Der nächste Schritt ist getan: Der kalifornische E-Auto-Pionier Tesla hat die Antragsunterlagen für den Bau seiner geplanten Giga-Fabrik im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree (östlich von Berlin) eingereicht. In drei Rathäusern (Grünheide, Spreenhagen und Erkner) liegen sie seit dem gestrigen Montag aus. Eine diesbezügliche Veröffentlichung mit dem etwas sperrigen, nichtdestotrotz informativen Titel „Errichtung und Betrieb einer Anlage für den Bau und die Montage von Elektrofahrzeugen mit einer Kapazität von jeweils 100.000 Stück oder mehr je Jahr am Standort 15537 Grünheide (Mark)“ hat das brandenburgische „Landesamt für Umwelt“ ins Internet gestellt.
Grund zum Jubeln? Nicht unbedingt. Zwar ist in dem Antrag, der mehrere tausend Seiten umfasst, von einem potentiellen Produktionsvolumen von einer halben Million Autos die Rede, die von 12.000 Mitarbeitern gefertigt werden würden. Doch der BILD-Zeitung zufolge plant der vom umstrittenen Unternehmer Elon Musk gegründete Autobauer zunächst mal nur den Bau einer Fabrik mit einer Kapazität von 150.000 Fahrzeugen, für deren Fertigung 4.000 Mitarbeiter benötigt werden.
Selbst die Zahl von 150.000 ist gigantisch, hält man sich vor Augen, dass Tesla im Jahr 2019 weltweit gerade mal 367.500 Einheiten abgesetzt hat. Wobei die Tendenz der letzten Jahre eindeutig nach oben zeigt: 2015 hat Tesla nach Berechnungen von Statista.de 50.580 Autos verkauft, 2016 waren es 76.230 (plus 50 Prozent), 2017 waren es 101.300 (plus 33 Prozent), 2018 waren es 245.250 (plus 142 Prozent) und 2019, wie gesagt, 367.500 (plus 50 Prozent).
Beeindruckende Zuwächse, gewiss. Aber wie lange diese anhalten werden, steht angesichts der nach wie vor schleppenden Akzeptanz der E-Mobilität in Deutschland sowie der erschwerten Bedingungen für den Kauf der Stromer in China in den Sternen. Und auch wenn sich der Wert der Tesla-Aktien seit Mitte letzten Jahres in etwa verdoppelt hat und die Aktie Ende letzter Woche einen Rekordwert von 454 Dollar erreichte, darf man nicht vergessen, dass das Wertpapier immer wieder starke Einbrüche erlebt und das Unternehmen nach wie vor keine Gewinne erzielt und auf die Ausgabe von Aktien angewiesen ist. In dem Augenblick, in dem die Investoren die Geduld verlieren, ist es mit der Herrlichkeit ganz schnell vorbei – dann ist das Unternehmen in seiner Existenz massiv gefährdet.
Von den 4.000 Arbeitsplätzen, die ab 2021 in Brandenburg besetzt sein sollen, hat Tesla bisher (in englischer Sprache) 35 ausgeschrieben. Darunter auch die eines Personalreferenten („Recruiter“), der neben Deutsch und Englisch auch Polnisch sprechen soll. Polnisch: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Entfernung zwischen Grünheide und dem Grenzübergang in Frankfurt an der Oder/ Slubice beträgt gerade mal 56 Kilometer. Das heißt, für polnische Arbeitskräfte wäre es ein Leichtes, jeden Tag zu pendeln. Und es wäre attraktiv: Laut dem polnischen Statistikamt „GUS“ beträgt der durchschnittliche Monatslohn in Polen 5.100 Zloty (1.200 Euro). Ein Fabrik-Vorarbeiter verdient 4.300 Zloty (1.000 Euro), ein Fließband-Arbeiter 3.000 Zloty (700 Euro). Zum Vergleich: Ein monatliches Durchschnittsgehalt in Berlin beträgt 3.550 Euro, in Brandenburg 2.960 Euro. Wie gesagt, das sind Durchschnittsgehälter – in der Industrie wird selbstverständlich weitaus besser gezahlt. Das durchschnittliche Gehalt eines Mitarbeiters in der Auto-Industrie, der über keinen Hochschulabschluss verfügt, beträgt in Deutschland rund 4.700 Euro. Als Tesla seine Pläne, nach Brandenburg zu kommen, verkündete, kannte der Jubel über die Tausende von gut bezahlten Arbeitsplätzen, die schon bald entstehen würden, keine Grenzen mehr. Man darf schon mal gespannt sein, wie gut bezahlt die Jobs wirklich sein werden – und wie viele von Deutschen ausgeübt werden.
Wobei: Noch ist nicht sicher, inwiefern Naturschützer gegen den Fabrikbau angehen werden. Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne): „Bürgerbeteiligung und Transparenz sind uns sehr wichtig. Einen Monat lang kann die Öffentlichkeit die Antragsunterlagen einsehen und bis 5. März Einwendungen einbringen.“
Schaut man sich die Internet-Seite des NABU Fürstenwalde an, dürfte es eine ganz Menge Einwendungen geben. Elon Musk hat schon viele Gefechte mit kampfstarken Gegnern ausgefochten. Mit zu allem entschlossenen deutschen Naturschützern allerdings noch nicht: Ob der kalifornische Paradiesvogel in ihnen seinen Meister findet?