Deutschland

Windkraft-Krisengipfel in Hannover: Die Politik steht zwischen Unternehmen, Bürgern und Verbänden

Lesezeit: 2 min
13.11.2019 14:00  Aktualisiert: 13.11.2019 14:47
Die Windkraftbranche wird derzeit von Nackenschlägen erschüttert. Am vergangenen Freitag hat Enercon einen massiven Stellenabbau angekündigt. Nun folgt ein politischer Krisengipfel in der niedersächsischen Hauptstadt. Während Wirtschaftsminister Altmaier mit schärferen Regeln auf die zahlreichen Bürgerinitiativen gegen den Bau neuer Windparks zugeht, laufen die Unternehmen Sturm.
Windkraft-Krisengipfel in Hannover: Die Politik steht zwischen Unternehmen, Bürgern und Verbänden
17.05.2019, Schwerin: Mehrere hundert Einwohner protestieren gegen den weiteren Ausbau der Windkraft. (Foto: dpa).
Foto: Jens B

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die deutsche Windenergiebranche, ein wichtiger Faktor bei der Energiewende, leidet derzeit unter schleppendem Neubau und rückläufigen Ergebnissen ihrer Unternehmen – mit teilweise schwerwiegenden Folgen: So hat der Marktführer Enercon am vergangenen Freitag angekündigt, 3.000 Stellen abzubauen. Die Stimmung unter den Akteuren ist offenbar so angespannt, dass sich die Politik einschalten muss.

Der Chef des Windkraftanlagenbauers, Hans-Dieter Kettwig, wird am Mittwoch in der Staatskanzlei in Hannover erwartet. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat zum Krisentreffen geladen. An diesem Gespräch nimmt auch Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) teil - ebenso wie Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU).

Marktführer für Windkraftanlagen baut 3.000 Stellen ab

Das Unternehmen hatte am vergangenen Freitag angekündigt, 3000 Stellen abzubauen. Darüber hinaus will sich der Produzent, der zu großen Kritikern der Politik der Bundesregierung gehört, „vollkommen neu ausrichten“. Von der Restrukturierung werden wohl die Standorte in Ostfriesland und Magdeburg betroffen sein, ohne dass das konkrete Ausmaß derzeit abzusehen ist. Zusätzlich wird bei den Produktionspartnern, Zuliefern und Zeitarbeitsfirmen negative Auswirkungen geben. „Uns ist bewusst, was dieser schmerzhafte Schritt für die Beschäftigten in den betroffenen Unternehmen bedeutet", erklärte der Vorstandsvorsitzende von Enercon, Kettwig.

Damit hat sich die Lage in den vergangenen Tagen immer weiter verschärft. Denn gerade am vergangenen Freitag hat der Bundesrat mit großer Mehrheit die Bundesregierung dazu aufgefordert, beim Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) auf den Wachstumspfad zurückzukehren. Nach dem Willen der Parlamentarier sollten unter anderem die Genehmigungsverfahren schneller und einfacher werden. Damit folgten sie dem Antrag von Schleswig-Holstein, wo die Windkraft eine lange Tradition hat - viele der „Onshore“-Anlagen wurden hier nämlich bereits in den Neunziger Jahren oder sogar noch früher gebaut.

Bundesrat: „unbedingt alle Ausbaubremsen beseitigen“

„Die Bundesregierung muss die Genehmigungsverfahren beschleunigen und vereinfachen“, forderten die Parlamentarier des Bundesrates. „Alle Ausbaubremsen sollten beseitigt werden“, so der Ton der Forderungen.

Hintergrund: Die Bundesregierung hat sich im Rahmen der Energiewende zum Ziel gesetzt, dass 65 Prozent des Stroms, der im Jahr 2030 verbraucht wird, aus Erneuerbare Energien stammt. Doch ist die gesamte Energieindustrie noch davon entfernt. Denn bis Ende September des laufenden Jahres lag der Anteil gerade einmal bei 43 Prozent.

