Deutschland

Wer Kindergeld haben will, sollte seine Kinder auch in Deutschland haben

Aus Deutschland fließen jährliche hunderte Millionen Euro an Kindergeld ins EU-Ausland. Die Kommunen beklagten zahlreiche Betrugsfälle. Doch der Bund und die Länder bleiben untätig.
21.04.2020 21:21
Aktualisiert: 21.04.2020 21:21
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Wer Kindergeld haben will, sollte seine Kinder auch in Deutschland haben
Ein Kugelschreiber liegt auf einem teilweise ausgefüllten Antrag auf Kindergeld. Die deutschen Behörden wollen stärker gegen Betrug beim Kindergeld vorgehen. (Foto: dpa) Foto: Jens B

In Deutschland leben zahlreiche EU-Bürger, die Kindergeld für Kinder beziehen, die angeblich in ihren Heimatländern wohnen und leben. Im Jahr 2018 sind über 370 Millionen Euro an Kindergeld ins EU-Ausland geflossen. Die Kommunen beklagten zahlreiche Betrugsfälle. Doch seitdem ist nichts passiert.

Die Zahl der Kindergeldbezieher hat nach Handelsblatt-Informationen bis Ende November 2019 einen Rekord erreicht. Die Leistung wurde demnach für 15,7 Millionen Kinder ausgezahlt. Das gehe aus einer Statistik der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit hervor. Seit 2017 ist die Zahl der Empfänger damit jedes Jahr um mehr als 300.000 gestiegen.

Die bis November ausgezahlte Kindergeldsumme erhöhte sich auf 35,4 Milliarden Euro, nach 33,8 Milliarden Euro im Vorjahr. Das hängt auch mit Erhöhungen des Kindergelds zusammen, die 2019 in Kraft traten. Im Juli stieg das Kindergeld für das erste und zweite Kind um zehn auf 204 Euro, für das dritte gibt es 210 Euro und für jedes weitere Kind 235 Euro monatlich. Der Statistik der Familienkasse zufolge ist die Zahl der ausländischen Kinder, für die Kindergeld gezahlt wurde, auf 3,16 Millionen weiter angestiegen. Im Vorjahr waren es rund drei Millionen, 2017 rund 2,8 Millionen. 7,4 Milliarden Euro Kindergeld gingen laut Handelsblatt an ausländische Empfänger.

Kindergeld zahlt der Staat bis die Kinder 18 sind oder bis sie ihre Ausbildung beendet haben. Für Eltern, die viel verdienen, lohnt sich eher der Kinderfreibetrag (7.620 Euro bei zusammenveranlagten Eltern pro Kind). Der Betrag wird vom zu versteuernden Einkommen abgezogen, so vermindert sich die zu zahlende Steuer. Der Computer im Finanzamt macht bei der Steuererklärung eine automatische sogenannte Günstigerprüfung und entscheidet, ob sich das Kindergeld oder der Freibetrag für die Eltern mehr rechnet.

Die aktuelle Corona-Krise bietet ein sehr günstiges Umfeld, um betrügerisch Kindergeld auf Kosten von Kindern zu beziehen. Denn es ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Kindergelder nicht den Kindern, sondern den Bedürfnissen und Plänen der Eltern zugute kommt. Seit der Ausweitung des Kinderzuschlags zur Unterstützung von Eltern in der Corona-Krise sind nach Angaben von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey fast 80.000 Online-Anträge auf die Familienleistung eingegangen. Viele Mitarbeiter in den Familienkassen arbeiteten jetzt daran, dass die Familien die Unterstützung erhielten, sagte die SPD-Politikerin. Kinderzuschlag bekommen Familien mit niedrigem Einkommen, das nur knapp über Hartz-IV-Niveau liegt. Abhängig von der Bedürftigkeit gibt es maximal 185 Euro pro Kind und Monat. Der Betrag wird monatlich gemeinsam mit dem Kindergeld überwiesen. Um Familien mit wegbrechenden Einkommen in der Corona-Krise zu unterstützen, gelten seit Anfang April befristet bis Ende September neue Berechnungsgrundlagen: Beim Antrag wird nur noch das Einkommen des letzten Monats geprüft, nicht das der letzten sechs Monate. Dadurch qualifizieren sich mehr Eltern für den Kinderzuschlag, so die dpa.

Bei all diesen Betrugs-Diskussionen muss allerdings darauf geachtet werden, dass EU-Ausländer, die sich Kindergeld erschleichen, dies im Rahmen von kriminellen Gruppen tun. Es geht also faktisch um organisierte Kriminalität, die es in jedem Land und innerhalb jeder ethnischen Gruppe gibt. Das Aussprechen einer rassistisch motivierten Kollektivschuld, zu der leider nicht wenige Bürger in Deutschland neigen, ist falsch und nicht hilfreich.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Debatte neu entfacht: Braucht die Erbschaftsteuer eine Reform?
13.09.2025

Im Bundeshaushalt fehlt das Geld, und immer wieder rücken dabei auch das Vermögen der Deutschen und eine gerechtere Besteuerung in den...

DWN
Technologie
Technologie IoT-Baumaschinen: Wie Digitalisierung die Baustelle verändert
13.09.2025

IoT-Baumaschinen verändern Baustellen grundlegend: mehr Effizienz, Sicherheit und Nachhaltigkeit. Wer nicht digitalisiert, riskiert...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Darf der Chef in mein Postfach? Urteil zeigt Grenzen für Arbeitgeber
13.09.2025

Arbeitsrecht im digitalen Zeitalter: Darf ein Arbeitgeber nach Ende des Arbeitsverhältnisses noch in das E-Mail-Postfach seiner...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kritik am Verbrenner-Verbot der EU: So nicht umsetzbar
13.09.2025

Das Verbrenner-Verbot der EU steht vor dem Scheitern: Käufer verweigern sich Elektroautos, Hersteller warnen vor unrealistischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende: WWF-Ranking sieht Brandenburg ganz vorn
13.09.2025

Die Energiewende schreitet ungleichmäßig voran – während Brandenburg laut Umweltverband WWF glänzt, hinken andere Länder hinterher....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lightcast-Bericht: KI-Kenntnisse treiben Gehälter massiv nach oben
13.09.2025

Wer KI beherrscht, kassiert kräftig ab: Laut einer globalen Studie steigern KI-Fähigkeiten das Gehalt um bis zu 43 Prozent – in manchen...

DWN
Panorama
Panorama Frost, Dürre, steigende Kosten: Weihnachtsbäume werden teurer
13.09.2025

Weihnachtsbäume stehen schon jetzt im Fokus: Frost, Trockenheit und steigende Kosten setzen Tannenbaumproduzenten unter Druck. Zwar gibt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tariftreuegesetz: Schutz vor Lohndumping – oder Gefahr für den Mittelstand?
13.09.2025

Das Bundestariftreuegesetz (BTTG) soll faire Bedingungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe schaffen. Kritiker warnen jedoch, dass vor...