Politik

Erdogan entsendet Spezialeinheiten, um Migranten in die EU zu drängen

Die türkische Regierung verstärkt ihre Strategie der Erpressung gegen die EU. Der Außenminister kündigt an, weitere Migranten an die griechische Grenze zu schicken. Türkische Spezialeinheiten sollen deren Rückkehr in die Türkei verhindern. Interessant wird zu beobachten sein, wie die EU auf das offen feindselige Verhalten der türkischen Regierung reagieren wird.
05.03.2020 15:31
Aktualisiert: 05.03.2020 15:31
Lesezeit: 3 min
Erdogan entsendet Spezialeinheiten, um Migranten in die EU zu drängen
05.03.2020, Türkei, Edirne: Der türkische Innenminister Suleyman Soylu beobachtet aus einem Hubschrauber die Migranten, die an der türkisch-griechischen Grenze bei Pazarkule lagern. (Foto: dpa) Foto: --

Trotz der brisanten Lage an der griechischen EU-Außengrenze kündigt die Türkei an, noch viel mehr Migranten nach Europa ziehen zu lassen. Auch für die notleidenden Menschen in der syrischen Krisenregion Idlib würden sich die Türen öffnen, "und letztendlich werden sich alle auf den Weg nach Europa machen", wie Innenminister Süleyman Soylu am Donnerstag sagte. Schon jetzt warten Tausende an der Grenze zu Griechenland, in der Hoffnung auf Zuflucht in Europa.

Der Minister sagte zugleich: "Das ist keine Drohung oder Erpressung." Grund sei "das unmenschliche Verhalten" des Regimes in Syrien, das Millionen in große Not bringe. Die Folgen des völkerrechtswidrigen Einmarsches der Türkei ins Nachbarland und die Unterstützung islamistischer Söldner in Idlib erwähnte Soylu dabei nicht.

In Idlib sind die syrischen Regierungstruppen mit russischer Unterstützung auf dem Vormarsch, ungeachtet des türkischen Militäreinsatzes auf syrischem Gebiet. Gleichzeitig hat sich die Notlage der Menschen Idlib dramatisch verschlechtert. Fast 950 000 der drei Millionen Einwohner der Region sind nach UN-Angaben auf der Flucht.

Weiter kündigte der türkische Innenminister an, 1000 Polizisten an die Grenze zu Griechenland zu schicken, um sogenannte "Push-Backs" von Migranten zu verhindern. "Um zu verhindern, dass sie zurückgedrängt werden, haben wir heute Morgen 1000 voll ausgestattete Spezialpolizisten an den Fluss Meric geschickt", sagte Soylu. Der Grenzfluss Evros heißt auf Türkisch Meric.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Samstag erklärt, die Grenzen in die EU seien geöffnet. Daraufhin hatten sich Tausende von Migranten auf den Weg an die griechische Grenze gemacht, von denen noch immer viele im türkischen Grenzgebiet ausharren. Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Francesco Rocca, sagte im griechischen Kastanies, es sei traurig, dass versucht werde, Menschen als politische Waffe einzusetzen. "Das ist unakzeptabel."

Griechenland drängt die Migranten immer wieder auch mit dem Einsatz von Tränengas zurück. Ankara wirft den griechischen Grenzpolizisten zudem vor, Migranten, die es nach Griechenland geschafft haben, unrechtmäßig zurückzuschicken. Nach türkischen Angaben war am Mittwoch ein Migrant von griechischen Sicherheitskräften erschossen worden. Athen wies das entschieden zurück. Nach Angaben von Soylu wurden zudem 164 Migranten verletzt.

In Mytilini, der Hauptortschaft der griechischen Insel Lesbos, wurden rund 500 Migranten gruppenweise auf ein Schiff der Kriegsmarine im Hafen untergebracht. Diese Menschen sollen aber demnächst in ein geschlossenes Abschiebelager gebracht und von dort in ihre Herkunftsländer ausgewiesen werden. Auch auf anderen Inseln im Osten der Ägäis würden die neu Angekommenen zwecks Ausweisung festgehalten. Auf Lesbos leben derzeit nach Angaben des griechischen Migrationsministeriums mehr als 20 000 Flüchtlinge und Migranten. Zuletzt kippte die Stimmung der Griechen auf den Inseln angesichts des massiven Zustroms von Migranten und es kam zu mehreren Großdemonstrationen und auch gewaltsamen Ausschreitungen.

