Politik

Staaten drohen zu kollabieren: Entwicklungsminister Müller fordert Entschuldung von Dritte-Welt-Ländern

Entwicklungsminister Gerd Müller fordert ein Schuldenmoratorium für von der Corona-Pandemie betroffene Dritte-Welt-Länder. Komme dies nicht zustande, drohe der Zusammenbruch ganzer Staaten. Eine Entschuldung von Dritte-Welt-Ländern hatte zuletzt der ehemalige Bankmanager Alfred Herrhausen gefordert.
15.04.2020 12:00
Lesezeit: 2 min
Staaten drohen zu kollabieren: Entwicklungsminister Müller fordert Entschuldung von Dritte-Welt-Ländern
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU). (Foto: dpa) Foto: Axel Heimken

Entwicklungsminister Gerd Müller fordert ein Schuldenmoratorium für 76 von der Corona-Pandemie betroffene Staaten.

“Ich werde beim Treffen der Weltbank-Gouverneure vorschlagen, diesen Ländern in einem ersten Schritt ihren Schuldendienst für ein Jahr zu stunden”, sagte der CSU-Politiker mit Blick auf die Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF). “Dabei setze ich vor allem auf die G20-Staaten”, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Es gehe um ein Volumen von rund 14 Milliarden Dollar. “Sollte das nicht ausreichen, wäre ein Schuldenerlass für die 47 am wenigsten entwickelten Länder der nächste Schritt”, sagte er.

Müller forderte eine Restrukturierung der Schulden für schwer getroffene Länder an der Schwelle zur Industrialisierung. Noch in diesem Jahr liefen in diesen Staaten Staatsanleihen im Umfang von 450 Milliarden Dollar aus. “Wenn wir hier nicht handeln und die Länder stabilisieren, wird es zu einem globalen Notstand mit hunderten Millionen Arbeitslosen und dem Zusammenbruch ganzer Staaten kommen”, warnte der Entwicklungsminister. Er zeigte sich zuversicht, dass sich auch China als größter Gläubiger in Afrika an einer Stundung beteiligen werde: “Aus China kommen auch erste positive Anzeichen, sich solidarisch zu verhalten und über ein Schuldenmoratorium verhandeln zu wollen.”

Viele Entwicklungs- und Schwellenländer würden durch den Abzug internationalen Kapitals leiden - bislang rund 100 Milliarden Dollar. Zudem seien die Währungen im Schnitt um 25 Prozent abgewertet worden und Lieferketten etwa bei Textilien und Rohstoffen zerbrochen, sagte der Minister. Länder wie Nigeria litten unter dem Zusammenbruch der Rohstoffpreise.

“Europa muss die Corona-Krise auch außerhalb der eigenen Mitgliedstaaten bekämpfen”, forderte Müller. Dies betreffe vor allem die unmittelbare Nachbarschaft der EU – “etwa im Krisenbogen um Syrien und in Nordafrika.” Der Libanon habe 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen und stehe kurz vor dem Staatsbankrott. Stark betroffen seien auch Tunesien, Marokko, Jordanien, Ägypten oder Äthiopien. “Deswegen brauchen wir wie in Europa auch für die Entwicklungsländer einen Schutzschirm, um das Zusammenbrechen von Staaten und Unternehmen zu verhindern.” Müller schlug vor, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) ein Stabilisierungsprogramm für die europäische Nachbarschaft und afrikanische Länder auflegt.

Müller warnte vor einem “globalen Notstand mit hunderten Millionen Arbeitslosen und dem Zusammenbruch ganzer Staaten”. Die Europäer dürften nicht nur an die Stabilisierung der eigenen Volkswirtschaften und die Eindämmung der Pandemie hierzulande denken. “Das Virus ist in allen Staaten angekommen und es trifft die Ärmsten am stärksten.”

In Äthiopien mit einer Einwohnerzahl von rund 100 Millionen Menschen gebe es etwa nur etwa 150 Intensivbetten. Deshalb müssten die Gesundheitssysteme rasch gestärkt werden. Die Corona-Entwicklung in Afrika liege zwei Monate hinter der in Europa. “Wenn wir unser Wissen teilen, können wir hoffentlich die schlimmsten Szenarien verhindern.”

Der letzte Deutsche, der sich für eine Entschuldung von Dritte-Welt-Ländern eingesetzt hatte, war der deutsche Bankmanager und Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erzeugerpreise sinken weiter: Energie drückt den Index
19.12.2025

Sinkende Energiepreise drücken die Erzeugerpreise in Deutschland weiter nach unten. Der Abstand zum Vorjahr wächst, während sich im...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ifo-Beschäftigungsbarometer sinkt weiter: Alarmzeichen zum Jahresende für den deutschen Arbeitsmarkt
19.12.2025

Trotz Konjunkturpaket kippt die Stimmung am Arbeitsmarkt: Das Beschäftigungsbarometer fällt weiter und signalisiert wachsende...

DWN
Politik
Politik EU sichert Ukraine-Finanzierung bis 2027 – Moskau spottet
19.12.2025

Die EU hat sich nach zähem Ringen auf eine Ukraine-Finanzierung bis 2027 geeinigt. Ein zinsloser Kredit über 90 Milliarden Euro soll...

DWN
Immobilien
Immobilien Baugenehmigungen steigen wieder: Eigenheime besonders gefragt
19.12.2025

Nach langer Flaute werden in Deutschland wieder deutlich mehr Wohnungen genehmigt. Vor allem bei Einfamilienhäusern zieht die Nachfrage...

DWN
Technologie
Technologie Lothar Schupet: Warum ich nach 23 Jahren BMW für ein chinesisches Startup verlassen habe
19.12.2025

Ein deutscher Topmanager verlässt nach 23 Jahren einen der mächtigsten Autokonzerne Europas und geht ausgerechnet zu einem chinesischen...

DWN
Finanzen
Finanzen USA Börsen: Überraschend deutlicher Rückgang der US-Inflation beflügelt die Aktienmärkte
18.12.2025

Die im letzten Monat überraschend stark abgekühlten US-Inflationsdaten befeuerten die Hoffnung, dass im Jahr 2026 weitere Zinssenkungen...

DWN
Politik
Politik Feuer und Tränengas: Tausende Bauern protestieren in Brüssel gegen Mercosur
18.12.2025

Feuer, Tränengas und Traktoren: Tausende Landwirte bringen Brüssels Europaviertel zum Chaos. Sie protestieren gegen das geplante...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlandfonds startet: Wie der Staat 130 Milliarden Euro private Investitionen lostreten will
18.12.2025

Deutschland braucht Wachstum, aber der Staat allein kann es nicht finanzieren. Die Bundesregierung setzt deshalb auf einen neuen Hebel: den...