Wie schleppend die Entwicklung in der Branche ist, wird auch an folgenden Zahlen: So hat sich der Bruttoneuzubau zwischen 2014 und 2018 für Windkraftanlagen auf dem Land auf 2.400 Megawatt halbiert. Die Genehmigungsverfahren ziehen sich oft in die Länge. Darüber hinaus blockieren vielfach Umweltverbände und Bürgerinitiativen die Projekte. Eine Kritik, die sie üben: Hunderttausende Vögel und Fledermäuse seien davon massiv bedroht, weil sie oft mit den großen Anlagen kollidierten. Außerdem fühlen sich viele Anwohner durch die Nähe der Anlagen und deren Geräusche bedrückt.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) reagiert jetzt auf die vermehrten Forderungen der Bürgerinitiativen. Dabei geht es um den Abstand, der zwischen den Windkraftanlagen und den Wohnsiedlungen liegen muss. Wie „Spiegel Online“ berichtet, muss die Entfernung mindestens 1000 Meter betragen. Allerdings gilt dies künftig schon dann, wenn fünf Wohngebäude zusammenstehen, schreibt die Publikation und weist auf einen Referentenentwurf hin.

Aus der Branche und von Umweltverbänden kam Kritik. „Die geplante Abstandsregelung ist ein weiterer erheblicher Hemmschuh für den Ausbau der Windkraft an Land", sagte Simone Peter, die Präsidentin des Bundesverbands für Erneuerbare Energien (BEE).

Nicht nur Enercon hat Probleme, sondern auch der Mitbewerber Senvion, der im April die Zahlungsunfähigkeit angemeldet hatte.

Der Wettbewerber Nordex rutscht derweil tiefer in die roten Zahlen. Der Nettoverlust stieg von 51,8 Millionen auf 76,5 Millionen Euro, wie das Unternehmen am Mittwoch in Hamburg mitteilte. Das operative Ergebnis (Ebitda) sank um fast 16 Prozent auf 60,2 Millionen Euro. Nach neun Monaten beträgt der Umsatz rund 1,9 (Vorjahr: 1,77) Milliarden Euro. Die Auftragsbücher sind voll, der Auftragsbestand lag Ende September bei 8,1 Milliarden Euro, nach 5,3 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Der Großteil der neuen Aufträge kam in den ersten neun Monaten vor allem aus Europa und Nordamerika.


Mehr zum Thema:  

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Steigende Kaufkraft in Deutschland 2025: Studie sieht große regionale Unterschiede
15.01.2025

Trotz der wirtschaftlich schwierigen Lage soll die Kaufkraft der Deutsche laut einer Studie 2025 leicht steigen. Höhere Löhne und...

DWN
Politik
Politik Kalifornien untersagt Immobilienspekulation in Brandgebieten
15.01.2025

Kalifornien verbietet Immobilienspekulation in Brandgebieten. Gouverneur Newsom will Angebote unter Marktwert für drei Monate untersagen,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unmotivierte Arbeitnehmer: Nur 48 Prozent der Deutschen geben am Arbeitsplatz ihr Bestes
15.01.2025

Nicht nur die Wirtschaft schwächelt in Deutschland, auch die Arbeitsmoral der Arbeitnehmer. Ein weltweiter Vergleich zeigt: Nicht einmal...

DWN
Politik
Politik EPA: Elektronische Patientenakte kommt - Lauterbach betont Sicherheit der E-Patientenakte
15.01.2025

Die EPA (Elektronische Patientenakte) wird in Arztpraxen eingeführt - zunächst nur in Testregionen, später bundesweit....

DWN
Finanzen
Finanzen Aktionäre in Deutschland: Weniger Deutsche investieren ihr Geld an der Börse
15.01.2025

Die Zahl der Aktionäre in Deutschland ist erneut rückläufig: Zum zweiten Mal in Folge sank die Anzahl, liegt aber weiterhin über der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rezession: Deutschlands Wirtschaft 2024 erneut geschrumpft
15.01.2025

Unsichere Konsumenten, schwächelnde Industrie und sinkende Exporte: Die Rezession setzt Deutschland weiter zu. Auch 2025 stehen die...

DWN
Politik
Politik Syrien: Übergangsregierung spricht sich gegen schnelle Rückkehr von Flüchtlingen aus
15.01.2025

Deutschland diskutiert über die Rückkehr syrischer Flüchtlinge. Seit dem Sturz von Baschar al-Assad fällt der Asylgrund für die...

DWN
Finanzen
Finanzen Ripple-XRP-Prognose 2025: Die aktuelle XRP-Kursentwicklung und was Anleger jetzt wissen sollten
15.01.2025

Der Ripple-Kurs, der lange Zeit von Unsicherheiten geprägt war, zeigt sich auch zu Beginn des Jahres 2025 relativ stabil - und legt...