Deutschland

„Bullen jagen“: Linksradikale Demonstration in Leipzig eskaliert

Deutschlands Hauptstadt des Linksradikalismus macht wieder von sich reden.
27.01.2020 10:56
Lesezeit: 3 min
„Bullen jagen“: Linksradikale Demonstration in Leipzig eskaliert
Teilnehmer der Demonstration tragen ein Transparent mit der Aufschrift «wir sind alle linksunten.indymedia.org» und zünden Pyrotechnik. (Foto: dpa) Foto: Sebastian Willnow

Die Androhung von Gewalt war in Leipzigs linksalternativem Stadtteil Connewitz vorab für jedermann zu lesen. «Rache für Linksunten 25.01. Bullen jagen» stand in Versalien zusammen mit einem Antifa-Zeichen an einer Hauswand. Am Samstagabend haben vermummte Randalierer die Drohung wahr gemacht, berichtet die dpa.

Aus einer Demonstration gegen das Verbot der Plattform «Linksunten.Indymedia» heraus flogen Steine auf die Polizei. Autoscheiben und das Glas eines Wartehäuschens der Straßenbahn gingen zu Bruch. Journalisten berichteten von Bedrohungen. 13 Polizisten wurden nach Angaben der Polizei leicht verletzt, sechs Verdächtige festgenommen.

Nach der Eskalation in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz steht Leipzig zum zweiten Mal innerhalb eines Monats wegen Ausschreitungen im Fokus. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) verurteilte die Gewalt auf das Schärfste. «Wer Journalisten und Polizisten angreift, greift die Meinungsfreiheit und unsere friedliche Gemeinschaft an», erklärte der Minister. «Dem werden wir mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegentreten.» Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Georg Maier (SPD), hofft auf eine breite gesellschaftliche Ablehnung der Vorkommnisse in Leipzig. «Demokratie und Rechtsstaat zu verteidigen ist unser aller Verpflichtung», sagte der Thüringer Ressortchef dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag).

Allerdings gibt es für sechs festgenommene Verdächtige ein glimpfliches Ende. Die Verdächtigen, die nach den Steinwürfen festgenommen worden waren, sind wieder auf freiem Fuß. Es lägen keine Haftgründe vor, sagte ein Polizeisprecher am Montag in Leipzig. Gegen die vier Männer und zwei Frauen im Alter von 18 bis 39 Jahren werde aber weiter ermittelt wegen Landfriedensbruchs, Körperverletzung und Sachbeschädigung. Von den sechs Verdächtigen stamme nur einer aus Leipzig, die anderen kämen aus Nordrhein-Westfalen.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt an diesem Mittwoch über Klagen gegen das Verbot von «Linksunten.Indymedia». Das Bundesinnenministerium hatte 2017 ein Vereinsverbot erlassen, unter anderem weil auf der linksradikalen Seite auch Gewaltaufrufe publiziert wurden.

Die Demonstration, für die bundesweit mobilisiert worden war, hatte vor dem Gerichtsgebäude zunächst friedlich begonnen. Redner kritisierten das «Linksunten»-Verbot als Anschlag auf «linke, emanzipatorische Projekte». Danach setzte sich der Zug in Richtung Connewitz in Bewegung und schwoll auf rund 1600 Teilnehmer an.

Die Aggressivität in Teilen der Demo nahm mit jedem gelaufenen Meter zu. Erst wurden einzelne Bengalos gezündet, dann flogen Böller, Nebeltöpfe und Raketen - und schließlich Steine. Vermummte rissen sie aus dem Pflaster des Fußwegs entlang der Demostrecke. Als an einer Kreuzung in der Südvorstadt ein regelrechter Steinhagel auf Polizeiautos niederging, stoppte die Demo.

Behelmte Polizisten mit Schutzschilden und Demonstranten standen sich nach den Steinwürfen eine ganze Weile gegenüber. Nach einigem Hin und Her wurde nach dem Stopp der ersten Demonstration eine Fortsetzung bis nach Connewitz angemeldet. Dort löste sich die inzwischen stark geschrupfte Versammlung schließlich auf.

