Finanzen

Fed und EZB haben noch viel Spielraum beim Gelddrucken

Die Fed hat zuletzt Wertpapiere für rund 40 Milliarden Dollar pro Tag gekauft. Auch die EZB und andere große Notenbanken haben ihre Bilanzen massiv ausgeweitet. Doch die Erfahrungen aus Japan zeigen, dass es möglicherweise noch viel mehr Spielraum für weiteres Gelddrucken gibt.
21.04.2020 17:21
Aktualisiert: 21.04.2020 17:21
Lesezeit: 3 min
Fed und EZB haben noch viel Spielraum beim Gelddrucken
In Japan hat Haruhiko Kuroda gezeigt, dass eine Zentralbank auch mit einer extremen Bilanzsumme über lange Zeit überleben kann. (Foto: dpa) Foto: Gian Ehrenzeller

Die Bilanzen der Zentralbanken haben durch die massiven Wertpapierkäufe in den letzten Wochen neue Rekordniveaus erreicht. In der Theorie sollen die mit frisch gedrucktem Geld gekauften Wertpapiere irgendwann wieder an den Markt verkauft werden, sobald sich die Lage wieder beruhigt hat. Doch die letzte Finanzkrise hat gezeigt, dass dies schon bei im Vergleich kleineren Summen nicht geschieht. Denn zwar sind die Bilanzen nach der Krise vorübergehend wieder leicht zurückgegangen. Doch der Trend zu immer größeren Bilanzsummen scheint unaufhaltsam.

In der aktuellen Krise ist ein Abbau der Zentralbank-Portfolios noch viel unwahrscheinlicher, da der Kampf gegen die Corona-Pandemie Unternehmen und Staatshaushalte überall auf der Welt in beispielloser Weise belastet. "Sehen Sie sich nur an, wie lange die Erholung von der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 gedauert hat", sagt Torsten Slok, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Und jetzt nähmen die Zentralbanken Wertpapiere in ihre Portfolios auf "in einem Tempo, das um ein Vielfaches schneller ist".

Laut einer Analyse von Bloomberg haben die Zentralbanken der G7-Gruppe allein im März Papiere im Umfang von 1,4 Billionen Dollar gekauft. Das ist fast fünfmal so viel wie der bisherige monatliche Rekord vom April 2009. Die Fed hat angekündigt, bei Bedarf unbegrenzte Mengen an US-Staatsanleihen und hypothekarisch gesicherten Wertpapieren zu kaufen. Zudem kauft sie im großen Stil Anleihen von Unternehmen und Kommunen. In der Woche bis zum 15. April hat sie ihre Bilanz um etwa 41 Milliarden Dollar pro Tag ausgeweitet.

Auch die Zentralbanken in der Eurozone, in Japan und im Vereinigten Königreich haben ihre Wertpapierkäufe wieder ausgeweitet. Und die Zentralbanken von Kanada, Neuseeland, Australien haben zum ersten Mal große Käufe getätigt. Zwar werden die Käufe in den kommenden Monaten voraussichtlich etwas zurückgehen, wenn die Märkte wieder hinreichend liquide sind. Doch die große Bilanzausweitung wird weiter voranschreiten. Die Zentralbanken werden sich wieder darauf konzentrieren, die Kreditkosten der Staaten niedrig zu halten.

Können Zentralbanken unbegrenzt Geld drucken?

Globaler Vorreiter beim Gelddrucken war Japan. Daher können die dortigen Erfahrungen nun als Leitfaden beziehungsweise als Warnung dienen. Die Bank of Japan startete bereits im Jahr 2001 ein erstes QE-Programm (Quantitative Easing, quantitative Lockerung). Die Wertpapierkäufe im großen Stil waren eine Reaktion darauf, dass die Blasen auf den Aktien- und Immobilienmärkten geplatzt waren und sich eine starke Deflation anbahnte. Eine Deflation ist ein Problem für Schuldner - allen voran für den Staat, da die Zinslast real teurer wird.

Seitdem hat die japanische Zentralbank mehrere Versuche unternommen, Teile der erworbenen Wertpapiere wieder zu verkaufen und ihre Bilanz wieder auf ein normales Maß zu reduzieren. Doch stattdessen sah sie sich zu immer neuen Käufen gezwungen. Sie hält heute 43 Prozent des gesamten Bestands an japanischen Staatsanleihen. Zudem besitzt sie etwa 5 Prozent der japanischen Unternehmensanleihen und über seine Käufe von börsengehandelte Fonds auch etwa 5 Prozent des japanischen Aktienmarktes.

Die Bilanzsumme der Bank of Japan liegt heute bei 604 Billionen Yen (rund 5,2 Billionen Euro). Dies ist mehr als die jährliche Wirtschaftsleistung des Landes. Im Vergleich dazu sind die Federal Reserve mit etwa 30 Prozent des BIP und die EZB mit etwa 39 Prozent noch relativ bescheiden. Zwar hat die Fed angekündigt, künftig auch ETFs mit Unternehmensanleihen zu kaufen, darunter auch Schrottanleihen. Und auch bei der EZB wird dies diskutiert. Doch die beiden werden auf absehbare Zeit nicht annähernd das Niveau Japans erreichen.

