Politik

Bayern und Tschechien: Europas Drogen-Hochburgen für Crystal Meth

Die synthetische Droge kristallines Metamphetamin wird in Arbeitsteilung in Osteuropa hergestellt. Nach Westen kommt der größte Teil der Lieferungen über die bayerische Grenze.
15.12.2019 16:00
Aktualisiert: 15.12.2019 18:00
Lesezeit: 4 min
Bayern und Tschechien: Europas Drogen-Hochburgen für Crystal Meth
Dass die meisten Drogenküchen in Tschechien liegen, wird auf der Karte ganz deutlich (Quelle: EU-Drogen-Bericht).

Crystal Meth oder kristallines Metamphetamin gehört schon seit Jahren zu den Drogen, die Polizei, Politiker und nicht zuletzt Medien sehr stark beschäftigen. Es gilt als eines der gefährlichsten Rauschgifte der Welt, weil bereits der Konsum von sehr kleinen Mengen zur Abhängigkeit führen kann.

Jetzt sind der Polizei in vergangenen Wochen mehrere Fahndungserfolge gelungen: So haben die Ordnungshüter in Passau nach monatelangen Ermittlungen in der ersten Dezember-Woche vier Rauschgifthändler inhaftiert, die dreieinhalb Kilogramm unterschiedlicher Drogen bei sich trugen. Darunter befand sich auch ein halbes Kilogramm Crystal Meth. „Das ist die größte Sicherstellungsmenge von Metaamphetamin, den wir in den vergangenen Jahren im Zuständigkeitsbereich der Kripo Passau gemacht haben“, erklärte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Passau.

Die tschechischen Kollegen hatten Ende November in Prag bei einer Razzia mit rund 150 Beamten, unter den sich auch Spezialkräfte befanden, eine Bande von mutmaßlichen Drogendealern dingfest gemacht. Die zwölf Mitglieder der Gruppe sollen das Rauschgift in Feuerlöschern geschmuggelt haben – und zwar auch nach Deutschland. Die möglichen Verbrecher sollen auf diese Weise ein halbes Kilogramm in Bayern, Thüringen und auf dem einheimischen Markt verkauft haben. „Ein sehr durchdachtes Verdeck“, erklärten die tschechischen Ermittler.

Zusätzlich hat die Polizei in der Stadt Kulmbach Mitte Dezember einen 35-jährigen Autofahrer festgenommen, auf den eine Streife aufmerksam geworden war. Der Mann habe „drogentypische Auffälligkeiten“ gezeigt und musste sich deswegen einem Test unterziehen, der positiv verlief: Der Fahrer hatte tatsächlich Metamphetamin im Blut, so dass ihm nun unter anderen „ein empfindliches Bußgeld“ droht, wie die Polizei in ihrem Bericht schreibt.

Außerdem hat sich der Mann ein Fahrverbot eingehandelt. Wie der Fahrer sich benommen hat, sagte die Polizei zwar nicht. Doch gehören zu den typischen Verhaltensweisen eines Crystal Meth-Konsumenten ein übersteigertes Selbstbewusstsein oder aggressives Verhalten.

Die letzte Festnahme des Autofahrers war zwar im Vergleich zu den anderen beiden Fällen weniger spektakulär. Doch haben die Erfolge der deutschen und tschechischen Polizei wieder einmal gezeigt, dass das Thema „Crystal Meth“ nach wie vor eine enorme Bedeutung hat. Die Polizeiaktionen spiegeln den derzeitigen Trend wider, der in sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet hat: So hat die deutsche Polizei 2017 insgesamt 114,5 Kilogramm Metamphetamin sichergestellt. Dies war die höchste Menge, die die Ordnungshüter beschlagnahmt haben, seit die Verbreitung der Droge bekämpft wird. 2007 beispielsweise waren es nur zehn Kilogramm.

Bayerische Grenzregion zu Tschechien bleibt Hotspot für Drogen

Dass sich die Fälle in Passau und in Kulmbach und in Tschechien ereignet haben, ist bei weitem kein Zufall. Denn die bayerischen Regionen zur tschechischen Grenze gelten als ein Hotspot für den Verkauf, den Konsum und den Umschlag des Rauschgiftes. Tschechien ist einer der größten Produzenten von Metamphetamin in Europa, wo sich das Rauschgift vergleichsweise kostengünstig produzieren lässt.

