Finanzen

Märkte stürzen ab: Gigantischer Stabilisierung-Versuch der Fed verfehlt sein Ziel

Die amerikanische Notenbank Federal Reserve hat versucht, die Märkte zu stabilisieren. Doch sie ist gescheitert.
16.03.2020 18:00
Aktualisiert: 16.03.2020 18:00
Lesezeit: 3 min
Märkte stürzen ab: Gigantischer Stabilisierung-Versuch der Fed verfehlt sein Ziel
Ein verzweifelter Aktienhändler an der New Yorker Börse. (Foto: dpa) Foto: Mark Lennihan

Für den morgigen Dienstag und Mittwoch ist eine reguläre zweitägige Sitzung der amerikanischen Notenbank Federal Reserve anberaumt. Allerdings hat bereits am gestrigen Sonntag eine Sondersitzung des für die Geldpolitik (unter anderem die Festlegung der Leitzins´) zuständigen Fed-Offenmarkt-Ausschusses stattgefunden. Die dort beschlossenen Maßnahmen sind von präzedenzloser Größenordnung und Tragweite: Der Offenmarkt-Ausschuss ist mindestens in Bezug auf das Timing und die Signalwirkung spektakulär gescheitert.

Das Fed senkte das Zielband für Federal Funds um einen vollen Prozentpunkt auf 0 bis 0.25 Prozentpunkte. In einer einzigen Aktion ging die Zentralbank also auf das Minimum dessen, was sie als vernünftig erachtet. Im Herbst 2019 hatte Fed-Chef Jerome Powell nach einer extensiven internen Studie verkündet, dass die Fed Negativzinsen für die Vereinigten Staaten als nicht zielführend erachtet, und stattdessen in Krisensituationen mit Anleihekäufen eine quantitative Lockerung betreiben würde.

Dieser Satz von 0 bis 0.25 Prozent wird gemäß der Presseerklärung der Fed beibehalten, bis sich die Wirtschaftslage erkennbar bessert. Zusätzlich gab die Zentralbank bekannt, dass sie für mindestens 700 Milliarden Dollar zusätzliche Papiere ankaufen würde. Dabei entfallen mindestens 500 Milliarden auf Staatsanleihen mindestens 200 Milliarden auf Hypotheken-besicherte Schuldverschreibungen („Agency Debt“) der beiden staatlichen Einrichtungen für Hypothekenkredit-Vergabe.

Mit der Zinsreduktion werden indirekt die Zinskosten für Kreditnehmer der Banken gesenkt werden. Die Geschäftsbanken werden ihren Standardsatz für erstklassige Kunden (‚prime rate’) entsprechend anpassen. Die hohen zusätzlichen Käufe von Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Schuldverschreibungen werden zusätzlich die Zinssätze entlang der ganzen Zinskurve absenken. Zumal der Offenmarkt-Ausschuss die Zusicherung gegeben hat, dass die niedrigen Kurzfristzinsen lange beibehalten werden.

Über diese drei Kern-Elemente der Geldpolitik hinaus hat die Fed zusätzlich weitere Maßnahmen angekündigt. Sie senkt den Mindestreservesatz für die Geschäftsbanken auf null Prozent, wirksam ab dem 26. März. Der Mindestreservesatz begrenzt die Kreditvergabe relativ zu den Einlagen der Banken. Und sie erlaubt den Geschäftsbanken und ermutigt sie, ihre in den vergangenen Jahren aufgebauten Risikopuffer (Kapital- und Liquiditätspuffer) für die zusätzliche Kreditvergabe einzusetzen. Damit ist praktisch jede quantitative Begrenzung für kurz- und mittelfristige zusätzliche Kreditvergabe der Banken aufgehoben. Denn die Banken in den USA sind sehr gut kapitalisiert und haben große oder erhebliche Risikokapital-Puffer in Form von Eigenkapital und Liquidität aufgebaut. Die Banken vergeben in den USA vor allem Kredite an kleine und mittlere Unternehmen. Und sie verbriefen anschließend die Kredite großenteils und platzieren sie im Kredit- und Kapitalmarkt. Beides – direkte Kreditvergabe und Verbriefung – sollen somit unterstützt werden.

Schließlich sichert die Fed den Banken praktisch unbegrenzte Liquidität zu. Dies einerseits durch die Reduktion des Diskontsatzes. Dieser wird nicht nur um 100 Basispunkte (= ein Prozentpunkt) im Einklang mit dem Satz für Federal Funds, sondern um 150 Basispunkte (= 1,5 Prozent) auf 0.25 Prozent reduziert. Die Banken können sich somit billige und praktisch unbegrenzte Liquidität bei der Zentralbank beschaffen. Darüber hinaus hat die Fed in der vergangenen Woche die Liquidität am Repo-Markt, einem breiteren Geldmarkt als nur dem Interbanken-Markt, mit vielen Liquiditäts-Anbietern und -nachfragern aus dem Nichtbanken-Sektor in praktisch unbegrenzte Höhen katapultiert.

