Politik

Keine Corona-Hilfen für Europa? Polen blockiert 750 Milliarden Euro

Polen hat Pläne der EU-Kommission zurückgewiesen, wonach das neue Konjunkturprogramm durch eine Ausweitung des Emissionshandels finanziert werden soll. Auch deshalb erwarten Insider die bisher "härtesten Gespräche in der EU-Geschichte".
18.06.2020 15:00
Lesezeit: 2 min
Keine Corona-Hilfen für Europa? Polen blockiert 750 Milliarden Euro
Mateusz Morawiecki, Ministerpräsident von Polen. (Foto: dpa) Foto: Tomasz Gzell

Am Freitag werden die Staats- und Regierungschefs der EU in einer Videokonferenz über das von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Konjunkturpaket beraten. Eine Finanzierung dieses 750 Milliarden Euro schweren Pakets mithilfe von Einnahmen aus dem Emissionshandel, wäre "absolut inakzeptabel", sagte im Vorfeld die polnische Entwicklungsministerin Jadwiga Emilewicz.

Die Europäische Kommission hat die Einnahmen aus dem Emissionshandel, den sie künftig auf weitere Industriezweige wie die Schifffahrt ausweiten will, als eine von mehreren Geldquellen benannt, die sie bei der Rückzahlung der Schulden nutzen will, die zur Finanzierung des neuen Konjunkturpakets aufgenommen werden müssen.

Polen ist jedoch strikt dagegen, die Einnahmen aus dem Emissionshandel zur Rückzahlung der Kredite zu verwenden. In einem Interview mit der Financial Times sagte die polnische Entwicklungsministerin Jadwiga Emilewicz, eine Erhöhung der CO2-Steuern würde die Wirtschaft ihres Landes unfair belasten, da diese fast 80 Prozent ihres Stroms aus Kohle erzeugt.

Kohle-Wirtschaft wurde in Moskau beschlossen

Die steigenden Preise für Emissionszertifikate - zwischen 2017 und 2019 haben sie sich versechsfacht - würden die polnische Unternehmen wettbewerbsunfähig machen, so Emilewicz. Polen dürfe nicht für einen Kohlesektor bestraft werden, der die Folge von einstigen planwirtschaftlichen Entscheidungen in der Sowjetunion ist.

"Es war Ende der 1960er Jahre nicht unsere Entscheidung, immer stärker in Kohle zu investieren und Kraftwerke auf Kohlebasis zu betreiben", so die Ministerin. "In Moskau wurde beschlossen, dass wir vom Bau von Atomkraftwerken ausgeschlossen werden, während die Tschechoslowakei oder Ungarn dies tun konnten." Statt über den Emissionshandel sollte die EU ihre Einnahmen auf anderem Wege steigern.

Emilewicz nennt etwa eine mögliche Steuer auf digitale Plattformen, für die sich Polen schon länger einsetzt, oder die Beseitigung von Hindernissen im Binnenmarkt, insbesondere für Dienstleistungen. Polen hat schon in der Vergangenheit gesagt, dass die Aufhebung von Barrieren im Binnenmarkt das Bruttoinlandsprodukt der EU jährlich um bis zu 300 Milliarden Euro steigern könnte.

Laut Schätzungen der EU könnte der Emissionshandel jährlich bis zu 10 Milliarden Euro einbringen. Daher betrachtet die Kommission dies als eine der realistischsten Quellen für neue Finanzmittel. Doch die Verhandlungen über neue Finanzierungsmöglichkeiten für die EU dürfte schwierig werden, da dabei die Zustimmung aller Mitgliedsstaaten erforderlich ist.

"Die härtesten Gespräche in der EU-Geschichte"

Polens Europaminister Konrad Szymanski sagte am Mittwoch gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur PAP, dass die Gespräche über den Konjunkturfonds und den nächsten Mehrjahreshaushalt der EU wahrscheinlich die "härtesten in der Geschichte der EU" sein werden, da die Interessen der Mitgliedsstaaten "noch nie so widerstrebend" gewesen seien.

Polen soll der dritthöchste Empfänger des EU-Wiederaufbaufonds werden, der sich aus 500 Milliarden Euro an Zuschüssen und 250 Milliarden Euro an Darlehen zusammensetzt. Polnischen Medienberichten zufolge soll sich der Anteil Polens auf 37,7 Milliarden Euro an Zuschüssen und 26,1 Milliarden Euro an Darlehen belaufen.

Nach Ansicht der Regierung in Warschau ist das Verhältnis zwischen Zuschüssen und Darlehen "gut genug". Es sei nicht notwendig, die Darlehen mit Bedingungen zu verknüpfen, wie es einige nordeuropäische Länder gefordert haben, so Emilewicz. "Es ist jetzt definitiv nicht der Zeitpunkt, Geld zu sparen.".

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN-Wochenrückblick

Weniger E-Mails, mehr Substanz: Der DWN-Wochenrückblick liefert 1x/Woche die wichtigsten Themen kompakt und Podcast. Für alle, deren Postfach überläuft.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

DWN
Politik
Politik Teure Mieten, hohe Steuern, weniger Kinder: Auswanderungen aus Deutschland weiterhin auf hohem Niveau
29.12.2025

Nach wie vor wandern sehr viele Menschen aus Deutschland aus, gleichzeitig bekommen Deutsche immer weniger Kinder: Eine fatale Entwicklung...

DWN
Finanzen
Finanzen Strategische Aktienauswahl: Diese 4 Kriterien führen zu langfristigem Anlageerfolg
29.12.2025

Die richtige Aktienauswahl entscheidet langfristig über Erfolg oder Misserfolg an den Märkten. Doch welche grundlegenden Kriterien sind...

DWN
Technologie
Technologie MAN Engines modernisiert V12-Gasmotor: Technische Anpassung an globale Emissionsregeln
29.12.2025

Bewährte industrielle Antriebssysteme stehen angesichts globaler Emissionsvorgaben unter wachsendem Anpassungsdruck. Wie MAN Engines...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktien Ukraine-Wiederaufbau: Diese Unternehmen warten auf ein Ende des Krieges
28.12.2025

Die Märkte reagieren überraschend empfindlich auf jede Erwartung eines Waffenstillstands und verschieben Kapital von Rüstungswerten hin...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Wendepunkt: Wie die wirtschaftliche Neuordnung gelingt
28.12.2025

Deutschland steht vor einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Neuordnung, in der Investitionen und geopolitische Risiken zugleich bewältigt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Teamführung 2026: Was Führungskräfte jetzt wirklich brauchen
28.12.2025

Viele Führungskräfte starten 2026 mit neuen Vorsätzen – doch der Alltag frisst schnell jede Veränderung. Welche Self- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Über den Wolken: Sky City 1000 – eine Zukunftsvision gegen Wohnraummangel
28.12.2025

Die japanische Hauptstadt Tokio wächst – schneller als die Stadt es verkraftet. Allein 2024 kamen zehntausende Menschen hinzu, im...

DWN
Technologie
Technologie Batteriespeicher: Warum RWE den Takt für Europas Netze vorgibt
28.12.2025

Ein deutscher Energiekonzern baut in Wales den größten Batteriespeicher Großbritanniens und verschiebt damit die Kräfteverhältnisse in...