So beträgt der durchschnittliche Großhandelspreis für ein Kilogramm 21.000 Euro, wie aus dem aktuellen EU-Bericht über den Drogenmarkt („EU Drug Markets Report 2019“) hervorgeht. Zum Vergleich: in den Niederlanden wird der Stoff im Durchschnitt für 15.500 Euro je Kilogramm angeboten. In Deutschland, das überwiegend als Abnehmermarkt und Transitland für das Rauschgift fungiert, hingegen kostet es 31.250 Euro je Kilogramm. In der Slowakei 42.000 Euro und in Norwegen müssen die Käufer 45.000 Euro je Kilogramm zahlen.

Der Wert des europäischen Marktes für das Rauschgift liegt den Schätzungen der EU zufolge zwischen 1,2 und 1,9 Milliarden Euro pro Jahr – und zwar nicht nur für das Metaamphetamin, sondern auch für Amphetamine und für Ecstasy (MDMA). Die Gemeinschaft schätzt, dass weltweit fast 29 Millionen Menschen diese Drogen konsumieren.

Internationale Arbeitsteilung bei den kriminellen Vereinigungen

Da die Rauschmittel an unterschiedlichen Märkten in Europa verkauft werden, ist klar, dass auch die Drogenhändler ihr Netzwerk international ausgerichtet haben. So beziehen viele tschechische Drogenhersteller den Grundstoff für die Herstellung des Metamphetamins, das Ephedrin oder Pseudo-Ephedrin, aus anderen Ländern. Diese beiden Stoffe sind oft in gewöhnlichen Hustenmitteln enthalten und lassen sich aus diesen Medikamenten relativ leicht synthetisieren.

Das Ephedrin oder das Pseudo-Ephedrin stammen oft aus Ungarn, Rumänien oder Polen. Dabei ist Polen das Hauptlieferland, wie die tschechische Polizei einmal im Jahr 2018 erklärt hat. Ein Grund: Der Verkauf der Medikamente unterliegt in dem größten östlichen EU-Land mitunter keinen so starken Kontrollen wie in den westlichen Ländern. Die Preise für die Medikamente sind dort im Europavergleich relativ niedrig, so dass es für die polnischen Händler oft lukrativer ist, die Arzneien in anderen Ländern zu verkaufen.

„Wir haben auf den gewöhnlichen Internetportalen eine Anzeige geschaltet, dass wir eine große Menge an Medikamenten suchen, mit deren Hilfe man Krebs und die Zuckerkrankheit oder Asthma lindern beziehungsweise heilen kann“, haben die Journalisten des konservativen Nachrichtenmagazins „Wprost“ geschrieben. „Wir sind bereit, sogar den doppelten Preis zu zahlen“, erklärten sie.

Nach ihren Aussagen haben sie in den darauffolgenden drei Stunden fünf konkrete Angebote von privaten Anbietern bekommen, die im Laufe von 24 Stunden im Expresstempo 80 bis 100 Packungen jedes beliebigen Arzneimittels liefern wollten. „Die Reaktion auf die Anzeige hat sogar unsere kühnsten Erwartungen übertroffen“, ereiferten sich die Journalisten. "Wir haben aufgedeckt, wie in Polen der schwarze Markt für Medikamente funktioniert", erklärten sie. "Man kann jede beliebige Menge an Medikamenten erhalten, auch ohne Rezept", so die Kollegen von "Wprost".

Die journalistische Provokation zeigt, wie ungünstig die Bedingungen beim deutschen Nachbarn Polen sind, um die Verbreitung von Drogen zu bekämpfen. Allerdings spielt im Land selbst der Konsum von Crystal Meth nur eine nachrangige Rolle, auch wenn es für den Großproduzenten Tschechien oft die Grundstoffe liefert.

Polnischer Premier: "Drogen sind eine Sauerei"

In Polen spielen die Produktion und der Konsum von Amphetaminen eine weitaus größere Rolle, die zu den traditionellen synthetischen Drogen gehören. So hat die Polizei ist in der nordwestpolnischen Stadt Szczecin (Stettin) gerade Anfang Dezember einen 32jährigen Mann festgenommen, der im Bad in seiner Wohnung fast ein Kilogramm des Stoffes versteckt hielt. Wie Radio Szczecin berichtet, drohen ihm nun bis zehn Jahre Haft.

Die Höhe der möglichen Strafe zeigt, dass der polnische Staat zumindest willens ist, gegen den Handel mit Rauschmitteln vorzugehen. „Nehmt bloß keine Drogen“, appellierte unlängst der polnische Premier Mateusz Morawiecki in einem Interview mit dem polnischen Radiosender RMF.FM an die jungen Polen, „Denn das ist einfach nur eine Sauerei – zum Schaden für das Polnischen Volk“, mit dem ganzen Pathos eines nationalkonservativen Politikers aus dem östlichen Nachbarland Deutschlands.

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