Schließlich hat die Fed auch internationale Liquidität geschaffen, indem sie Dollar- Swap-Linien mit diversen ausländischen Zentralbanken auflegte. Damit soll die Dollar-Knappheit im Ausland bekämpft werden.

Insgesamt hat damit die amerikanische Zentralbank praktisch das ganze Arsenal moderner Geldpolitik benutzt, und dies in quantitativ gewaltigem Ausmaß, um die Liquidität und um die Kreditvergabe des inländischen und teilweise des ausländischen Bankensystems zu unterstützen.

In seiner Begründung für diese Aktionen verweist der Offenmarkt-Ausschuss auf den Coronavirus-Ausbruch und seine negativen Effekte, sowie zusätzlich auf den Energiesektor, der stark unter Druck geraten ist. Da die Inflationsaussichten sich eher abgeschwächt hätten, nähme die Fed diese umfassende geldpolitische Lockerung im Rahmen ihres dualen Mandats vor. Das duale Mandat umfasst die Maximierung der Beschäftigung bei stabilen Preisen. Mit einer Ausnahme stimmten alle Mitglieder des Ausschusses für diese Beschlüsse. Die Abweichung bezog sich dabei nur auf den Umfang der Zinssenkung für Federal Funds.

Das ganze Maßnahmen-Paket ist in sich logisch und umfassend, aber extrem weitreichend. Dass es an einer Sondersitzung drei Tage vor dem ordentlichen Treffen verabschiedet worden ist, scheint dem Markt eine außerordentlich gefährliche imminente Situation zu signalisieren. Jedenfalls gingen am Montagmorgen in Asien und in Europa die Aktienkurse wieder in den freien Fall über. Und die amerikanischen Aktienindizes fielen um 12 Prozent und mehr, mit katastrophalen Kursverlusten für wichtige Titel.



Eines ist damit klar: Die Fed hat ihr Ziel nicht erreicht – die Märkte befinden sich immer noch im freien Fall. Timing und Signalwirkung der Maßnahmen haben ihr Ziel verfehlt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Wie schützt man seine Krypto-Wallet? CLS Mining ermöglicht Nutzern eine stabile tägliche Rendite von 6.300 €.

Der Kryptowährungsmarkt erholte sich heute umfassend, die Stimmung verbesserte sich deutlich. Meme-Coins führten den Markt erneut an....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Sie gehört zu den mächtigsten Frauen der EU: Jetzt geht sie auf Konfrontationskurs mit Trump
20.11.2025

Die Spannungen zwischen der EU und den USA erreichen einen neuen Höhepunkt. Donald Trump attackiert europäische Digitalgesetze, droht mit...

DWN
Technologie
Technologie Unser neues Magazin ist da: Deutschland digital – warum die Zukunft nicht warten kann
20.11.2025

Deutschland steht an der Schwelle zu einer digitalen Zeitenwende – doch wir zögern. Zwischen überbordender Bürokratie,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hohe Strom- und Arbeitskosten: LKW-Hersteller MAN baut 2.300 Stellen in Deutschland ab
20.11.2025

Der Lastwagen- und Bushersteller MAN will in Deutschland rund 2.300 Stellen abbauen. Belastend seien hohe Strom- und Arbeitskosten und der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen EU untersucht Google wegen möglicher „Herabstufung von Nachrichteninhalten“
20.11.2025

Brüssel nimmt Googles Anti-Spam-System ins Visier. Die EU vermutet, dass das Google-Ranking Nachrichtenwebseiten systematisch herabstuft...

DWN
Finanzen
Finanzen Ukraine-Hilfen: EU-Kommission rechnet mit möglichen Kriegsende bis Ende 2026
20.11.2025

Die EU plant weitere 135,7 Milliarden Euro Ukraine-Hilfe. Dabei basieren die Vorschläge der EU-Kommission zur finanziellen Unterstützung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stellenabbau auf Negativrekord: Beschäftigung in der Autobranche fällt auf Tief seit 2011
20.11.2025

Die Industrie steckt in einer schweren Krise: Besonders betroffen ist die Autobranche, aber auch im Maschinenbau gehen Tausende Jobs...

DWN
Politik
Politik Kampf gegen Klimawandel: Deutschland gibt eine Milliarde für Tropenfonds
20.11.2025

Deutschland hat bei der UNO-Klimakonferenz in Brasilien eine Milliarde Euro für den globalen Waldschutzfonds TFFF zugesagt. Wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Abwanderung deutscher Arbeitsplätze: Unternehmen verlagern Zehntausende Jobs ins Ausland
20.11.2025

Niedrigere Lohn- und Energiekosten, weniger Bürokratie und attraktivere Wettbewerbsbedingungen: Deutsche Unternehmen haben in den...