Die Höhe des Sachschadens könne noch nicht beziffert werden, sagte ein Stadtsprecher am Sonntag. Die Spuren der Eskalation waren auch da noch deutlich zu sehen. Neben dem Wartehäuschen wurden auch die Scheiben eines Sandwich-Imbiss' attackiert, zerbarsten aber nicht. An einer Konsum-Filiale überdeckten Pressspanplatten an der Tür und an einem Schaufenster die Schäden.

Die Polizei war mit einem Großaufgebot und Unterstützung aus mehreren Bundesländern im Einsatz - nicht zuletzt wegen der Eskalation in der Silvesternacht in Connewitz. Dabei waren nach Polizeiangaben mehrere Polizisten angegriffen und verletzt worden, ein 38 Jahre alter Beamter wurde tagelang im Krankenhaus behandelt. Die Ermittler gehen von Linksextremisten als Tätern aus, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes gegen die unbekannten Angreifer.

Allerdings war nach Silvester auch Kritik am Einsatz und an der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei laut geworden. Sie hat inzwischen ihren Pressesprecher ausgetauscht. Diesmal setzte die Polizei betont auf Deeskalation und hielt sich lange im Hintergrund. Erst nach den Aggressionen aus der Demonstration heraus schritt sie ein.

Die Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel, die nach Silvester eine der schärfsten Kritikerinnen des Polizeieinsatzes gewesen war, zeigte sich diesmal betroffen. Sie twitterte noch in der Nacht: «Kann mir mal jemand erklären warum #le2501 so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Ich verstehe es nicht. Ich verstehe nicht was das mit den inhaltlichen Zielen, die ich durchaus teile, zu tun hat.»

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Dividenden-Aktien: Wie Anleger jetzt potenzielle Dividendenrenditen erkennen
01.12.2025

Dividenden-Aktien gewinnen für Anleger in unsicheren Zeiten an Bedeutung, da sie regelmäßige Ausschüttungen mit potenziellem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone: Industriestimmung trübt sich stärker als erwartet ein
01.12.2025

Die Industriestimmung in der Eurozone zeigt sich schwach am Jahresende: Der Einkaufsmanagerindex ist im November erneut unter die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs vor dem Jahresende: KI-Blase oder Rally?
01.12.2025

Auf Jahressicht glänzt der DAX-Kurs mit einem kräftigem Plus – doch unter der Oberfläche wächst die Nervosität. Zum Auftakt der...

DWN
Politik
Politik Friedensverhandlungen: Wie laufen die Gespräche über ein Kriegsende in der Ukraine?
01.12.2025

Erstmals seit Kriegsbeginn sitzen westliche und russische Vertreter offiziell über einem Plan zum Kriegsende in der Ukraine. Nach heftiger...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs rutscht zum Wochenstart ab: Liquidationswelle bringt Kryptowährungen unter massiven Druck
01.12.2025

Der Bitcoin-Kurs startet tiefrot in den Dezember: Ein Wochenend-Schock hat den Markt binnen Stunden umgekrempelt. Liquidationen rollen auf...

DWN
Politik
Politik Heuchelei als Strategie: Warum ausgerechnet Trumps Freunde den größten Beitrag zu Russlands Kriegskasse leisten
01.12.2025

Donald Trump wirft Europa vor, Putins Krieg gegen die Ukraine mitzufinanzieren. Doch die Fakten zeigen etwas anderes: Nicht Brüssel oder...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutschland setzt auf Wasserstoff – Länder planen gemeinsames Versorgungsnetz
01.12.2025

Die ostdeutschen Bundesländer wollen gemeinsam ein Wasserstoff-Verteilnetz aufbauen, um Kommunen, Industrie und Gewerbe besser mit...

DWN
Finanzen
Finanzen Neue Studie: Grüne Fonds unterscheiden sich nur minimal von traditionellen Produkten
01.12.2025

Viele Anleger erwarten, dass nachhaltige Fonds klare Alternativen zu traditionellen Produkten bieten und Kapital in verantwortungsvollere...