Die Welthandelsorganisation (World Trade Organization – WTO) ist eine international aufgestellte und aus etwa 150 Staaten bestehende Organisation, welche die Regelung der weltweiten Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Mitgliedsstaaten regelt und überwacht. Sie wurde 1995 gegründet und ist die Nachfolgeorganisation des nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzten Handelsregimes GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) mit erweiterter Zielsetzung. Die WTO bildet eine eigenständige Organisation im System der Vereinten Nationen und hat ihren Sitz in Genf.
Im Gegensatz zum GATT, welches insbesondere auf den Freihandel von Industriegütern zugeschnitten war, versucht die WTO auch den internationalen Handel mit Dienstleistungen, geistigem Eigentum und landwirtschaftlichen Produkten zu fördern. Die Liberalisierung des Welthandels bedeutet jedoch nicht, dass es generell keine Handelsschranken mehr geben darf. So dürfen beispielsweise Maßnahmen zum Schutz vor Krankheiten und Seuchen ergriffen werden.
Es sind insbesondere drei Grundsätze, welche das Regelwerk der Organisation bestimmen. Dazu zählen das Prinzip der Meistbegünstigung, das sogenannte Inländerprinzip und das Prinzip der Gegenseitigkeit.
Das Prinzip der Meistbegünstigung sieht vor, dass Handelserleichterungen, welche ein Staat einem anderen gewährt, in gleicher Weise auch für alle anderen Staaten der WTO gelten müssen. Erließe beispielsweise Japan den USA die Einfuhrzölle auf landwirtschaftliche Produkte, so muss es diese auch allen anderen WTO-Staaten erlassen.
Das Inländerprinzip schreibt vor, dass Waren oder Dienstleistungen ausländischer Hersteller nicht anders behandelt werden dürfen (diskriminiert werden dürfen) als solche aus dem eigenen Land. Alle Mitglieder der WTO müssen Änderungen ihrer jeweiligen Handelsregeln an die Organisation melden, damit diese eventuelle Diskriminierungen feststellen kann.
Das Prinzip der Gegenseitigkeit ist am unkonkretesten gehalten. Es besagt, dass in Verhandlungen alle Parteien möglichst gleichwertige Konzessionen und Vorteile erhalten sollen. Nin der Praxis stellt sich hier natürlich die Frage, wie dieser Grundsatz umgesetzt wird.
Das wichtigste Organ der WTO ist die Konferenz der Wirtschafts- und Handelsminister. Ein Allgemeiner Rat und ein Generalsekretär führen die laufenden Geschäfte.
Die Ministerkonferenz tagt etwa alle zwei Jahre und legt Themen und Probleme fest, zu denen die Mitgliedsstaaten eine Lösung finden müssen. Hier haben sich in den vergangenen Jahren bereits erste strukturelle Probleme im System WTO gezeigt. So kann über zentrale Fragen der siebenten Diskussionsrunde seit Bestehen der WTO – der sogenannten Doha-Rund – und hier insbesondere über den Welthandel mit Agrarprodukten seit Jahren keine Einigkeit erzielt werden. Auf der einen Seite stehen dabei die entwickelten Industriestaaten des Westens unter Führung der USA und der EU, auf der anderen Seite stehen viele arme Länder oder Entwicklungsländer.
Die Doha-Runde wurde 2001 in der katarischen Hauptstadt gestartet. Eigentlich sollten die Repräsentanten der WTO-Mitglieder bis zum Jahr 2005 die dort aufgeworfenen Fragen abschließend geklärt haben – dazu ist es aber nie gekommen. Nach mehreren Abbrüchen und Wiederaufnahmen der Doha-Rund gilt diese heute als gescheitert, sie verlief schlichtweg im Sand, weil man sich nicht einigen konnte. „Die USA bestehen weiterhin auf deutlich verbessertem Marktzugang in Brasilien, China und Indien im Agrar- und Industriegüterbereich über das bereits 2008 vereinbarte Maß hinaus; die Schwellenländer wiederum sind ohne zusätzliche substanzielle Gegenleistungen der USA nicht zu weiteren Zugeständnissen bereit“, schrieb das Wirtschaftsministerium im Jahr 2015. In dieser Hinsicht könnte man die WTO rückblickend bereits ab dem Jahr 2005 als teilweise handlungsunfähig bezeichnen.
