Politik

Chinesen besiedeln den Fernen Osten Russlands

China hat ein großes Interesse daran, die Rohstoffe im Fernen Osten Russlands zu erschließen. Daher siedeln sich immer mehr Chinesen dort an. Moskau ist beunruhigt.
09.08.2020 08:51
Aktualisiert: 09.08.2020 08:51
Lesezeit: 3 min
Chinesen besiedeln den Fernen Osten Russlands
Chinesen siedeln sich in Russland an. (Grafik: DWN/Google Maps)

Der russische Osten ist eine Region von strategischer Bedeutung und historischer Sensibilität. Diese eisige Region ist reich an natürlichen Ressourcen und beherbergt Russlands einzigen pazifischen Warmwasserhafen (Wladiwostok).

Die Region ist aus chinesischer Sicht sehr interessant. Die wirtschaftliche Entwicklung des russischen Fernen Ostens hat sich rasch vollzogen. Das chinesische Kapital machte im Jahr 2018 insgesamt 45 Prozent der gesamten Auslandsinvestitionen in der Regionalhauptstadt Chabarowsk aus. Etwas südlich in der Hafenstadt Wladiwostok hat chinesisches Geld das Gebiet in ein Touristenzentrum verwandelt.

In ähnlicher Weise hat China Interesse an Zentralasien als potenziellem Knotenpunkt für die Ausweitung der eurasischen Handelsströme gezeigt und hat sich im Rahmen seiner Neuen Seidenstraße Energieentwicklungs-, Transport- und Infrastrukturprojekte gesichert.

Bei der Durchführung dieser Projekte kämpft Peking jedoch mit der russischen „Territorialität“, da der Kreml befürchtet, dass Chinas Ambitionen in Zentralasien und Ost-Russland die russische Souveränität gefährden könnten, so das Council on Foreign Relations.

Chinas Exodus nach Ost-Russland

Seit dem Ende der Sowjetunion sind viele Bauern und Händler aus China nach Ost-Russland gezogen, um sich dort wirtschaftlich zu betätigen. Vor allem chinesische Bauern betätigen sich als Pächter von russischen Gebieten, weil die agrarwirtschaftlichen Flächen in China nicht ausreichen. Die russische Wirtschaft profitiert von der Wertschöpfung.

Doch die Präsenz der chinesischen Bauern, die russisches Land bewirtschaften sorgt auch für Unbehagen. Es wird befürchtet, dass eine „schleichende chinesische Übernahme“ im Osten Russlands stattfindet. Doch die russischen Bauern können die chinesischen Bauern nicht ersetzen. „Unsere eigenen Leute sind verdorben geworden. Die Männer trinken zu viel und wollen nicht arbeiten“, zitiert die New York Times Ljudmilla Voron, eine Stadtratsvorsitzende aus dem Jüdischen Autonomen Oblast Russlands, das sich direkt an der Grenze zu China befindet. Die Russen könnten viel lernen von den Chinesen. Die jüdische Oblast wurde in den 1930er Jahren von Stalin als Heimstätte für die Juden gegründet. Allerdings sind die meisten Juden mittlerweile nach Israel oder in andere Staaten ausgewandert. In ihrer Gemeinde gibt es 1.716 Russen, unter denen sich nur noch zwei jüdische Familien befinden.

„Es gibt hier eindeutig mehr Chinesen als Juden“, so Voron. Seit Putin erstmals im Jahr 1999 an die Macht kam wurde der Migrationsstrom aus China nach Russland unter Kontrolle genommen. Es wurde in Quotensystem für chinesische Arbeiter eingeführt. Doch die Behörden halten sich meistens nicht an die Regeln und die Korruption erschwert die Durchsetzung von Gesetzen. Obwohl Nationalisten vor einer Übernahme durch die Chinesen warnen, argumentiert der Fernost-Forscher von der Universität Wladiwostok, Iwan Zuenko, dass der Zustrom von Chinesen positiv sei. Es gehe nicht nur um den Zustrom von Bauern und Arbeitern aus China. „Moskau und St. Petersburg wissen nichts über den Fernen Osten und denken, dass alle Chinesen hierher kommen wollen. Doch die Einwohner im Osten erkennen, dass China Arbeitsplätze und Gehälter bedeutet“, so Zuenko.

Russland und China als Rivalen

In den vergangenen Jahrzehnten hat Chinas Einfluss so stark zugenommen, dass das Land Russland herausfordern kann - aber vorerst wird eine Partnerschaft immer noch bevorzugt. Obwohl Moskau angesichts der unzähligen chinesischen Projekte und der zunehmenden Zahl chinesischer Migranten in seinem Hinterhof vorsichtig ist, geht es derzeit leise mit seinen Unsicherheiten um, da es die Notwendigkeit von chinesischem Kapital und Fertigungskompetenz erkennt, um Ressourcen zu erschließen und die erforderliche Infrastruktur aufzubauen. China hat hingegen ein Interesse daran, russische Energieträger zu importieren, um seine Wirtschaft am Laufen zu halten.

Russische Geopolitiker sind sich der Tatsache bewusst, dass China gegen Russland aufbegehren wird, sobald die Regierung in Peking eine nationalistischere Politik betreibt. Deshalb vertieft Moskau vorsorglich seine Beziehungen zu Chinas Nachbarn, zu denen insbesondere Indien gehört.

Moskau wird auch seine wirtschaftlichen Beziehungen zu ehemaligen sowjetischen Verbündeten wie Vietnam und der Mongolei, die enge, aber komplizierte Beziehungen zu Peking unterhalten, weiter ausbauen. Und in Zentralasien versucht Russland, die wirtschaftliche Integration mit Kasachstan zu stärken.

„Das einzige fehlende Element in dieser Politik ist Japan. Für Russland wäre es sehr sinnvoll, die Beziehungen zu Japan in eine asiatische Version der Beziehungen Russlands zu Deutschland zu verwandeln“, so der Think Tank Carnegie Endowment in einem Bericht.

Der territoriale Streit um die Südkurilen-Inseln und das allgemeine Misstrauen des japanischen Volkes gegenüber Russland schränken jedoch ein ansonsten vielversprechendes Verhältnis ein.

Japans wachsende Besorgnis über China hat dazu geführt, dass sich die Regierung in Peking auf Washington stützt. Aus russischer Sicht ist diese Politik Japans konstruktiv, da es in Bezug auf die Ausbalancierung Chinas in der Region zu einem Ergebnis führt, das auch vom Kreml erwünscht ist.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...