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15.04.2020 18:00
Die Corona-Krise könnte die US-Präsidentschaftswahlen entscheiden, wie DWN-Chefredakteur Hauke Rudolph in einer ausführlichen Analyse darlegt.
Fällt Texas, fällt auch Trump
US-Präsident Donald Trump (l) und AJ Louderback, Sheriff von Jackson County, Texas, bei einer Diskussionsrunde zum Thema Grenzsicherheit im Weißen Haus. (Foto: dpa)

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Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der amtierende Präsident, Donald Trump (Republikaner), und der ehemalige Vize-Präsident unter Barack Obama, Joe Biden (Demokraten), bei den US-Präsidentschaftswahlen am 3. November dieses Jahres gegeneinander antreten werden (darüber hinaus wird es noch eine Reihe anderer Kandidaten geben, die jedoch wegen des in den USA geltenden Mehrheitswahlrechts, das ein Zwei-Parteien-System begünstigt, nur theoretische Chancen auf den Sieg haben). Könnte das Corona-Virus einen entscheidenden Einfluss auf den Ausgang der Wahl nehmen?

Die Konjunktur brummt(e)

Tatsache ist, dass sich die US-Wirtschaft seit 2009 – bis zu Beginn der Corona-Krise im März dieses Jahres – kontinuierlich im Aufschwung befand; das entspricht der längsten Hochkonjunktur-Phase der amerikanischen Geschichte. Trump hat stets darauf hingewiesen, dass die guten Konjunkturdaten seiner Amtszeit auf seine kluge Wirtschaftspolitik zurückzuführen sind. Ob das stimmt, sei dahingestellt; immerhin ist die Staats-Verschuldung unter seiner Ägide stetig angewachsen (derzeit beträgt sie 105 Prozent des Bruttoinlandsprodukts [BIP]) und sind eine zunehmende Zahl von amerikanischen (Groß)Unternehmen überschuldet. Wie auch immer: Trumps Anhänger – und auch eine ganze Reihe von Wechselwählern sowie nicht wenige Demokraten – geben an, mit der Wirtschaftspolitik des Präsidenten zufrieden zu sein. Das zeigen Umfragen, die in den USA regelmäßig durchgeführt werden, um die Zustimmungsraten für den jeweiligen Präsidenten in den wichtigsten Politik-Bereichen zu ermitteln. Trumps durchschnittliche Zustimmungsrate im Bereich Wirtschaftspolitik für den Zeitraum vom 22. März bis zum 7. April dieses Jahres lag bei 52,8 Prozent, lediglich 41,8 Prozent der Bürger lehnten seine Wirtschaftspolitik ab. Trump könnte also sehr zufrieden sein - wenn da nicht Covid 19 wäre.

Die Corona-Krise hat das Potential, die Lage grundlegend zu verändern. Laut einer Umfrage der renommierten University of Chicago glaubt eine Mehrheit von führenden US-Ökonomen, dass ihrem Land eine schwere Rezession bevorsteht. Einer Analyse der Investmentbank Goldman Sachs zufolge, wird die amerikanische Wirtschaft im zweiten Quartal um nahezu ein Viertel (24 Prozent) einbrechen; der größte Rückgang, seit das BIP gemessen wird. Im zweiten Quartal dieses Jahres wird die Zahl der Arbeitslosen nach Schätzung der St. Louis Fed (eine der zwölf regionalen US-Notenbanken) auf fast 53 Millionen ansteigen. Eine unglaubliche Zahl. Sie würde bedeuten, dass 16 Prozent aller Amerikaner arbeitslos wären (nicht 16 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung). Je nachdem, wie viele Menschen man zur arbeitsfähigen Bevölkerung zählt, entspricht das 23 bis 32 Prozent.

Geringe Todesfall-Rate

Jetzt zu Corona selbst. Die Pandemie hat bislang etwas mehr als 20.000 Amerikanern das Leben gekostet, das heißt, circa einer von 16.000 US-Bürgern ist an Covid 19 gestorben. Das ist im Vergleich zu den meisten europäischen Ländern eine relativ geringe Todesfall-Rate. Als besonders katastrophal wahrgenommen wird die Krise vor allem deshalb, weil sie sich auf wenige heftig betroffene Gebiete konzentriert, vor allem die Nordost-Küste mit New York City und dem direkt an die Stadt anschließenden Bundesstaat New Jersey, weiterhin die Großstädte Chicago (Illinois), Detroit (Michigan) und New Orleans (Louisiana). In vielen – vor allem ländlichen – Gebieten, ist das Virus fast nicht existent, beispielsweise in weiten Gebieten von Texas, den Bundesstaaten des Mittleren Westens wie Nebraska, South Dakota und North Dakota, sowie den Rocky Mountain-Staaten Wyoming und Idaho.

Trumps Krisenmanagement wird bisher von einer (knappen) Mehrheit der Amerikaner abgelehnt: 50,7 Prozent halten es für schlecht, 46,8 Prozent für gut. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass Corona bei den Präsidentschaftswahlen ein wichtiger Faktor sein wird.

