Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BMVW), hat den Plan der EU-Kommission für ein europäisches Konjunkturprogramm im Umfang von 750 Milliarden Euro scharf kritisiert.
„Der Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, ein europäisches Hilfspaket im Volumen von 750 Milliarden Euro zu schnüren, ist angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland unverantwortlich. Geplant ist eine massive Schuldenaufnahme über den europäischen Haushalt, bei dem Krisenstaaten wie Italien und Spanien teilweise direkte und nicht rückzahlbare Zuschüsse erhalten sollen“, sagte er den Deutschen Wirtschaftsnachrichten.
Zu den Folgen für den Mittelstand führt Ohoven aus: „Für den deutschen Mittelstand ist eine Vergemeinschaftung der Schulden durch die Hintertür absolut inakzeptabel, gerade in Zeiten der Krise. Denn finanziert werden die Zuschüsse letztlich von deutschen, niederländischen, österreichischen und schwedischen Steuerzahlern, die perspektivisch ohnehin stark durch den Abbau der nationalen Schulden durch die Coronakrise belastet sein werden. Kurzum: Warum deutsche Steuerzahler für die im Durchschnitt wohlhabenderen italienischen Steuerzahler den Gürtel enger schnallen sollen, ist nicht einzusehen.“
Ein großer Teil der Milliarden stamme zudem aus der Druckerpresse. „Und die Behauptung, die Zentralbanken verfügten über Instrumente, um diese Summen wieder einzusammeln, trifft nicht zu. Die Lösung für eine zukunftsfähige Eurozone kann nicht in der gemeinsamen Flucht in die roten Zahlen liegen. Das geplante Hilfspaket gefährdet den Zusammenhalt der EU und die Bereitschaft der stabilitätsorientierten Länder, einen angemessenen Beitrag für den mittelfristigen Finanzplan der Jahre 2021 bis 2027 zu leisten“, kritisiert der Mittelstands-Chef.
Der Bund der Steuerzahler sieht das ähnlich. „In letzter Konsequenz haben wir eine Vorstufe von gemeinschaftlichen Schulden“, sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel dem Portal t-online.de. Er sprach von einer Vernebelung der Tatsachen und einem Weichklopfen von Steuergeldern. Besser wäre zunächst eine „knallharte Bedarfsanalyse“ der EU-Staaten, ehe Geld aus Brüssel fließt.
Auch die Idee einer neuen Digitalsteuer lehnt Holznagel ab. „Der Glaube, dass große Digitalkonzerne wie Google oder Amazon die Kosten für eine solche Steuer nicht in Form von Preisen an die Verbraucher weiterreichen, ist naiv“, sagte er. „Die Steuererhöhung wird uns voll treffen.“ Zudem stehe der EU kein Recht zur Steuererhebung zu.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte ihren Vorschlag für ein Wiederaufbauprogramm nach der Corona-Krise am Mittwoch präsentiert. So sollen 500 Milliarden Euro als nicht rückzahlbare Zuwendungen und weitere 250 Milliarden Euro als Kredite an Krisenstaaten fließen. Finanziert werden soll das Programm über Schulden, die die EU-Kommission mit Hilfe von Garantien der EU-Staaten aufnehmen und dann zwischen 2028 und 2058 über den EU-Haushalt zurückzahlen will. Helfen sollen neue eigene Einnahmen für die EU aus Steuern und Abgaben, etwa eine Digitalsteuer oder eine Plastikabgabe.
Die Einigung der EU-Staaten dürfte ein hartes Stück Arbeit werden. Am 19. Juni soll ein EU-Gipfel den Aufbauplan beraten, ebenso den von der EU-Kommission vorgelegten neuen Entwurf für einen siebenjährigen EU-Haushaltsrahmen in Höhe von 1,1 Billionen Euro. Nötig wäre Einstimmigkeit der 27 EU-Staaten sowie anschließend die Zustimmung nationaler Parlamente und des EU-Parlaments. Die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark haben jedoch Vorbehalte angemeldet.
EU-Haushaltsverhandlungen sind wegen der Interessenskonflikte immer extrem schwierig. Diesmal geht es nicht nur um das völlig neuartige und schuldenfinanzierte Konjunkturprogramm. Ein Konfliktpunkt dürfte auch der Vorschlag sein, die Vergabe von EU-Mitteln an die Einhaltung von EU-Werten und Rechtsstaatlichkeit zu koppeln. Die EU-Kommission und auch Deutschland legen darauf großen Wert. Doch Ungarn und Polen wehren sich.