Spätestens seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump hat die WTO aber noch ein anderes Problem. Trump und seine Berater verfolgen eine an nationalen Interessen ausgerichtete Wirtschaftspolitik, welche insbesondere darauf abzielt, jene negativen Entwicklungen im Handelsverhältnis mit China rückgängig zu machen, welche die Administration seit jeher und insbesondere auch im Wahlkampf beklagt hatte.
China trat der WTO im Jahr 2001 bei und konnte den mit den Wirtschaftsreformen unter Deng Xiaoping Ende der siebziger Jahre begonnenen Aufstieg weiter fortsetzen. Das Land stieg als WTO-Mitglied zur weltgrößten Wirtschaftsmacht (nach Kaufkraftparität) und zum weltgrößten Exporteur auf. Einen weiteren Meilenstein stellte das Jahr 2016 dar, als die Volksrepublik offiziell von der WTO als Marktwirtschaft anerkannt wurde.
Im Westen hatte man anfangs gehofft, dass die Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation dazu führen würde, dass sich China vollständig den international aufgestellten Konzernen und Finanzspekulanten öffnen werden – diese Hoffnungen allerdings enttäuschten die Chinesen. Der BDI schreibt dazu:
„Aufgrund der Beitrittsregelungen ist China seit Ende des Jahres 2016 in der WTO als Marktwirtschaft zu behandeln. Dennoch wurde die weitverbreitete Erwartung, dass sich das Land tatsächlich in eine offene und hauptsächlich marktbasierte Volkswirtschaft entwickelt, nicht erfüllt. Die chinesische Regierung versteht es, die Spielräume der WTO-Regeln für sich zu nutzen und tut oft nur das Minimum, um Verpflichtungen nachzukommen (etwa bei der Meldung handelspolitischer Maßnahmen wie neuer Subventionen) oder um Verhandlungen voranzubringen. So hat das Land auch noch kein akzeptables Angebot für den Beitritt zum Government Procurement Agreement (GPA) vorgelegt, obwohl es dies bereits mit der Aufnahme in die WTO vor rund 18 Jahren zugesagt hatte. Außerdem nimmt der Staat, anders als zugesagt, übermäßig Einfluss auf die Wirtschaftsaktivitäten – und das inzwischen wieder im zunehmenden Maße (z.B. Preiskontrollen, Beihilfen, Justizbeeinflussung und Management von Marktätigkeiten von Staatsunternehmen und von Marktanteilen). 99 der 100 größten börsennotierten Unternehmen in China sind mehrheitlich in Staatshand. Viele WTO-Mitglieder setzen regelmäßig auf handelspolitische Schutzinstrumente, um den eigenen Markt mit Hilfe von Zöllen und Mengenbegrenzungen vor Dumping oder unfair subventionierten Waren aus China zu schützen. Bis Oktober 2019 wurde China bereits 44 Mal vor der Streitschlichtung der WTO „verklagt“. Die Zahl der Anklagen ist nur bei der EU und den USA höher. Dabei ist positiv anzumerken, dass die chinesische Regierung bei der Umsetzung von Schiedssprüchen als regeltreu gilt.“
Aber die US-Regierung wirft auch den Europäern vor, unfaire Vorteile im Handel mit den USA auszunutzen. Dies hat bereits zur Verhängung von Strafzöllen auf Importe aus der EU geführt. Die WTO hatte zuvor den Klagen der USA über ungerechte Subventionierung des europäischen Luftfahrtkonzerns Airbus stattgegeben. Die Europäer wiederum drohen nun mit Importzöllen auf amerikanische Einfuhrwaren. All dies hat dazu geführt, dass sich heute auch der „westliche Block“ innerhalb der WTO als gespalten darstellt.
