Deutschland

Abwrackprämie ökonomisch unsinnig: Gibt die Politik dem Druck der Auto-Lobby nach?

Analyst Eric Heymann von der Research-Abteilung der Deutschen Bank spricht sich gegen eine Wiederauflage der Abwrackprämie aus.
14.05.2020 16:26
Lesezeit: 3 min
Abwrackprämie ökonomisch unsinnig: Gibt die Politik dem Druck der Auto-Lobby nach?
Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt im September 2019: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht am Mercedes-Stand mit Daimler-Vorstand Ola Källenius (r) und dem damaligen VDA-Präsidenen Bernhard Mattes. (Foto: dpa) Foto: Thomas Frey

Da die finanziellen Mittel des Staates zur Bekämpfung der Corona-Krise begrenzt sind, sollten sie dort eingesetzt werden, wo sie den höchsten Nutzen stiften oder möglichst große Teile der Schäden kompensieren, die durch den staatlich verordneten Lockdown entstehen. Anders als andere Sektoren wie die Gastronomie war und ist die Automobilproduktion in Deutschland nicht vom staatlichen Lockdown betroffen. Auch die Autohäuser haben inzwischen wieder geöffnet. Eine Abwrackprämie für Autos führt zudem zu Vorzieheffekten mit entsprechenden Rückgängen im nächsten Jahr sowie zu Mitnahmeeffekten, von denen vor allem Besserverdiener profitieren. Das wirtschaftliche Wohlergehen der deutschen Autohersteller hängt nur noch bedingt vom Autoabsatz in Deutschland ab. Und schließlich gibt es mit den Subventionen für Elektroautos bereits eine ökologisch ausgerichtete Kaufprämie.

Die Automobil-Industrie ist die umsatzstärkste Industriebranche in Deutschland und wichtiger Auftraggeber für viele andere Sektoren. Sie zahlt ihren Mitarbeitern überdurchschnittlich hohe Löhne und vereint mehr als 50 Prozent aller internen und externen Forschungs- und Entwicklungs-Aufwendungen in Deutschland auf sich. Die Branche ist damit ein wesentlicher Impulsgeber für den technischen Fortschritt. Es ist also durchaus verständlich, dass die Politik nervös wird, wenn die Automobil-Industrie in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät. Dies ist auch

in der Corona-Krise der Fall. Forderungen nach einer „ökologischen Abwrackprämie“ für Autos werden lauter. Als Blaupause dient die Abwrackprämie aus dem Jahr 2009, die in der Wirtschafts- und Finanzkrise die inländische Auto-Nachfrage angekurbelt und damit die Konjunktur gestützt hatte.

Wir halten eine Abwrackprämie in der Corona-Krise für keine gute Idee. Mehrere Gründe sprechen dagegen:

  • Es mag in der aktuellen Flut an Hilfsprogrammen und Schutzschirmen etwas untergehen, aber die finanziellen Mittel des Staates zu Bekämpfung der Corona-Krise sind begrenzt. Sie sollten daher dort eingesetzt werden, wo sie den höchsten Nutzen stiften oder möglichst große Teile der Schäden kompensieren, die durch den staatlich verordneten Lockdown entstehen. Die Automobilproduktion in Deutschland war und ist von diesem Lockdown nicht betroffen. Zwar hat sich die Branche für Produktionsunterbrechungen und die Einführung von Kurzarbeit entschieden, und zwar aus guten Gründen (zum Beispiel sinkende Nachfrage, Schutz der Mitarbeiter, Umrüstung der Fabriken). Diese Schließungen wurden jedoch nicht staatlich angeordnet, sondern waren unternehmerische Entscheidungen. Inzwischen sind auch die Autohäuser in Deutschland wieder für den Publikumsverkehr geöffnet; wer möchte, kann also ein Auto kaufen. Umfragen zeigen, dass ein Großteil der Kunden den geplanten Autokauf lediglich verschieben und nicht aufheben will. Dagegen sehen Teile der Politik jede Öffnungs-Perspektive in anderen Sektoren nach wie vor kritisch. Dazu zählt die Gastronomie, die mit dem Verweis auf Infektionsherde beim „Après Ski in Ischgl“ oder bei Starkbierfesten in Bayern pauschal über einen Kamm geschoren wird und vorerst geschlossen bleiben muss. In solchen Sektoren richtet der staatliche Lockdown immense wirtschaftliche Schäden an, ein Nachholen von verlorenen Umsätzen ist hier kaum möglich. Oftmals verfügen die Betriebe nicht über große Rücklagen und können ihren Mitarbeitern nicht das Kurzarbeitergeld aufstocken oder Löhne ohne eigene Einnahmen fortzahlen. Hier ist daher mehr staatliche Unterstützung sehr viel besser zu vertreten als in Sektoren, die nie geschlossen wurden.
  • Eine Abwrackprämie würde zu vorgezogenen Autokäufen führen. 2019 war in Deutschland aber bereits ein gutes Autojahr. 3,6 Mio. Pkw wurden neu zugelassen. Das war der beste Wert seit 2009, dem Jahr der (ersten) Abwrackprämie. Wenn also in diesem Jahr die Neuzulassungen durch eine Prämie zusätzlich angeheizt würden, wäre der Einbruch 2021 umso gravierender.
  • Eine Abwrackprämie führt zu Mitnahmeeffekten. Viele Kunden würden sich auch ohne Prämie ein Auto kaufen. Auch aus sozialpolitischer Sicht ist die Prämie daher problematisch, denn Neuwagenkäufer gehören in der Regel zu den Besserverdienern.
  • Das wirtschaftliche Wohlergehen der deutschen Automobilindustrie hängt nur bedingt vom Pkw-Absatz in Deutschland ab. 2019 produzierten deutsche Unternehmen weltweit mehr als 16 Millionen Pkw. Nur 2,5 Millionen davon setzten sie in Deutschland ab.
  • Was die ökologische Ausgestaltung der Abwrackprämie anbelangt, muss man festhalten: Es gibt bereits eine solche ökologische Kaufprämie in Deutschland. Der Kauf von Elektroautos und Plug-in-Hybriden wird subventioniert. Die Subvention wurde zum Jahr 2020 sogar erhöht. Staat und Autohersteller gewähren den Käufern von Elektroautos mit einem Listenpreis bis EUR 40.000 eine Förderung von 6.000 Euro

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, warnte im Bundestag, man dürfe bei allen Hilfsprogrammen nicht Maß und Mitte aus den Augen verlieren. Bei einer ökologischen Abwrackprämie für Autos sollte diese Forderung umgesetzt werden.

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