Das US-Finanzministerium hat die Schweiz am Montag auf eine Beobachtungsliste mit Staaten gesetzt, die der Währungsmanipulation beschuldigt werden. Die USA forderten die Schweiz dazu auf, "die heimische Wirtschaftstätigkeit stärker zu unterstützen", indem sie die Ausgaben erhöht und die - ohnehin schon niedrige -Steuerlast im Land weiter reduziert. "Obwohl die Kreditkosten für die Schweizer Regierung zu den niedrigsten der Welt gehören, bleibt die Fiskalpolitik selbst innerhalb der Grenzen der bestehenden Schweizer Fiskalregeln zu wenig genutzt", sagte das US-Finanzministerium in seiner Einschätzung.
Dies ist eine offensichtliche Einmischung in die finanziellen Angelegenheiten eines souveränen Landes.
In der Folge stieg der Schweizer Franken am Dienstag auf den höchsten Stand gegenüber dem Euro seit drei Jahren. Denn die Marktteilnehmer gehen nun davon aus, dass die Kritik aus den USA aggressive Maßnahmen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zur Abschwächung des Franken in Zukunft begrenzen wird.
"Der Bericht ist ein Warnschuss für die SNB", zitiert die Financial Times George Saravelos, globaler Co-Leiter der Währungsforschung bei der Deutschen Bank. Der Schweizer Franken werde nun wahrscheinlich höher steigen. Er wird aktuell mit rund 1,08 Franken gegenüber dem Euro gehandelt.
Die SNB sagte am Dienstag, dass ihre Interventionen transparent und "rein geldpolitisch motiviert" seien. Sie verfolge das Ziel, die negativen Folgen durch einen hoch bewerteten Franken für die Preisstabilität und die Wirtschaft zu bekämpfen. Die Eingriffe der SNB würden nicht darauf abzielen, der Schweiz durch eine Unterbewertung des Schweizer Frankens Vorteile zu verschaffen, fügte die Zentralbank hinzu.
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Nachfrage nach dem Franken als einem sicheren Hafen hat sich die Schweizer Notenbank öffentlich dazu verpflichtet, die Kursgewinne der Währung zu begrenzen, indem sie einerseits Euros kauft und andererseits ihre Leitzinsen auch nach fünf Jahren weiter bei minus 0,75 Prozent belässt. Allerdings ziehen die negativen Zinsen Kritik auf sich, da die Gewinne der Banken und vor allem die in der Schweiz sehr bedeutenden Pensionskassen darunter leiden.
Die Nationalbank hat im Dezember ein eigenes Frankenlimitierungsprogramm verabschiedet und gesagt, dass sie "weiterhin bereit ist, bei Bedarf am Devisenmarkt zu intervenieren". Durch ihr Interventionsprogramm hält die SNB rund 770 Milliarden Franken in Fremdwährungen. Zudem ist sie mit einem Portfolio ausländischer Aktien im Umfang von 150 Milliarden Franken der weltweit achtgrößte Investor in Unternehmen. Die Schweiz hat damit relativ zur Größe der Volkswirtschaft, ausgedrückt durch das BIP von rund 700 Milliarden Franken, die am stärksten aufgeblähte Bilanz aller Zentralbanken.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Finanzpolitik des Alpenstaates Kritik aus Washington auf sich gezogen hat. Bereits im Jahr 2016 war die Schweiz auf die Beobachtungsliste gesetzt worden, nachdem sie die faktische Bindung des Franken an den Euro aufgegeben hatte. Zwei Jahre später hoben die USA die Bezeichnung wieder auf.
Der Prozess der USA, mutmaßliche "Manipulatoren" zu identifizieren, ist weitgehend symbolisch und trägt stark politische Untertöne. Das Finanzministerium ließ diese Woche die Bezeichnung Chinas als Währungsmanipulator fallen, in einem Schritt, der offenbar darauf abzielt, den Abschluss eines neuen Handelsabkommens zwischen den beiden Ländern in dieser Woche zu erleichtern.
Japan, Korea, Singapur, Vietnam und Malaysia stehen ebenfalls auf der Beobachtungsliste des US-Finanzministeriums, zusammen mit den Euro-Staaten Deutschland, Irland und Italien. Letztere haben keine unabhängigen nationalen Kursfestsetzungsgremien, die versuchen könnten, den Wert ihrer Währung zu kontrollieren, die Geldpolitik ist Sache der EZB.
Im Effekt betrachtet das amerikanische Finanzministerium einfach bilaterale Handelsüberschüsse mit den USA, und schließt bei erheblichen amerikanischen Defiziten auf Währungsmanipulation der Handelspartner. Häufig handelt es sich aber einfach um Steuerarbitrage gerade amerikanischer Multinationaler. Diese betreiben solche Arbitrage durch Produktion in Niedriglohnländern oder Steuerparadiesen und Reexporte in die USA betreiben. Dies ist bei China, Vietnam, Malaysia, Irland (Pharma-Industrie) und zum Teil der Schweiz (Pharma- und Medizintechnik-Industrie) der Fall.
In anderen Fällen liegen effektiv offene oder versteckte protektionistische Praktiken vor (China, Japan, Korea). Sie schützen ihren Binnenmarkt vor Importen.
Was ist von der Kritik aus Washington an der Schweiz zu halten? Der Schweizer Franken ist seit der Großen Finanzkrise die mit Abstand härteste Währung der Welt geworden. Sie hat sich gegenüber Dollar und Euro enorm aufgewertet. In der Folge ist es in der Schweiz zu einer eigentlichen Desindustrialisierung gekommen – in einem einzigen Jahrzehnt verdichtet der genau gleiche Prozess wie in den letzten 30 Jahren in den USA, im UK, in Japan und in vielen anderen Industrieländern. Von daher ist es absurd, die Schweiz der Währungsmanipulation zu beschuldigen.
Was wirklich stattgefunden hat, ist eine konzentrierte Initiative der Schweizer Politik bei der Unternehmens- und Personenbesteuerung. In drei Schritten wurden die Unternehmenssteuern in den letzten 13 Jahren massiv abgesenkt. Dies hat viele ausländische Firmen in die Schweiz geholt, und vor allem der einheimischen Pharma- und Medizintechnik-Industrie einen enormen Exportboom beschert – trotz des starken Frankens. Praktisch alle anderen Industrien haben gelitten.
Von daher ist die Forderung nach weiteren Steuersenkungen absurd. Was aber berechtigt ist, ist die Forderung nach konzentrierten Ausgabenprogrammen. Die Schweiz hat Überschüsse in der Leistungsbilanz von über 15 Prozent des BIP. Gleichzeitig verfolgt sie auf allen Ebenen (Bund, Kantone, Gemeinden) eine Politik der Budget-Überschüsse in der Finanzpolitik, was absurd ist. Die Schweiz sollte die Infrastruktur, die an allen Ecken und Enden überlastet ist, der durch die Immigration stark gewachsenen Bevölkerung anpassen.