Politik

Aktuelle DWN-Analyse: Putin und Erdoğan werden den Iran aus Syrien verbannen

Lesezeit: 3 min
05.03.2020 18:22  Aktualisiert: 05.03.2020 18:22
Russland und die Türkei haben ein Interesse an der Isolation des Iran aus Syrien. Teheran weiß das und hat angesichts des aktuellen Treffens zwischen Putin und Erdoğan sofort neue Söldner-Verbände und Milizen nach Idlib entsandt.
Aktuelle DWN-Analyse: Putin und Erdoğan werden den Iran aus Syrien verbannen
Russlands Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan trafen sich heute in Moskau. (Foto: dpa)
Foto: Pavel Golovkin

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der Middle East Monitor berichtet, dass der Iran zeitgleich zum Treffen zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan in Moskau militärische Verstärkung in die strategisch wichtige syrische Stadt Saraqib entsandt habe.

Über die Anzahl der pro-iranischen Söldner, die nach Saraqib geschickt wurden, gibt es verschiedene Angaben. CNN Turk zufolge sollen am gestrigen Mittwoch etwa 400 pro-iranische Söldner in die syrische Provinz Deir Ezzor verlegt worden sein. Anschließend seien sie nach Idlib weitertransportiert worden. Um nicht von türkischen Drohnen erfasst zu werden, soll der Transport in zivilen Bussen und nicht in Militärfahrzeugen erfolgt sein. Die Söldner sollen sich aus Iranern, Irakern, Libanesen, Afghanen und Pakistanern zusammensetzen.

Die türkische Zeitung Yeni Şafak behauptet, dass nicht 400, sondern 2.000 pro-iranische Söldner nach Saraqib verlegt wurden. Am 1. März hatte der Iran die Türkei dazu aufgerufen, ihre Angriffe auf pro-iranische Verbände in Idlib zu stoppen. Das Iranian Advisory Center teilte laut des Hisbollah-nahen Senders Al-Mayadeen in einer Mitteilung mit, dass die pro-iranischen Verbände den Auftrag hätten, keinerlei türkische Truppen anzugreifen, obwohl sich seit über einem Monat türkische Truppen in Idlib befinden. Man hätte sich jederzeit für die Angriffe der türkischen Armee rächen können. Trotzdem hätte man dies nicht getan.

Derzeit kämpfen Söldner-Verbände der Al-Quds-Brigaden, der Baqir-Brigaden, der Hisbollah, der Fatimeyun-Brigaden, der Zainabeyun-Brigaden und weitere Verbände auf Seiten der Syrischen Arabischen Armee (SAA) von Präsident Assad in Idlib. Ihnen stehen extremistische und moderate Söldner-Verbände gegenüber, die gegen Assad sind.

US-Außenminister Mike Pompeo hatte am 28. Februar 2020 im Rahmen einer Anhörung im Komitee für Auswärtige Angelegenheiten des US-Repräsentantenhauses gesagt: “US-Regierungsbeamte haben wiederholt die Bedeutung von Stellvertreter-Gruppen in der iranischen Außen- und Verteidigungspolitik betont. Wir haben ein enormes iranisches Problem innerhalb Syriens. Diese Angriffe, die vom syrischen Regime angeführt, vom Iran und von der Hisbollah unterstützt und vom Iran zusammen mit den Russen garantiert werden, verursachen ein humanitäres Unglück in Syrien.”

Dass der Iran offenbar angesichts des Treffens zwischen Putin und Erdoğan Verstärkung nach Idlib schickt, ist ein Hinweis darauf, dass Moskau und Ankara sich hinter verschlossenen Türen auf einen Abzug pro-iranischer Milizen und Söldner-Verbände aus Idlib geeinigt haben. Arab News führt aus: “In Syrien besteht die Gefahr, dass die Hisbollah den Preis für ein Abkommen zwischen Russland und der Türkei unter Genehmigung der USA zahlt, zumal Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan nach Möglichkeiten suchen, um zu deeskalieren. Trotz ihrer unterschiedlichen Positionen zur Zukunft des Assad-Regimes einigen sich Moskau und Ankara auf eine geringere iranische Präsenz und Einflussnahme in Syrien. Die Türkei will die iranischen Revolutionsgarden und die Hisbollah nicht an ihrer Grenze haben, während Russland es begrüßen würde, in wichtigen syrischen Machtzentren nicht zu viel Einfluss mit dem Iran teilen zu müssen. Dies steht auch im Einklang mit den Zielen Israels.”

