Finanzen

Wertvoller als Volkswagen und Co.: Wie kommt es zum absurden Aktienkurs von Tesla?

Lesezeit: 4 min
11.07.2020 11:31
Tesla erwirtschaftet seit Jahren durchweg Verluste in Milliardenhöhe. Der Aktienkurs steigt trotzdem immer weiter an – wieso?
Wertvoller als Volkswagen und Co.: Wie kommt es zum absurden Aktienkurs von Tesla?
Tesla-Gründer Elon Musk. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Zuerst ein kurzer Blick auf die aktuellen Geschäftszahlen und die Marktkapitalisierung von Volkswagen, Toyota und Tesla:

Volkswagen

Die VW-Gruppe konnte ihren Gewinn im vergangenen Jahr unterm Strich um 12,8 Prozent auf 13,3 Milliarden Euro steigern. Der Umsatz legte um 7,1 Prozent auf 252,6 Milliarden Euro zu.

Der VW-Konzern steigerte seine weltweiten Auslieferungen im Jahr 2019 um 1,3 Prozent auf 10.974.600 Fahrzeuge, berichtet Auto Motor Sport.

Die Marktkapitalisierung von Volkswagen beträgt derzeit etwa 72 Milliarden Euro.

Die Entwicklung des Aktienkurses mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre:

Toyota

Für Toyota gibt es noch keine verfügbaren Jahresergebnisse für das ganze Geschäftsjahr von April 2019 bis März 2020. Den letzten verfügbaren Zahlen für den Zeitraum zwischen April und September 2019 zufolge stieg der Konzernumsatz um 4,2 Prozent auf 15,29 Billionen Yen (126,33 Milliarden Euro), das Betriebsergebnis sogar um 11,3 Prozent auf 1,4 Billionen Yen (11,61 Milliarden Euro). Der Gewinn vor Steuern betrug 1,58 Billionen Yen (13,09 Milliarden Euro), was einem Zuwachs 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Der Nettogewinn hat um 2,6 Prozent auf 1,28 Billionen Yen (10,54 Milliarden Euro) zugelegt.

Der japanische Autokonzern konnte vergangenes Jahr weltweit rund 10,74 Millionen Fahrzeuge absetzen, was einem Plus von 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

Die Marktkapitalisierung Toyotas beläuft sich auf ungefähr 205 Milliarden US-Dollar (rund 181 Milliarden Euro).

Die Entwicklung des Aktienkurses mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre:

Tesla

Bezogen auf das Gesamtjahr 2019 verzeichnet Tesla einen Netto-Verlust von 862 Millionen US-Dollar, berichtet IWR. Im Gesamtjahr 2019 legte der Umsatz verglichen mit dem Vorjahr um etwa 15 Prozent auf 24,58 Milliarden US-Dollar zu.

Das Unternehmen setzte im Jahr 2019 weltweit rund 368.000 Autos ab, wie aus Daten von Statista hervorgeht.

Tesla hat derzeit eine Marktkapitalisierung von etwa 224 Milliarden Dollar.

Die Entwicklung des Aktienkurses mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre:

Analyse – wie kommt es zu der exorbitanten Bewertung Teslas?

Die relative Bewertung der drei Autobauer widerspiegelt extreme Annahmen bezüglich der regulatorischen und finanziellen Bedingungen. Sie geht davon aus, dass Verbrenner sehr rasch mit Abgaben belastet und von den Neuzulassungen verbannt und nur noch Elektro-PKW's gefördert und zugelassen sein werden. Anzeichen dafür gibt es, doch ihre Plausibilität ist längst nicht gesichert.

So haben die Demokraten im von ihnen kontrollierten Repräsentantenhaus einen Entwurf für eine Autopolitik eingebracht, welche ab 2035 nur noch Elektrofahrzeuge in den USA zulassen will. In der Zwischenzeit sollen solche massiv steuerlich subventioniert und die Umstellung auf Elektrofahrzeuge politisch maximal gefördert werden. Unter Präsident Trump besteht null Chance auf das Einschwenken auf eine solche Politik. Bei einem Wahlsieg des demokratischen Kandidaten Biden und einer Mehrheit der Demokraten im Kongress inklusive des Senats hingegen würde eine solche Weichenstellung durchaus plausibel erscheinen. Der raketenhafte Anstieg des Aktienkurses von Tesla kann als Reflexion der Wahlchancen der Demokraten bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen interpretiert werden.

Hierzu noch etwas Hintergrund: Tesla hat technologisch einen immensen Vorsprung bei Elektrofahrzeugen. Die Faktoren dahinter sind in Deutschland lange nicht verstanden worden. Eine gute, die alte Überheblichkeit über Bord werfende Analyse dazu gibt es in Auto-motor-und-sport.de. In diesem Artikel werden die autospezifischen Stärken und Schwächen von Tesla gut herausgearbeitet. Dass Tesla trotz Schwächen in der Verarbeitung und beim Service ohne Weiteres Potential hat, im Pool der traditionellen deutschen Premium-Kunden zu räubern, geht aus diesem Artikel gut hervor.

Was viele Autozeitschriften und Analysten komplett vernachlässigen, ist der wichtigste Punkt: Tesla ist nicht nur ein innovativer Autobauer, sondern ein integrierter Anbieter von Elektrizitätsproduktion, Ladelogistik und Mobilitätslösung, und zwar als Gesamtlösung.