„Trump bekommt, spitz gesagt, aus Genf ein weiteres Instrument, um den "Handelspartner" EU zu malträtieren. Dadurch könnte der überaus fragile Burgfriede zwischen Washington und Brüssel zusammenbrechen. (...) Besser wäre es, sich der Weisheit zu erinnern, dass Handelskriege nicht gewonnen werden können, und den WTO-Entscheid zum Anlass zu nehmen, ernsthafte Verhandlungen über den Abbau von transatlantischen Zöllen und Handelshemmnissen zu führen. Besser wäre es außerdem, keinen Anlass für Schiedsgerichte zu bieten. Auf beiden Seiten fehlt die Einsicht, dass staatliche Subventionen wettbewerbsverzerrend sind und missgeleitete Industriepolitik zu kostspieliger Handelspolitik führen kann. Es würde nicht verwundern, wenn China den USA und der EU in Bezug auf Staatssubventionen nun Heuchelei vorwirft“, schreibt die Neue Zürcher Zeitung dazu in einem Kommentar.
Nun droht die Welthandelsorganisation nach dem Debakel der abgebrochenen Doha-Verhandlungen vollständig arbeitsunfähig zu werden. Der Grund hierfür ist im System der Streitschlichtungen zu suchen. „Eine wichtige Neuerung in der WTO war die Verbesserung des bereits im GATT bestehenden Streitschlichtungsverfahrens. Dieses wird vom Allgemeinen Rat wahrgenommen, der zu diesem Zweck Schiedsgerichte bildet. In einem mehrstufigen Verfahren können Länder andere Partner des WTO-Abkommens quasi verklagen. Kommt das Schiedsgericht zum Ergebnis, dass die Klage zu Recht erhoben wurde, können Gegenmaßnahmen in Form von Strafzöllen erhoben werden. Immer wieder wird die WTO als Schiedsrichterin angerufen, um die Konflikte zwischen den Partnern zu schlichten. Das Streitschlichtungsverfahren hat sich als erfolgreiches Instrument für einen fairen Welthandel herausgestellt“, schreibt die Bundesregierung auf ihrer Website.
Genau dieses Streitschlichtungssystem wird schon seit Jahren von den verschiedenen US-Regierungen blockiert, indem man einfach die Zustimmung zu neuen Richterkandidaten an den Schiedsgerichten verweigerte. An diesen Gerichten sind eigentlich sieben Richter vorgesehen. Infolge der US-Blockade sind es gegenwärtig jedoch nur noch drei. Noch ist das System funktionsfähig, weil es für Entscheidungen der Schiedsgerichte drei Richter braucht. Im Dezember endet aber die Amtszeit von zwei der drei bestehenden Richter. Verweigert Washington auch die Nominierung der beiden Nachfolger, bleibt nur noch ein Richter übrig – das System wäre blockiert.
„Nicht nur für Trump hat die WTO zu viel Einfluss und beschneidet mit ihrem Streitschlichtungssystem und seinen verbindlichen Entscheidungen zu sehr die Souveränität der USA. Die Blockade der Neubesetzung von ausscheidenden Richtern hat aber schon unter Obama begonnen. Seit einiger Zeit versuchen andere Mitglieder der WTO, so auch die EU, mit Reformvorschlägen den USA entgegenzukommen. Am 15. Oktober wurde im Allgemeinen Rat der WTO ein Bericht zu Reformvorschlägen vorgestellt. Jedoch deutet nichts darauf hin, dass diese Vorschläge Trump beruhigen würden“, heißt es in einem Gastkommentar bei der Frankfurter Rundschau.
Es gilt demnach als sehr wahrscheinlich, dass die WTO ab Dezember eine ihrer tragenden Funktionen nicht mehr wird ausüben können. Vor dem Hintergrund der gescheiterten Doha-Rund muss man derzeit deshalb konstatieren, das die Organisation gelähmt und nicht mehr voll funktionsfähig ist.