Dabei gab es bereits zuvor Entwicklungen zum Nachteil des Iran. Denn über die Zukunft der Gebiete westlich des Euphrats verhandeln Moskau, Ankara und Washington unter Ausschluss Teherans. Bereits bei den Verhandlungen über die Zukunft von Nordost-Syrien, die in gemeinsamen Patrouillen-Einsätzen zwischen US-Amerikanern, Türken und Russen mündeten, hatte der Iran kein Mitspracherecht. Bemerkenswert ist, dass sich die Russen, Türken und Amerikaner auf jener Route im Nordosten Syriens festgesetzt haben, die den Iranern als Alternative zur Errichtung einer Landbrücke zum Mittelmeer hätte dienen können.

Die Regierung in Teheran hat verstanden, dass Russland ihren Einfluss in Syrien brechen möchte. Deshalb hat der iranische Präsident Hassan Rouhani Ankara kürzlich den Vorschlag unterbreitet, gemeinsame Gespräche über die Situation in Idlib unter Ausschluss Russlands zu führen. Die Türkei ließ diesen Vorschlag jedoch unbeantwortet.

Da sich der Iran am Verhandlungstisch zwischen Russland und der Türkei nicht durchsetzen kann, bleibt nur noch die Option, weitere pro-iranische Verbände nach Idlib zu verlegen. Und genau das hat der Iran nun getan.

Die schrittweise Isolation der Iraner in Syrien dürfte sich auch negativ auf die Zukunft der aktuellen syrischen Regierung auswirken. Denn die Syrische Arabische Armee (SAA) hat nach dem zermürbenden neunjährigen Krieg ihre Kampfstärke verloren und ist am Boden auf die zahlreichen pro-iranischen Milizen und Söldner-Verbände angewiesen. Wenn sich diese Verbände zurückziehen sollten, würde die Regierung in Damaskus ihr wichtigstes militärisches und politisches Druckmittel verlieren. Dass Russland ein Interesse daran hat, den Einfluss des Iran in Syrien zu brechen, lässt darauf schließen, dass die Russen die politische Zukunft Syriens ohne den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, der der wichtigste Partner der Iraner in der Region ist, planen.

Dabei ist es völlig unerheblich, was Erdoğan und Putin nach ihrem Treffen in Moskau der Welt erzählen. Sie werden sich nicht im Zusammenhang mit der Zukunft des syrischen Präsidenten und des Iran in der Region öffentlich äußern.

Doch die Entwicklungen sprechen eine klare Sprache - man muss sie nur richtig deuten.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Turbulenzen bei Tesla: Stellenabbau und düstere Prognosen für 2024
19.04.2024

Nach einem Stellenabbau bei Tesla prognostizieren Experten ein „Durchhänger-Jahr“ für Elektromobilität 2024, während Tesla auf...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Trotz Exportbeschränkungen: Deutsche Exporte in den Iran gestiegen
19.04.2024

Deutsche Exporte in den Iran trotzen geopolitischen Spannungen: Anstieg trotz EU- und US-Sanktionen. Welche Kritikpunkte gibt es in diesem...

DWN
Immobilien
Immobilien Wie viel Immobilie kann ich mir 2024 leisten?
18.04.2024

Wie günstig ist die aktuelle Marktsituation für den Erwerb einer Immobilie? Auf welche Haupt-Faktoren sollten Kaufinteressenten momentan...

DWN
Politik
Politik G7-Gipfel auf Capri: Militärische Signale für Ukraine und Nahost
18.04.2024

Inmitten eskalierender Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten kommen die G7-Außenminister auf Capri zusammen, um gemeinsam Strategien...

DWN
Politik
Politik Russische Agenten in Bayern festgenommen: Sabotagepläne aufgedeckt
18.04.2024

Zwei Russland-Deutsche sollen für einen russischen Geheimdienst spioniert haben. Einer der beiden soll sich auch zur Durchführung von...

DWN
Politik
Politik Kampf am Himmel: Ukrainische Verteidiger unter Druck
18.04.2024

Die militärische Lage der Ukraine verschlechtert sich weiter. Es fehlen Mittel, Soldaten und Luftabwehrsysteme, um sich gegen neue...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Halving: Die nächste Evolutionsstufe im digitalen Geldsystem
18.04.2024

Am 20. April 2024 ist es wieder soweit: Das nächste Halving steht vor der Tür. Doch um was geht es bei diesem Event, auf das die...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wirtschaftsstandort Deutschland: 7 Maßnahmen, die den Wohlstand sichern
18.04.2024

Kein Wirtschaftswachstum, Fachkräftemangel, Bürokratie und hohe Energiekosten: Die deutsche Wirtschaft hat viele Baustellen. Im aktuellen...