Angesichts des Andrangs der Migranten an der griechischen EU-Außengrenze setzt die Bundesregierung auf eine geschlossene europäische Antwort und mehr Hilfe auch für die Türkei. "Für uns ist klar: die EU muss die Anstrengungen der Türkei bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten weiterhin auch verstärkt finanziell unterstützen", sagte Außenminister Heiko Maas am Donnerstag vor seinem Abflug zu einem EU-Außenministertreffen in Zagreb. "Denn die Türkei ist weltweit das größte Aufnahmeland von Flüchtlingen, und eine faire Lastenteilung ist auch in unserem Interesse. Aber ebenso klar ist unsere Erwartung, dass sich die Türkei im Gegenzug auch an die EU-Türkei-Erklärung hält", sagte Maas. Die Erklärung Erdogans, die Grenze sei offen, verstößt aus EU-Sicht gegen das Flüchtlingsabkommen der EU mit Ankara mit.

Die EU-Innenminister unterstützen das griechische Vorgehen. "Illegale Grenzübertritte werden nicht toleriert", heißt es in einer Erklärung, auf die sich die EU-Innenminister am Mittwoch geeinigt hatten.

Ein Brüsseler Sechs-Punkte-Plan sieht vor, dass die EU-Asylagentur Easo 160 Experten der EU-Staaten entsendet. Die Grenzschutzagentur Frontex soll außerdem ein neues Programm für schnelle Rückführungen für jene Menschen auflegen, die nicht in Griechenland bleiben dürfen.

Deutschland will Griechenland mit 20 zusätzlichen Grenzschützern und einem seetauglichen Hubschrauber unterstützen. Bisher beteiligten sich 60 Bundespolizisten an den Frontex-Einsätzen in Griechenland. Die dortigen Sicherheitsbehörden rechneten laut Staatsrundfunk auch am Donnerstag mit einem erneuten Andrang von Menschen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Milliardenwahn im Silicon Valley: Warum die Jagd nach Superintelligenz im Desaster enden wird
23.08.2025

Das Silicon Valley dreht durch: Für einzelne KI-Forscher werden Summen gezahlt, die selbst Sportstars sprachlos machen. Doch Experten...

DWN
Finanzen
Finanzen Verdienen im Schlaf: Diese Dividenden-Aktien zahlen Ihnen Geld fürs Nichtstun
23.08.2025

Während andere schuften, kassieren clevere Anleger jeden Monat Geld – sogar im Schlaf. Drei Dividenden-Aktien machen Sie zum Profiteur...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zahlungsmoral am Limit: 81 Prozent der Unternehmen von Zahlungsverzug bedroht
23.08.2025

Verspätete Zahlungen bedrohen die Existenz vieler Firmen. Im Schnitt bleiben Rechnungen fast 32 Tage offen – in Bau, Transport und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögensaufbau stagniert: Wie der Staat privates Vermögen verhindert
23.08.2025

Die Vorstellung vom reichen Deutschen entspricht immer weniger der Realität: Höhere Lebenshaltungskosten, höhere Sozialabgaben,...

DWN
Panorama
Panorama Verbraucherschützer warnen: Kritik an Parkplatzfirmen nimmt zu
23.08.2025

Beschwerden über Parkplatzfirmen nehmen rasant zu. Immer mehr Autofahrer stoßen auf intransparente Regeln und saftige Vertragsstrafen....

DWN
Politik
Politik Deutschland mit stärkster Armee Europas? Ohne Chinas Rohstoffe bleibt es ein Trugbild
23.08.2025

Deutschland rüstet auf wie nie zuvor – doch ausgerechnet Peking hält den Schlüssel zu den nötigen Rohstoffen in der Hand. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase frisst IT-Jobs: Informatik-Absolventen geraten unter die Räder des Hypes um Künstliche Intelligenz
23.08.2025

Der Traum vom Programmierboom platzt: Während Konzerne Milliarden in Künstliche Intelligenz pumpen, stehen junge Informatik-Absolventen...

DWN
Technologie
Technologie HVO100: Studie kritisiert Klimabilanz der Diesel-Alternative
22.08.2025

HVO100 gilt als moderne Diesel-Alternative und soll den Klimaschutz vorantreiben. Doch eine aktuelle Studie der Deutschen Umwelthilfe wirft...