Politik

Corona-Krise: Abgeordnete sollten ihre „Diäten“ senken anstatt die Steuern zu erhöhen

Lesezeit: 2 min
15.05.2020 08:22  Aktualisiert: 15.05.2020 08:22
Die Bundestagsparteien werden früher oder später die Steuern erhöhen, um die Corona-Krise abzufedern. Dabei sollten sie eigentlich als gutes Beispiel vorangehen und die hohen "Diäten" der Abgeordneten senken. Das wäre wirklich ehrlich.
Corona-Krise: Abgeordnete sollten ihre „Diäten“ senken anstatt die Steuern zu erhöhen
So haben sich die "Diäten" der Bundestagsabgeordneten entwickelt. (Grafik: Bund der Steuerzahler)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Parteien im Bundestag sind sich oftmals uneins. Doch wenn es um die Erhöhung der sogenannten “Diäten” geht, herrscht im Regelfall ein breiter Konsens. Nun machte am 7. Mai 2020 die Nachricht die Runde, dass die Bundestagsabgeordneten angesichts der Corona-Krise auf eine automatische “Diätenerhöhung” verzichten möchten. Dafür haben sie offenbar erwartet, dass die deutsche Bevölkerung ihnen eine besondere Art der Wertschätzung entgegenbringt.

Die dpa meldet: “Wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise verzichten die Abgeordneten des Bundestages auf Geld: Die Parlamentarier beschlossen am Donnerstag einstimmig, dass die automatische Erhöhung ihrer Diäten in diesem Jahr ausgesetzt wird. ,Es ist das richtige Signal in einer schwierigen Zeit’, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, der wie die anderen Redner auf die teils dramatischen Einbußen für Arbeitnehmer und Selbstständige verwies.”

Diese Meldung kommt einer reinen Augenwischerei gleich. Denn aus einer Grafik des Bundes der Steuerzahler (BdSt) geht hervor, dass die “Diäten” seit dem Jahr 2005 ohnehin massiv angehoben wurden. Jeder Abgeordnete bekommt derzeit eine zu versteuernde Diät in Höhe von 10.083 Euro pro Monat. Als Vergleich: Der Durchschnittslohn in Deutschland liegt Statista zufolge bei 3.880 Euro (Brutto). Statista berichtet: “Betrachtet man alle Arbeitnehmer in Deutschland, also auch alle Arbeitnehmer in Teilzeit oder in geringfügiger Beschäftigung, lag das durchschnittliche Gehalt im gleichen Jahr bei rund 2.860 Euro im Monat.”

Kurzum: Die Bundestagsabgeordneten haben aufgrund der Corona-Krise keine Einschnitte bei ihren “Diäten” vorgenommen, sondern lediglich auf eine Erhöhung (!) ihrer “Diäten” vorübergehend verzichtet. Und dafür wollen die “Volksvertreter” tosenden Beifall. Das schließt ausnahmslos alle Parteien ein.

Dem BdSt zufolge ist die Bezahlung der Abgeordneten ohnehin nicht wirklich durchschaubar. “Denn neben der regulären Entschädigung gönnen sich die Volksvertreter eine Reihe versteckter Nebenleistungen, die den Wert des eigentlichen Politikersalärs noch übertreffen können”, so der Verband.

Deshalb sollte angesichts der Corona-Krise ernsthaft darüber nachgedacht werden, die “Diäten” der Abgeordneten und die Anzahl der Abgeordneten zu reduzieren. Denn nur dann würde man dem Wortlaut der “Diät” gerecht werden. Schließen sitzen aktuell 709 Abgeordneten im Bundestag, obwohl gesetzlich (!) nur 598 erlaubt sind.

Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, sagt in einem Interview mit dem Journalisten Andreas Herholz: “Wir müssen uns schon jetzt darüber klar sein, dass wir das größte demokratisch gewählte Parlament der Welt haben! Aktuell sitzen im Deutschen Bundestag 709 Abgeordnete, obwohl per Gesetz nur 598 vorgesehen sind. Je nach Wahlergebnis können es demnächst sogar mehr als 800 Abgeordnete werden (...) Bei einer Projektion von 800 Abgeordneten lägen wir bei 597 Millionen Euro allein an „aktiven mandatsbezogenen“ Kosten – damit meine ich die Kostenpauschale, die Mitarbeiterpauschale oder auch Zuschüsse für Krankheit und Pflege sowie Dienstreisen und vieles mehr. Das ist eine Steigerung von 64 Millionen Euro zu heute.”

Regierungsmitglieder, zum Beispiel Minister, beziehen für ihre Tätigkeit ein Gehalt, das sich an der Höhe von Beamtengehältern orientiert. Diese sind zuletzt am 1. März 2020 angestiegen, so die dpa. Ist ein Minister zugleich Bundestagsabgeordneter, wird sein Gehalt mit der Abgeordnetendiät verrechnet. Im Bundestag sind die Diäten zum bislang letzten Mal am 1. Juli 2019 angestiegen.

Hinzu kommt, dass die Bürger über Jahre hinweg dazu ermutigt wurden, Maßnahmen zur privaten Altersvorsorge zu treffen. Doch für die Bundestagsabgeordneten scheint das offenbar trotz der hohen Bezüge nicht zu gelten. “Besser wäre es jedoch, wenn nicht mehr die Steuerzahler, sondern die Abgeordneten selbst für ihre Pension privat vorsorgen müssten. Dazu wäre ein umfassender Systemwechsel erforderlich, da die Volksvertreter eigene Beiträge in ein eigens dafür eingerichtetes Versorgungswerk, eine private Rentenversicherung oder in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen müssten. Mehr Transparenz sofort und mittelfristig weniger Kosten für die Steuerzahler wären das erfreuliche Ergebnis”, schlägt der BdSt deshalb vor.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen DWN-Interview: Absicherung von Unternehmen – worauf kommt es an?
20.04.2024

Kleine und mittelständische Unternehmen sind sich ihrer Risiken oft nicht bewusst. Der Studienautor und Versicherungsexperte Daniel Dewiki...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Erdbeer-Saison in Deutschland beginnt - hartes Geschäft mit süßen Früchten
20.04.2024

Geschützt unter Folientunneln sind in Deutschland die ersten Erdbeeren der Saison gereift. Bisher zeichnet sich eine gute Ernte ab - doch...

DWN
Politik
Politik Einigung auf Solarpaket - das sind die Neuerungen
20.04.2024

Ein Maßnahmenpaket soll den Ausbau der Solarenergie in Deutschland beschleunigen. Es geht vor allem um weniger Bürokratie. Einen Bonus...

DWN
Technologie
Technologie Der Chefredakteur kommentiert: Kleiner Blackout - kein neuer Strom mehr in Oranienburg! Echt jetzt?
19.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Städtereisen neu entdeckt: Easyjet läutet Renaissance der Rollkoffer ein
19.04.2024

Vor genau 20 Jahren eroberte Easyjet mit seinen günstigen Flügen das Festland der EU. Der Start in Berlin-Schönefeld begann...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft G7-Außenministertreffen: Israel-Iran Konflikt überschattet Agenda
19.04.2024

Nach israelischem Angriff auf Iran: G7-Außenministertreffen auf Capri ändert Agenda. Diskussionen zu China und Cyber-Sicherheit werden...

DWN
Politik
Politik Forsa-Zahlen: Die Grünen unterliegen den Fliehkräften der Abwärtsspirale
19.04.2024

Und schon wieder eine Etage tiefer. Der Sog verstärkt sich und zieht die Partei Bündnis 90/Grüne immer weiter hinab in der Wählergunst....

DWN
Technologie
Technologie Sehnsuchtsort Mond – Wettlauf um Macht und Rohstoffe
19.04.2024

Forscher, Technologiefirmen und ganze Staaten streben nach neuen galaktischen Ufern. Der Mond lockt mit wertvollen Rohstoffen und dient...