Die Folgen des Gelddruckens

Als die großen Zentralbanken nach der Finanzkrise in nie dagewesenem Maß Geld druckten, warnten Kritiker, dies könne zu einer galoppierenden Inflation führen. Doch tatsächlich blieb die Inflation moderat. Denn während die Zentralbanken Geld druckten, wurde in der Folge der Finanzkrise auch viel Geld vernichtet, vor allem indem Kredite bei den Geschäftsbanken zurückgezahlt und weniger neue Kredite aufgenommen wurden. Dies könnte sich nun auf ähnliche Weise wiederholen.

Eine negative Folge der Rettungspolitik seit der Finanzkrise war die Erfahrung, dass Unternehmen und sogar Staaten gerettet werden, wenn sie in finanzielle Schieflage geraten. Dies reduzierte allenthalben den Anreiz zur verantwortungsvollen Planung, der zuvor darin bestanden hatte, dass man pleite gehen konnte und dies zu vermeiden suchte. Im Übrigen sagte die stellvertretende Fed-Chefin Richard Clarida kürzlich, dass solche Bedenken derzeit "keine relevanten Überlegungen" seien, da Corona "ein völlig von außerhalb kommenden Ereignis" sei.

Zwar haben die bisherigen Wertpapierkäufe in der Corona-Krise dazu beigetragen, die Kurse an den Finanzmärkte zu stabilisieren. Doch eben damit haben sie eine weitere langjährige Kritik an den Zentralbanken ins Rampenlicht gerückt: Wertpapierkäufe sind nichts anderes als staatliche Umverteilung. Sie bringen eine Rettung der Investoren auf Kosten der Allgemeinheit. Die Finanzmärkte werden stabilisiert, indem die Währungen verwässert werden - und zugleich steigt derzeit überall die Arbeitslosigkeit.

Die Bilanzen der weltweiten Notenbanken werden voraussichtlich weiter steigen und anschließend auch nicht wieder zurückgehen, sondern auf einem hohen Niveau verharren. Dies haben die Erfahrungen nach der Finanzkrise gezeigt, wo Versuche einer Reduzierungen immer wieder zu Marktturbulenzen führten und daher wieder abgebrochen wurden. "Wir müssen uns einfach an eine neue Welt gewöhnen, in der die Bilanzen der Zentralbanken viel größer sind", sagt Torsten Slok, Chefvolkswirt der Deutschen Bank.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Porsche-Aktie: 1.900 Stellen fallen weg
04.12.2025

Porsche verschärft seinen Sparkurs und fordert deutliche Zugeständnisse der Beschäftigten. 1.900 Stellen sollen bis 2029 wegfallen,...

DWN
Technologie
Technologie Lockerung der Gentechnik-Regeln im Supermarkt: Was Verbraucher jetzt wissen müssen
04.12.2025

Neue EU-Vorgaben aus Brüssel: Gibt es im Supermarkt bald keinen Hinweis mehr auf genveränderte Lebensmittel? Was sich für Obst, Gemüse...

DWN
Politik
Politik Durch Angriffe beschädigte Pipeline lässt den Ölpreis steigen
04.12.2025

Ein beschädigter Pipeline-Anleger im Schwarzen Meer lässt den Ölpreis scharf anziehen. Die Märkte reagieren nervös, denn geopolitische...

DWN
Politik
Politik Beiträge für Private Krankenversicherung steigen kräftig ab 2026
04.12.2025

Die Mehrheit der Privatversicherten muss kommendes Jahr höhere Beiträge für ihre Krankenkasse bezahlen. Die Branche rechnet mit...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Schweizer Rohstoffhändler wankt: Gunvor-Chef steigt aus – die Lehren aus Gunvors Buy-out
04.12.2025

Gunvor galt lange als diskreter Globalplayer im Ölhandel – bis der Flirt mit dem russischer Öl- und Gaskonzern Lukoil sowie Vorwürfe...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuer auf Kontoguthaben? Marktforscher wollen höhere Ausgaben anreizen
03.12.2025

Die Stimmung der deutschen Verbraucher bleibt auch beim Weihnachtsgeschäft auf dem Tiefpunkt: Das Land der Sparer hält das Geld zusammen...

DWN
Politik
Politik Falsche Daten, statistische Mängel: Deutsche Klimaforscher ziehen Studie zum Klimawandel zurück
03.12.2025

Falsche Wirtschaftsdaten zu Usbekistan, statistische Mängel: Nach einiger Kritik ziehen Klimaforscher eine Studie des Potsdamer Instituts...

DWN
Politik
Politik EU einig über Importstopp für Gas aus Russland - Kremlsprecher: "EU schadet sich selbst"
03.12.2025

Die EU will bis spätestens Ende 2027 vollkommen unabhängig von russischem Erdgas sein. Das sieht eine Einigung zwischen Vertretern der...