Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Herr Minister, kurz eine Frage zu Ihrer Person: Zwei Dinge fallen in Ihrer Vita auf. Zum einen sind Sie mit Ihren 33 Jahren für einen Minister relativ jung - zumindest für westliche Verhältnisse. Zum Vergleich: Das Durchschnittsalter der deutschen Bundesregierung liegt bei 51 Jahren. Darüber hinaus haben Sie im Investmentbank-Geschäft gearbeitet, leiten jetzt aber das Infrastrukturministerium. Warum führen Sie gerade dieses Ressort und kein anderes?
Wladyslaw Kryklij: Was das Alter angeht, haben wir grundsätzlich eine junge Regierung. Das bedeutet den Wunsch und die Bereitschaft, etwas zu verändern. Wir arbeiten buchstäblich sieben Tage – und das 24 Stunden lang. Das junge Alter hilft, eine solche Belastung auszuhalten. Und ich wollte schon immer etwas bewegen.
Beim Wahlkampf für das ukrainische Parlament wurde ich ins Team [der Partei 'Diener der Volkes', der späteren Regierungspartei] eingeladen. Die Ergebnisse der Reformen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt während meiner Karriere mitgestaltet hatte, haben sie sehr geschätzt: Eine davon war die Reform zur Schaffung von Service-Zentren im Innenministerium, wo ich zwischen 2014 und 2019 in unterschiedlichen Funktionen tätig war. Diese Reform gehörte im Jahr 2016 zu den zehn wichtigsten im Staatssektor.
Ich wurde zum Abgeordneten der Partei „Diener des Volkes“ gewählt – der jetzigen Regierungspartei. Mein Hauptbereich war gleich die Infrastruktur, ohne die grundsätzlich die Entwicklung der gesamten Wirtschaft unmöglich ist.
Ich möchte in diesem Bereich moderne und technologische Ideen einbringen. Es geht um digitale Verkehrskorridore sowie elektronische Dienste für Menschen und Unternehmen. Ich wurde von der Partei zum Vorsitzenden des Transportkomitees im Parlament nominiert. Danach sprach mich [der ukrainische Ministerpräsident] Oleksii Goncharuk an, was für eine Tätigkeit für mich interessanter wäre – eine parlamentarische Aufgabe oder lieber eine, bei der ich etwas mitgestalten könne. Da war ich mehr an der Umsetzung von Reformen interessiert.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Ihre Regierung hat Ende November einen Gesetzesentwurf für multimodalen Transport verabschiedet – also für die kombinierten Verkehre aus dem Straßen- Bahn- und Lufttransport. Könnten Sie noch einmal konkret erläutern, worum es hierbei geht?
Wladyslaw Kryklij: Der Entwurf definiert für die ukrainische Gesetzgebung den Begriff des multimodalen und kombinierten Gütertransports sowie die Grundprinzipien der staatlichen Regulierungen und der staatlichen Beihilfen für diese Art des Verkehrs.
Er sieht die Konsolidierung des Rechts für multimodale Transporte auf der Grundlage eines einzigen Vertrages auf allen Transportstrecken vor. Dies verkürzt die Frachtlieferzeiten um 25 Prozent sowie optimiert die Kosten, die infolge der Dienstleistungen beim Frachttransport anfallen.
Bei der Erbringung der Dienstleistungen zum multimodalen Frachttransport übernimmt das multimodale Transportunternehmen die Verantwortung für die Fracht gegenüber dem Kunden von dem Zeitpunkt der Annahme bis zu dem Moment der Ausgabe.
Das Gesetz wird nach der Abstimmung im Parlament Werchowna Rada zu einer Verringerung des Verkehrsaufkommens führen. Ein großer Teil der Transporte wird dann von Verkehrsträgern übernommen, die weniger die Umwelt belasten. Dies reduziert die Luftverschmutzung und schützt die Gesundheit der Bevölkerung. Beim kombinierten Gütertransport darf auf einer Gesamtlänge der Strecke von 750 Kilometern der Teil, auf dem die Waren auf der Straße transportiert werden, nicht größer als 150 Kilometer sein. Das entspricht 20 Prozent der gesamten Trasse.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Inwieweit können davon auch deutsche und andere internationale Unternehmen profitieren?
Wladyslaw Kryklij: In der Ukraine ist der multimodale Transport mit Containern noch gering. Es gibt noch nicht genügend Terminals. Das neue Gesetz wird in der Ukraine nun ein lukratives Investitionsklima für die Entwicklung der transport-logistischen Infrastruktur und der multimodalen Transporte sowie den Ausbau von multimodalen Terminals schaffen. Der ukrainische Staat wird diesen Verkehrsträger fördern und somit auch internationale Investitionen anlocken. Somit werden die deutschen Unternehmen klare gesetzliche Grundlagen vorfinden, die ihnen ihre multimodalen Transporte ermöglichen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Die Außenhandelsquote der Ukraine liegt bei mehr als 80 Prozent. Ein großer Außenhandelspartner ist Deutschland, das wichtige Güter in Ihr Land liefert – beispielsweise Maschinen. Folglich ist der deutsch-ukrainische Handel für die Entwicklung Ihres Landes nicht unwichtig.
Wie bewerten Sie die Rolle der deutschen Investoren aktuell?
Wladyslaw Kryklij: Die Umsatzvolumina zwischen der Ukraine und Deutschland nehmen zu. Auf der Sitzung der ukrainisch-deutschen Kommission für den internationalen Straßenverkehr, die Anfang Dezember 2019 in Bonn stattfand, haben sich die Länder darauf geeinigt, die Zahl der Genehmigungen für den Straßenverkehr zu erhöhen. Für das Jahr 2020 stehen den ukrainischen Transportunternehmen 90.000 zur Verfügung. Das sind fast 1000 mehr als im Jahr 2019. Das sind gute Signale für die Ukraine.
Wir wollen die Zusammenarbeit mit den deutschen Unternehmen vertiefen. Die ukrainische Regierung unterstützt das vierte ukrainisch-deutsche Wirtschaftsforum im Juni 2020 in Lwiw. Neulich hat sich der Ministerpräsident der Ukraine, Oleksii Goncharuk, dafür ausgesprochen, die Arbeit der Gruppe für wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern wieder aufzunehmen, die sich aus hochrangigen Vertretern zusammensetzt.
Der zweite Teil des Interviews folgt in Kürze
Zur Person: Der 33jährige Wladyslaw Kryklij ist Ökonom und seit Ende August 2019 Infrastrukturminister des Landes. Sein Ressort gilt aufgrund der großen logistischen Bedeutung der Ukraine als Schlüsselressort. Zwischen 2002 und 2013 arbeitete er auf leitenden Positionen in der Privatwirtschaft. Danach war in unterschiedlichen Funktionen im Innenministerium aktiv. 2019 zog der Wirtschaftswissenschaftler auf einem Listenplatz der Partei "Diener Volkes" in das Parlament ein, die später die Regierung stellte.