Politik

Türkei verlegt erste Truppen nach Libyen

Der Stellvertreterkrieg vor der Haustüre Europas eskaliert. Nun schickt die Türkei eigene Soldaten nach Tripolis.
06.01.2020 11:10
Lesezeit: 2 min
Türkei verlegt erste Truppen nach Libyen
Istanbul: Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, spricht während eines Fernsehinterviews. (Foto: dpa) Foto: Uncredited

Mit der Entsendung von Soldaten nach Libyen hat die Türkei eine neue Phase des Konflikts in dem Stellvertreterkrieg eingeläutet. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan gab am späten Sonntagabend in einem Interview des Senders CNN Türk zu verstehen, erste Truppen seien bereits entsandt worden. Das türkische Parlament hatte Erdogan dafür am Donnerstag grünes Licht gegeben. Wie viele Soldaten die Türkei schickt, blieb zunächst unklar.

Das türkische Militär will Erdogan zufolge auch ranghohes Personal entsenden. In der «Operationszentrale» werde auch ein General eingesetzt, sagte er. Dieses Personal solle zunächst Koordinationsaufgaben übernehmen.

Erdogan will mit der Initiative die von der UN anerkannte Regierung des libyschen Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch in Tripolis stützen. Diese liefert sich einen Machtkampf mit dem einflussreichen General Chalifa Haftar. Erdogan hatte zuvor bereits gesagt, er handele in Libyen auf Einladung Al-Sarradschs. Für die Initiative, Militärhilfe zu schicken, war er von der türkischen Opposition, aber auch aus Ägypten und Russland kritisiert worden - die beiden Länder stehen aufseiten Haftars.

Der Türkei geht es bei der Zusammenarbeit mit Libyen auch um eigene Interessen im Mittelmeerraum und in Nordafrika. Hier fühlt sich die Türkei unter anderem im Streit um Erdgasvorkommen im Mittelmeer von anderen Anrainerstaaten wie Griechenland ausgebootet. Al-Sarradsch und Erdogan hatten bereits im November zwei umstrittene Abkommen unterzeichnet. Dabei ging es einerseits um die militärische Zusammenarbeit, andererseits auch um Seegrenzen im Mittelmeer. Damit erhebt die Türkei praktisch nicht nachvollziehbare Ansprüche auf Gebiete nahe der griechischen Insel Kreta, wo reiche Erdgasvorkommen vermutet werden.

In Libyen herrscht seit dem Sturz von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 durch Großbritannien, Frankreich und die USA Bürgerkriegschaos, welches nun in einen handfesten Stellvertreterkrieg mutiert ist. Haftar kontrolliert mit seiner selbst ernannten Libyschen Nationalarmee (LNA) Gebiete im Osten des Landes, will aber die Macht über das ganze Land. Im vergangenen Jahr begann er einen Angriff auf Tripolis, wo die Sarradsch-Regierung sitzt. Diese wird von lokalen Milizen unterstützt, konnte ihre Macht aber bisher kaum über die Hauptstadt hinaus ausbauen.

Außerdem sind internationale Mächte in den Konflikt verstrickt. Die Regierung in Tripolis wird nicht nur von der Türkei, sondern auch von Katar und Italien unterstützt, General Haftar unter anderem von Russland, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE).

In Telefonaten von Kanzlerin Angela Merkel mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premier Boris Johnson habe Einigkeit bestanden, dass eine politisch-diplomatische Lösung des Konfliktes geboten sei, teilte ein Regierungssprecher am Sonntagabend mit. Frankreich und Großbritannien hätten ihre Unterstützung für die deutschen Vermittlungsbemühungen unterstrichen.

Deutschland plant zum Thema Libyen für Anfang des Jahres eine Konferenz in Berlin, um die wichtigsten internationalen Akteure an einen Tisch zu bringen. Für Montag kündigte Erdogan in dem TV-Interview ein Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel an. Es solle um die Situation im Iran und im Irak gehen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Politische Unsicherheit: Warum Anleger jetzt Fehler machen
03.07.2025

Trumps Kurs schürt Unsicherheit an den Finanzmärkten. Wie Anleger jetzt kühlen Kopf bewahren und welche Fehler sie unbedingt vermeiden...

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung: Harsche Kritik der Wirtschaftsverbände
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Politik
Politik USA drosseln Waffenhilfe – Europa unter Zugzwang
03.07.2025

Die USA drosseln die Waffenhilfe für Kiew. Europa muss die Lücke schließen. Wie geht es weiter?

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Sanierung bleibt trotz Rekordminus auf Kurs
03.07.2025

Baywa steckt tief in den roten Zahlen – doch der Sanierungsplan bleibt unangetastet. Der traditionsreiche Konzern kämpft mit Altlasten,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Seltene Erden: China kontrolliert deutsche Industrie
03.07.2025

Die deutsche Industrie gerät zunehmend in die Abhängigkeit Chinas, weil Peking bei seltenen Erden den Weltmarkt kontrolliert....

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...