„Wir haben während der Kampagne gegen Stromdiebstahl fast überall unsere Wachposten aufgestellt – in den Hotels, den Restaurants, den Einkaufszentren, aber auch an den Autobahnen“, sagte der Geschäftsführer des staatlichen Energieunternehmens in der nordindischen Provinzhauptstadt Jaipur, MD AK Gupta. „Wir haben zwischen Juni und Oktober 28.657 Fälle festgestellt, und an die Konsumenten Strafen in einer Gesamtsumme von 860 000 000 Rupien (rund 8,7 Millionen Euro) verhängt“, zitiert die englischsprachige Tageszeitung „Times of India“ den Manager.
Hintergrund: Das staatliche Energieunternehmen aus Jaipur hat eine besondere Kampagne gestartet, um den Diebstahl von Strom einzudämmen, der schon seit geraumer Zeit zu einer starken Belastung für die indischen Energieversorger geworden ist. Dabei hat sie überall an vielen wichtigen öffentlichen Orten ihre Wachposten verteilt, die potenzielle Täter beobachten und ggf. melden sollen.
Diebstahl im Schutze der Dunkelheit
Bei den Verbrechern handelt es in der Regel um gewöhnliche Bürger, die ihre strombetriebenen E-Rikschas aufladen, die meistens nicht einmal registriert sind. In vielen Fällen suchen sie den Schutz der Dunkelheit und werden in der Nacht aktiv. Eine Aufladung ihrer Fahrzeuge dauert in der Regel zwischen sechs und sieben Stunden.
Das Management des Energieversorgers in Jaipur, dessen Region etwa so groß wie Deutschland ist, hat jeden Dieb durchschnittlich mit einer Geldbuße von rund 360 Euro belegt. Zur Einordnung: Ein Software-Fachmann verdient auf dem Subkontinent zwischen 800 und 900 Euro, und der Durchschnittslohn beträgt im Land rund 100 Euro.
Indien forciert zwar die E-Mobilität, weil das Land stark von der Luftverschmutzung in Mitleidenschaft gezogen wird. So ist die Zahl der E-Rikschas zwischen 2010 und 2017 von 4.000 auf 100.000 nahezu explodiert, berichtet der indische Think-Tank Centre of Civil Society (CCS) aus Neu-Delhin und weist darauf hin, dass davon weniger als die Hälfte registriert ist. „Jeden Monat werden 11.000 neue Fahrzeuge verkauft“, schätzt die internationale Beratungsgesellschaft A.T. Kearney.
Doch verfügt das Land nur über eine sehr geringe Zahl von Ladestationen, so dass die Konsumenten andere Möglichkeiten finden müssen, um die Batterien ihrer E-Rikschas aufzuladen. In Zahlen: Ende 2017 konnten die Rikscha-Fahrer gerade einmal auf 425 Ladestationen zurückgreifen. Das ist wirklich nicht viel, wenn man berücksichtigt, dass in Deutschland, das flächenmäßig zehnmal kleiner ist, es rund 17.000 Ladepunkte gibt.
Verbrechen kostet Energiebranche Millionen
Der Diebstahl hat schon solche Ausmaße angenommen, dass sich die Energieversorger nicht mehr anders zu behelfen wissen. Das Unternehmen aus Jaipur, das etwa drei Millionen Einwohner hat, ist nicht der einzige Stromproduzent in Indien, der unter diesem Problem leidet. Die Energieversorger gehen davon aus, dass ihnen der Strom-Klau jährliche Verluste in Höhe von zwei Milliarden Rupien (rund 25 Millionen Euro) einbringt. Indische Medien berichten, dass es deswegen auch schon zu Zusammenbrüchen in der Versorgung gekommen ist.
Indien ist zwar ein Land, das gerade im Begriff ist, in die Phalanx der großen Wirtschaftsmächte vorzustoßen. So liegt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei etwa 2,6 Billionen Euro, also mehr als das koloniale Mutterland Großbritannien.
Und Indiens Premier Narendra Modi hat gerade im Sommer am indischen Unabhängigkeitstag das neue ehrgeizige Ziel ausgerufen, dass sich die jährliche Wirtschaftsleistung künftig auf 4,5 Billionen Euro vergrößern soll. Doch muss die Regierung die Probleme mit der E-Mobilität unbedingt in den Griff bekommen, weil ansonsten es schwierig wird, dieses Niveau zu erreichen.