In den USA leben rund zwei Drittel der Bevölkerung in freistehenden Einfamilienhäusern. Die Automobilität ist angesichts eines desolaten öffentlichen Verkehrs und des 'suburban sprawl' der unendlich wuchernden Agglomerationen mit solchen Einfamilienhäusern, mittelfristig nicht zu ersetzen. Bei dieser Bausubstanz und Verkehrssituation ist die Stromerzeugung über Solarpanels und die Elektromobilität die einzige Lösung, um den Verbrauch fossiler Energie drakonisch zu drosseln. Die globale Klimaerwärmung sorgt zusätzlich für eine erhöhte Effizienz dieser integrierten Technologie. Tesla braucht für sein Geschäftsmodell weder eine öffentlich geförderte Ladeinfrastruktur (hat eine eigene) noch eine Umstellung der gesamten Elektrizitätsproduktion weg von fossilen Brennstoffen, sondern bietet dies gleich mit an, und zwar für jeden einzelnen potentiellen Tesla-Kunden.

Der gleiche Trend ist übrigens in vielen Ländern vorgesehen. So hat die konservative Regierung im Vereinigten Königreich ebenso die Umstellung auf rein elektrische Autos beschlossen, dies ebenfalls bis 2035. Auch der Green Deal der Europäischen Union geht in die gleiche Richtung. Wenn regulatorisch derart drakonisch eine Abkehr vom Verbrenner und eine immense steuerliche Subventionierung von Elektroautos betrieben wird, dann sind die Absatz- und Gewinnzahlen bei Verbrennerautos in der Vergangenheit oder nahen Zukunft keinerlei Bewertungs-Maßstab für Aktien der Autobauer mehr. Dann zählt eben die Kapazität, Elektroautos zu produzieren und vor allem eine Gesamtlösung anbieten zu können. Genau dies reflektiert sich in der aktuellen Börsenbewertung der deutschen und globalen Autobauer gegenüber dem integrierten Elektro- und Mobilitätskonzern Tesla.

Das gesagt, gibt es zahlreiche Wenn und Aber und Fragen: Zuvorderst wer wird die Wahlen in den USA gewinnen? Wird dieses Programm der Demokraten dann umgesetzt werden? Wird die enorme Subventionierung des Tesla-Absatzes durch öffentliche Zuschüsse und des hoch defizitären Geschäftsmodells durch die Nullzinspolitik der Notenbanken langfristig weitergehen?

Eines muss festgestellt werden. Auch im Fall Tesla gibt es die normative Kraft des Faktischen: Die spektakulären Börsengewinne der Tesla-Aktie und die ultraniedrigen Finanzierungskosten für Tesla sorgen dafür, dass der amerikanische Autobauer bei Höchstpreisen neue Aktien ausgeben und sich darüber hinaus an den Kreditmärkten zu Niedrigstzinsen verschulden kann. Die Finanz- und Notenbankpolitik sorgt für eine immense Wettbewerbsverzerrung zugunsten des Innovators, der rücksichtslos regulatorische, fiskalische und finanzielle Arbitrage als Geschäftsmodell kultivieren kann.

Diese Artikel könnten Sie ebenfalls interessieren:

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/504325/Elon-Musk-nennt-seinen-Sohn-X-AE-A-Xii

deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/503445/Wird-Tesla-der-grosse-Gewinner-der-Corona-Krise


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Vor 20 Jahren: Größte Erweiterung der Nato - eine kritische Betachtung
29.03.2024

Am 29. März 2004 traten sieben osteuropäische Länder der Nato bei. Nicht bei allen sorgte dies für Begeisterung. Auch der russische...

DWN
Technologie
Technologie Viele Studierende rechnen mit KI-Erleichterungen im Joballtag
29.03.2024

Vielen Menschen macht Künstliche Intelligenz Angst, zum Beispiel weil KI Arbeitsplätze bedrohen könnte. In einer Umfrage stellte sich...

DWN
Politik
Politik Verfassungsgericht stärken: Mehrheit der Parteien auf dem Weg zur Einigung?
28.03.2024

Das Verfassungsgericht soll gestärkt werden - gegen etwaige knappe Mehrheiten im Bundestag in aller Zukunft. Eine Einigung zeichnet sich...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschlands maue Wirtschaftslage verhärtet sich
28.03.2024

Das DIW-Konjunkturbarometer enttäuscht und signalisiert dauerhafte wirtschaftliche Stagnation. Unterdessen blieb der erhoffte...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Lauterbach will RKI-Protokolle weitgehend entschwärzen
28.03.2024

Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, dass einige der geschwärzten Stellen in den Corona-Protokollen des RKI aus der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Brückeneinsturz in Baltimore trifft Importgeschäft der deutschen Autobauer
28.03.2024

Baltimore ist eine wichtige Drehscheibe für die deutschen Autobauer. Der Brückeneinsturz in einem der wichtigsten Häfen der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft „Made in Germany“ ist wieder gefragt - deutsche Exporte steigen deutlich
28.03.2024

Der Außenhandel in Deutschland hat wider Erwarten zu Jahresbeginn deutlich Fahrt aufgenommen. Insgesamt verließen Waren im Wert von 135,6...

DWN
Finanzen
Finanzen Der Ukraine-Krieg macht's möglich: Euro-Bonds durch die Hintertür
28.03.2024

Die EU-Kommission versucht, mehr Macht an sich zu ziehen. Das Mittel der Wahl hierfür könnten gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds,...