Finanzen

LBBW: „Die Kosten im weltweiten Seehandel werden zum Jahreswechsel sprunghaft steigen“

Die Landesbank Baden-Württemberg erwartet in einer Analyse einen sprunghaften Anstieg der Kosten und Preise im internationalen Seehandel.
23.10.2019 14:49
Aktualisiert: 23.10.2019 15:17
Lesezeit: 2 min
LBBW: „Die Kosten im weltweiten Seehandel werden zum Jahreswechsel sprunghaft steigen“
Das nach Angaben seiner Reederei größte Containerschiff der Welt, die «MSC Gülsün». (Foto: dpa) Foto: -

Nach allgemeiner Überzeugung werden die Folgen des Handelsstreits der USA mit China und Europa die Weltwirtschaft im kommenden Jahr schwer belasten. Nun verweist das LBBW Research in einer aktuellen Analyse auf einen weiteren, bislang kaum beachteten Grund für eine Eintrübung: Wenige Monate vor dem faktischen Verbot von Schweröl zugunsten schwefeldioxidärmerer Schiffstreibstoffe warnt Analyst Per-Ola Hellgren: „Als Konsequenz könnte das Weltwirtschaftswachstum 2020 spürbar geringer ausfallen, da mehr als 80 Prozent des Welthandels über die Schifffahrt abgewickelt werden. Die Einführung zum Jahreswechsel würde damit die Gefahr einer weltweiten Rezession erhöhen.“

Mit Schweröl betriebene Schiffsdiesel gehören zu den schadstoffreichsten Verbrennungsmotoren. Die 15 größten Hochseeschiffe stießen pro Jahr zusammen genauso viel Schwefeldioxid (SO2) aus wie gut eine dreiviertel Milliarde Pkw, erklärt Analyst Per-Ola Hellgren die Belastung. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation der Vereinten Nationen (International Maritime Organization, IMO) hat deshalb bereits vor drei Jahren festgelegt, dass der Schwefelgehalt des Treibstoffs ab Januar kommenden Jahres nur noch maximal 0,5 Prozent betragen darf. Bereits seit Mitte 2010 gilt an Europas Küsten sogar eine noch strengere EU-Richtlinie die maximal 0,1 Prozent zulässt.

„Der schädliche Einfluss der Schifffahrt auf die Umwelt wurde dennoch lange Zeit nicht wahrgenommen, da der Schwefelausstoß größtenteils auf hoher See anfällt und daher für die Öffentlichkeit nicht direkt ersichtlich ist“, meint Hellgren.

„Größte Veränderung seit 1930“

Bereits seit 20 Jahren regeln internationale Vorschriften den Schwefelgehalt im Schiffsöl. Der Analyst weist darauf hin, dass die nun vorgeschriebene Senkung die größte Veränderung der Schiffskraftstoffe seit der Umstellung von Kohle zu Öl um 1930 ist. Einer Schätzung von S&P Global Platts zufolge belaufen sich die globalen Kosten auch über die Branche hinaus für die kommenden fünf Jahre auf mehr als 1 Billion US-Dollar. Zuerst betroffen sind bis zu 70.000 Seeschiffe, die für regelkonforme Treibstoffe umgerüstet oder verschrottet werden müssen. Die Reeder stehen dabei vor der Wahl, schwefelärmere

Treibstoffe zu nutzen, Abgasreinigungsanlagen zu benutzen oder auf Flüssigerdgas-Antriebe umzurüsten. Bei einem großen Teil der globalen Handelsflotte sei jedoch bislang nichts geschehen, urteilt der Analyst und sagt voraus: „Hierdurch werden mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der internationalen Schifffahrt gleichzeitig die Kosten steigen und die verfügbaren Kapazitäten sinken.“

Wegen zu geringer Raffineriekapazitäten sei beim Treibstoff sogar teilweise mit Versorgungsengpässen zu rechnen. Wichtiger noch sind für Per-Ola Hellgren aber die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Als letztes Glied der Kette werden die steigenden Kosten und sinkenden Kapazitäten den Welthandel belasten. Einziger Lichtblick für ihn: Möglicherweise sorge der Kostenanstieg bei der Containerschifffahrt für eine Frachtverlagerung auf die umweltfreundlichere Schiene, vor allem zwischen China und Europa.

Wegen der Umstellung befürchten auch deutsche Reeder, dass mehr Schiffe abgewrackt werden müssen. Ein Anstieg des Schiffsreyclings sei sehr wahrscheinlich, da sich viele Schiffseigner genau überlegen werden, ob sie manche Schiffe für den neuen Treibstoff umrüsten oder aus Effizienzgründen recyceln lassen, sagte der Sprecher des Verbands Deutscher Reeder, Christian Denso. Die Abwrackwerften, die von der EU zertifiziert sind, hätten jedoch nicht genügend Kapazitäten für die großen Schiffe.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen USA Börsen: Überraschend deutlicher Rückgang der US-Inflation beflügelt die Aktienmärkte
18.12.2025

Die im letzten Monat überraschend stark abgekühlten US-Inflationsdaten befeuerten die Hoffnung, dass im Jahr 2026 weitere Zinssenkungen...

DWN
Politik
Politik Feuer und Tränengas: Tausende Bauern protestieren in Brüssel gegen Mercosur
18.12.2025

Feuer, Tränengas und Traktoren: Tausende Landwirte bringen Brüssels Europaviertel zum Chaos. Sie protestieren gegen das geplante...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlandfonds startet: Wie der Staat 130 Milliarden Euro private Investitionen lostreten will
18.12.2025

Deutschland braucht Wachstum, aber der Staat allein kann es nicht finanzieren. Die Bundesregierung setzt deshalb auf einen neuen Hebel: den...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Zinsentscheidung: Leitzinsen der Eurozone bleiben erneut unverändert
18.12.2025

Die EZB-Zinsentscheidung ist gefallen: Wie erwartet lassen die Währungshüter der Europäischen Zentralbank den Leitzins für die Eurozone...

DWN
Immobilien
Immobilien Unser neues Magazin ist da: Urbane Zukunft – von Smart-Cities bis hin zu futuristischen Utopien
18.12.2025

Städte entscheiden, wie Freiheit, Wohlstand und Klimaschutz in der nahen Zukunft zusammengehen. Zwischen Sensoren, Sanierungswellen und...

DWN
Technologie
Technologie SMR in Schweden: Blykalla sichert fast 48 Mio Euro für KI-Energie
18.12.2025

Blykalla sammelt fast 48 Millionen Euro für kleine modulare Reaktoren (SMR) ein. Investoren aus Schweden, den USA und Japan setzen auf...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steuersenkung in Restaurants: Warum Gäste kaum profitieren
18.12.2025

Die Politik senkt die Mehrwertsteuer in der Gastronomie - wird der Restaurantbesuch damit endlich wieder erschwinglicher? Wohl kaum....

DWN
Politik
Politik Trumps Rede an die Nation: Eigenlob und Schweigen im Walde
18.12.2025

Zwischen Weihnachtsbäumen und Selbstlob inszeniert Donald Trump seine Rede an die Nation als Erfolgsgeschichte. Er verspricht...