Allerdings wird eine große Rolle dabei spielen, welche Bundesstaaten von der Krise betroffen sein werden. Bisher waren es vor allem solche, die den bisherigen Umfragen zufolge (und traditionell) für den demokratischen Bewerber stimmen werden (von den oben genannten von Corona schwer getroffenen Staaten ist lediglich einer, nämlich Louisiana, ein Trump-Staat). Im Augenblick hat Trump in dieser Hinsicht also nicht besonders viel zu befürchten. Was aber wird geschehen, wenn sich das Virus auch auf solche Bundessaaten stärker ausbreitet, in denen Trumps Stammwähler leben?

Regionen und Einzelstaaten

Das sind erstens die Staaten des Mittleren Westens sowie die Rocky Mountain-Staaten, die zwischen dem Mittleren Westen und der Westküste liegen. Hier ist das Risiko für Trump relativ gering. Zum einen, weil das Virus in diesen dünn besiedelten Regionen noch nicht sehr präsent ist und sich voraussichtlich auch nicht sehr stark ausbreiten wird. Zum anderen, weil Trump in diesen Staaten eine solche starke Stammwählerschaft hat, dass selbst Corona-bedingte Verluste seinen Sieg dort nicht gefährden würden.

Stark ist Trump weiterhin in den Bundesstaaten des Südostens (gemeint sind die Südstaaten, die im Bürgerkrieg gegen die Nordstaaten kämpften; in den USA einfach „The South“ genannt). In dieser Region ist das Risiko für Trump etwas höher. Zwar genießt er hohe Popularitätsraten, aber zum einen ist das Virus hier schon stärker spürbar, zum anderen gehören breite Bevölkerungsschichten der Südstaaten zur Risikogruppe: Sie sind in finanzieller Hinsicht Teil der unteren Mittel-, teilweise sogar der Unterschicht, verfügen häufig über keine Krankenversicherung und sind wegen ihres ungesunden Lebensstils (viel fettiges Essen sowie hoher Tabakkonsum) oft gesundheitlich vorbelastet. Eine negative Entwicklung in Sachen Corona könnte Trump also durchaus Stimmen kosten. Allerdings ist davon auszugehen, dass der Amtsinhaber auch in dieser Region alle beziehungsweise die Mehrheit der Bundesstaaten gewinnen wird (an dieser Stelle sei noch einmal auf das Mehrheitswahlrecht hingewiesen – wie hoch ein Sieg in einem Bundesstaat ausfällt, spielt keine Rolle; auch bei einem noch so knappen Erfolg erhält der Sieger die Stimmen aller Wahlleute).

Interessant ist es, sich die umkämpften Staaten anzusehen, wo beim derzeitigen Stand der Dinge jeweils beide Kandidaten in etwa die gleichen Chancen auf den Sieg haben. Diese sechs Staaten sind Florida, Pennsylvania, North Carolina, Arizona, Minnesota sowie Wisconsin. Über eines darf sich Trump freuen, nämlich den Umstand, dass bislang in allen diesen Staaten sich das Virus relativ wenig ausgebreitet hat. Aber: Pennsylvania grenzt sowohl an New York als auch an New Jersey, also den beiden Corona-Hochburgen. Was Florida angeht: Dort gibt es eine Stadt, nämlich Miami, wo es vergleichsweise viele Corona-Fälle gibt. Und vor allem ist der sogenannte „Sunshine State“ als Rentnerparadies bekannt – fast exakt 20 Prozent der Einwohner sind 65 oder älter (in den gesamten USA sind es 14,9 Prozent), und in 15 der insgesamt 67 Kreise fallen sogar mehr als 25 Prozent der Einwohner in diese Altersgruppe. Erwähnenswert ist, dass sowohl Pennsylvania als auch Florida beides sehr einwohnerstarke und damit für die Wahl wichtige Bundesstaaten sind: Pennsylvania sendet 20 Wahlleute ins sogenannte „Electoral College“, das den Präsidenten wählt, Florida sogar 29 (insgesamt werden 538 Wahlleute bestimmt; Pennsylvania liegt zusammen mit Illinois auf dem geteilten 5./6. Rang der Bundesstaaten-Liste mit den meisten Wahlleuten, Florida nimmt gemeinsam mit New York State sogar den geteilten 3./4. Platz ein).

Sargnagel Texas?

Zum Schluss soll noch ein weiterer Bundesstaat betrachtet werden, und zwar der nach Kalifornien zweitbevölkerungsreichste (und nach Alaska flächenmäßig größte): Texas. Seit Jimmy Carter im Jahr 1976 hat kein Demokrat mehr den konservativen „Lone Star State“ gewonnen. Auch dieses Jahr ist Trump Favorit, sein Vorsprung ist allerdings überraschend gering. Die letzten fünf Umfragen zusammengerechnet, beträgt er lediglich 2,6 Prozent. Texas hat von allen Bundesstaaten die weitreichendsten Maßnahmen gegen das Virus getroffen und gerade mal einen Toten pro 90.000 Einwohner zu beklagen (zur Erinnerung: in den gesamten USA sind es 16.000). Gegenwärtig sieht es also nicht so aus, als ob die Corona-Ereignisse in ihrem Staat auf die Wahlentscheidung der Texaner eine große Rolle spielen würde. Aber: Sollte sich die Lage ändern, und sollte Texas daher mit seinen 39 Wahlleuten zum ersten Mal seit 44 Jahren wieder an die Demokraten gehen – dann könnte das der Sargnagel für Trumps Wiederwahl werden.


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