionen Tonnen). Auf dem dritten Platz liegt die EU mit 21 Millionen Tonnen, die nur gemeinsam im internationalen Wettbewerb eine Chance hat. Dazu hören auch Deutschland und Südzucker.

Management will fünf Fabriken schließen

Da die Lage so schwierig ist, hat das Management von Südzucker die Schließung von fünf Fabriken beschlossen – darunter auch ein Werk in Polen, das bereits seinen Betrieb eingestellt hat. Darüber hinaus werden die deutschen Standorte in Brotterode und Warburg und zwei Fabriken in Frankreich nach der Ernte 2020 ihren Pforten dicht machen. Dies wird sich wohl aber erst Ende des kommenden Jahres in den Ergebnissen bemerkbar machen.

Immerhin gibt es eine kleine positive Nachricht: Konzernchef Heer bekräftigte seine Prognose für das Geschäftsjahr 2019/ 2020: So soll der Gesamtumsatz weiterhin zwischen 6,7 und 7 Milliarden Euro betragen. Das wäre im ungünstigsten Fall ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 1,5 Prozent. Der Manager rechnet beim operativen Konzernergebnis mit einer Bandbreite zwischen 0 und 100 Millionen Euro. Im Vorjahr hatte es noch ein Plus von 27 Millionen Euro gegeben.

Diese Spanne zeigt, wie wacklig derzeit die Geschäfte des Herstellers sind. Sollte dann noch unerwarteterweise die Zuckersteuer hinzukommen, wäre die Belastung für den Hersteller sogar um ein Vielfaches größer. Vorstandsvorsitzender Heer wird noch lange nicht frei durchatmen können.

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