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Corona-Hilfen: Mittelstand fordert Garantien von der EU-Kommission

Der größte europäische Mittelstandsverband erbittet von der EU-Kommission Garantien zum Erhalt von Corona-Hilfen. Mindestens 50 Milliarden Euro aus dem Recovery Fund müssten auch wirklich an den Mittelstand gehen. "Es darf nicht sein, dass Großunternehmen ihre strukturellen Schwierigkeiten, die schon vor der Corona-Krise bestanden, mit staatlichen Mitteln zur Bewältigung eben dieser Krise lösen", so der Verband.
22.05.2020 12:32
Lesezeit: 3 min
Corona-Hilfen: Mittelstand fordert Garantien von der EU-Kommission
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, spricht während einer Pressekonferenz. (Foto: dpa) Foto: Etienne Ansotte

35 nationale Mittelstandsverbände haben vor wenigen Tagen einen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gerichtet. Die Mehrzahl der Verbände gehört dem Mittelstandsdachverband European Entrepreneurs (CEA-PME) mit Sitz in Brüssel an, dessen Präsident Mario Ohoven ist.

In dem Brief, der exklusiv den Deutschen Wirtschaftsnachrichten vorliegt, machen die Verbände auf fehlende Auflagen für die EIB Kreditgarantien und SURE Mittel aufmerksam. Auflagen würden garantieren, dass die Mittel auch wirklich bei Kleinen- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) und Selbstständigen ankommen. Die Mittelständler bitten von der Leyen, dass mindestens 50 Milliarden Euro aus dem Recovery Fund auch wirklich an den europäischen Mittelstand und nicht an die Großindustrie gehen. Kritik wird an Großunternehmen geübt:

"Sehr geehrte Frau Präsidentin,

Zuvorderst möchten wir der gesamten EU-Kommission unsere Anerkennung und unseren Dank aussprechen für die weitreichenden Bemühungen, die Sie und Ihre Kollegen unternommen haben, und die in vielen Punkten unseren Forderungen zur Bewältigung der Corona-Krise entgegengekommen sind. So begrüßen wir ausdrücklich die neuen Leitlinien zur Wiedereröffnung des Binnenmarktes und der Grenzen, um dieses Jahr eine für viele Mitgliedsländer ungemein wichtige Tourismussaison zumindest partiell zu ermöglichen. Damit wird in den betroffenen Regionen das wirtschaftlich Schlimmste verhindert.

Dennoch sehen wir bislang kaum Fortschritte bei zwei entscheidenden Punkten:

1. Noch sind mit den EIB Kreditgarantien und den SURE Mitteln keine Auflagen verbunden worden, die garantieren, dass diese Mittel auch wirklich den Selbstständigen und den kleinsten Unternehmen zugutekommen. Immer noch zögern Banken, den kleinsten Unternehmen Notkredite zu geben, erheben skandalöse Zinssätze und fordern zusätzliche Garantien – und das obwohl sie Zugang zu EIB- Garantien haben, die sogar eine hundertprozentige Absicherung ermöglichen.

Darüber hinaus unterstreichen wir nochmals, dass SURE den Selbstständigen nur helfen wird, wenn die Mitgliedsstaaten die „normalen Kriterien“ für den Anspruch auf Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld im Falle von Selbstständigen aussetzen. Wir verbinden damit die Bitte an Sie, entsprechende Auflagen bei der Vergabe der EIB-Garantien sowie die SURE-Mittel durchzusetzen. Im Ergebnis müssen mindestens 20 Prozent der EU-Mittel bzw. -Garantien zuerst und besonders die kleinsten Unternehmen und Selbstständigen sofort und unbürokratisch erreichen.

2. Als europäischer Mittelstand hegen wir unverändert die Erwartung eines großen KMU- Konjunkturprogramms. Hierdurch kann den am stärksten betroffenen – nach unserer Schätzung mindestens fünf Millionen – kleinen und mittleren Unternehmen jetzt eine zweite Chance geboten und ein Neuaufstellen nach der Krise ermöglicht werden, bevor sie Insolvenz anmelden müssen. Eine Insolvenzrate von 20 Prozent und mehr kann sich Europa nicht leisten, weder wirtschaftlich noch politisch.

