Wegen der sinkenden Nachfrage aus dem In- und Ausland ist das Auftragspolster der deutschen Industriebetriebe Ende 2019 den sechsten Monat in Folge geschmolzen. Der Bestand nahm im Dezember um 0,3 Prozent zum Vormonat ab, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Dabei fielen die nicht erledigten Aufträge aus dem Inland um 0,1 Prozent, die aus dem Ausland um 0,3 Prozent. Als Bestand wird die Summe der Auftragseingänge eines Monats gewertet, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu Umsätzen geführt haben und die nicht storniert wurden.
In den einzelnen Industriebranchen fiel die Entwicklung sehr unterschiedlich aus: Bei den Herstellern von Vorleistungsgütern wie Chemikalien gab es gegen den Trend einen Anstieg von 0,4 Prozent, bei den Herstellern von Investitionsgütern wie Maschinen dagegen einen Rückgang von 0,4 Prozent. Die Konsumgüter-Hersteller meldeten ein Wachstum von 0,7 Prozent. Der deutschen Industrie machen die schwächere Weltkonjunktur und Handelskonflikte zu schaffen.
Die Reichweite des Auftragsbestands blieb im Dezember nahezu unverändert: Sie legte minimal zu auf 5,7 Monate. Die Reichweite gibt an, wie viele Monate die Betriebe bei gleichbleibendem Umsatz ohne neue Bestellungen theoretisch produzieren müssten, um die vorhandene Nachfrage abzuarbeiten. Bei den Herstellern von Vorleistungsgütern lag die Reichweite bei 2,9 Monaten, bei den Produzenten von Investitionsgütern bei 7,9 Monaten und in der Konsumgüterbranche bei 2,1 Monaten.
Das lange Hickhack um den Brexit hat die deutschen Exporte nach Großbritannien im vergangenen Jahr zudem so stark fallen lassen wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr. Die Ausfuhr von Waren in das Vereinigte Königreich schrumpfte um 4,2 Prozent auf 78,7 Milliarden Euro, wie aus ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht, die der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorlagen. Das war bereits der vierte jährliche Rückgang in Folge. Dadurch fielen die Exporte auf das niedrigste Niveau seit 2013. Zum Vergleich: Die gesamten deutschen Ausfuhren wuchsen im vergangenen Jahr um 0,8 Prozent und erreichten einen Rekordwert.
Experten rechnen für dieses Jahr noch nicht mit einer Trendwende zum Besseren. "Das liegt maßgeblich an der weiterhin bestehenden Unsicherheit über die Handelsbeziehung nach Dezember 2020, wenn die Übergangsphase beendet ist", sagte der Handelsexperte des Ifo-Instituts, Martin Braml, zu Reuters. "Ich rechne bestenfalls damit, dass ein Zollabkommen die schlimmsten Befürchtungen verhindert, aber einen weit gediehenen und tiefgreifenden Handelsvertrag werden wir dann noch nicht haben." Großbritannien ist seit diesem Monat nicht mehr EU-Mitglied. Bis Jahresende gilt eine Übergangsfrist, in der die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Seiten neu geregelt werden sollen.
Zurückgegangen sind im vergangenen Jahr beispielsweise die deutschen Autoexporte nach Großbritannien. Auch bei Flugzeugen und Flugzeugteilen, bei elektronischen Ausrüstungen und pharmazeutischen Erzeugnissen gab es jeweils Einbußen. Ein Grund dafür sei das im Zuge der Brexit-Debatte geschwächte Pfund, das deutsche Produkte verteuert habe, sagte Braml. Auch die hohen Unsicherheit durch den Brexit dürfte die Nachfrage gedämpft haben. Der Handel mit Vorprodukten - also unfertigen Teilen - sei eingebrochen. Auch der Handel innerhalb derselben Industrien sei merklich zurückgegangen. "Deshalb kann man durchaus davon sprechen, dass wir schon im Jahr 2019 Zeuge davon wurden, wie Wertschöpfungsketten aufgelöst wurden", sagte Braml.
Trotz der schwächelnden Geschäfts bleibt Großbritannien einer der wichtigsten deutschen Exportkunden. Nur in die USA, nach Frankreich, in die Niederlande und nach China wurden im vergangenen Jahr mehr Waren "Made in Germany" verkauft.