Auch dies verbinden wir mit einer dringenden Bitte an Sie: Die Mittel des Recovery Funds, die Sie jetzt für den wirtschaftlichen Wiederaufbau vorschlagen werden, müssen vorrangig – mit einem Volumen von mindestens 50 Milliarden Euro – an den europäischen Mittelstand gehen, und eben nicht an die Großindustrie. Es darf nicht sein, dass Großunternehmen ihre strukturellen Schwierigkeiten, die schon vor der Corona-Krise bestanden, mit staatlichen Mitteln zur Bewältigung eben dieser Krise lösen. Dazu zählen etwa neuerliche Verschrottungsprämien oder Teil-Verstaatlichungen von vorher schon maroden Unternehmen.

Jetzt in den Mittelstand zu investieren heißt sicher zu stellen, dass Millionen Unternehmen die Chance erhalten, ihre Digitalisierung voranzutreiben, neue Produkte, Dienstleistungen und Prozesse aufzulegen, neue Märkte zu erobern und neue Kunden oder Partner zu gewinnen. In der Not und mit einer kleinen Hilfe von außen, wie wir sie fordern, machen Mittelständler aus kreativen Ideen erfolgreiche Geschäftsmodelle in kürzester Zeit. So schaffen wir es, wie schon während und nach der Finanzkrise 2008 bis 2013, Mitarbeiter solange wie möglich weiter zu beschäftigen und als erste wieder neue Arbeitsplätze zu schaffen. Seit 2015 sind 80 Prozent der neuen Arbeitsplätze in Europa in KMUs entstanden, auch wenn der Mittelstand „nur“ 60 Prozent der Wirtschaftskraft ausmacht.

Der europäische Mittelstand benötigt und erwartet zu Recht intensivere Unterstützung durch staatliche Beihilfen als Großunternehmen. Um die Konjunktur anzukurbeln, braucht der Mittelstand von der Europäischen Kommission direkt gemanagte, nicht zurückzahlbare Beihilfen – kleine feste Beträge, ohne Ko-Finanzierung, aber für eine signifikante Anzahl von Unternehmen. Dabei werden die De Minimis Regeln überhaupt nicht tangiert. Und dennoch wird die Wirkung frappierend sein.

Denken Sie bitte immer daran: Der Mittelstand ist die Herzkammer der europäischen Wirtschaft.

European Entrepreneurs CEA-PME, der größte freiwillig organisierte Verband für kleine und mittelständische Unternehmen, zusammen mit der European Small Business Alliance (ESBA) und dem tschechischen Mittelstandsverband AMSP, insgesamt also 35 Mittelstandsverbände in ganz Europa, fordern Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen auf: Gehen Sie dieses Mal neue Wege gemäß den Prinzipien der EU Think Small First! Legen Sie bitte eiligst ein „Reload SME Programm“ auf!

Der europäische Mittelstand bleibt in dieser Herausforderung verlässlich an Ihrer Seite!

Mit herzlichen Grüßen

Mario Ohoven Prof. Maurizio Casasco David Caro Karel Dobeš Präsident Erster Vize-Präsident Präsident Präsident European Entrepreneurs European Entrepreneurs ESBA AMSP (CZ) und von und Präsident von und Vorstandsmitglied Der Mittelstand/BVMW e.V.(D) CONFAPI (I) Flock Association of Europe

European Entrepreneurs CEA-PME Confédération Européenne des Associations de Petites et Moyennes Entreprises President: Mario Ohoven, First Vice-President: Prof. Dr. Maurizio Casasco, Vice-Presidents: Valérie Guimard, Marina Kaas, Patrick Meinhardt, Secretary General: Walter Georg Grupp, Managing Director: Stefan Moritz, Treasurer: Stephan Blahut"

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