Die EZB-Bankenaufsicht fordert die Geldhäuser im Euro-Raum angesichts der Virus-Pandemie weiterhin zum Verzicht auf Gewinnausschüttungen auf. Banken sollen Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufe nun bis zum 1. Januar 2021 aussetzen, wie die Europäische Zentralbank (EZB) am Dienstag in Frankfurt mitteilte. Bei den Boni für Manager sollten die Banken "extrem zurückhaltend" vorgehen. Bislang hatte die EZB an die Geldhäuser appelliert, bis mindestens zum 1. Oktober keine Gewinne auszuschütten. Die überarbeite Empfehlung sei befristet und eine Ausnahme. Banken sollten in der Corona-Krise in der Lage bleiben, Verluste zu verkraften und die Wirtschaft zu unterstützen, begründeten die Aufseher ihr Anliegen. Bei den Banken stieß die Empfehlung auf Kritik.
"Alle unsere Aufsichtsmaßnahmen und -schritte sind und werden weiter darauf ausgerichtet sein, sicherzustellen, dass der Bankensektor robust bleiben kann und die wirtschaftliche Erholung mit einem angemessenen Kreditangebot unterstützt," erklärte EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria in einem Blog-Beitrag. Auch in Großbritannien befasst sich die Aufsicht mit dem Thema. Die Bank von England kündigte an, sie werde untersuchen, ob die Aussetzung von Aktienrückkäufen und Dividendenzahlungen über 2020 hinaus verlängert werden soll. Die EZB will ihre Empfehlung im vierten Quartal überprüfen.
Der Aufbau starker Kapital- und Liquiditätspuffer seit der Finanzkrise habe Banken während der Corona-Pandemie in die Lage versetzt, weiterhin Kredite an Haushalte und Unternehmen auszureichen, sagte Enria. Das habe dazu beigetragen, die Wirtschaft zu stabilisieren. Daher sei es umso wichtiger, dass Geldhäuser diese Polster jetzt weiterhin nutzen, um sich auf dieses übergeordnete Ziel zu konzentrieren. "In der Zwischenzeit, und um Banken bei der Planung zu unterstützen, signalisieren wir eine allmähliche Rückkehr zur Normalität."
Bankenverbände üben Kritik
Deutsche Bankenverbände kritisierten die Empfehlung. "Aus unserer Sicht ist die Vorgabe der EZB zu undifferenziert, da sie de facto allen Banken, unabhängig von ihrer Ertrags- und Eigenkapitalsituation verbieten möchte, Dividenden zu zahlen oder eigene Aktien zurückzukaufen", sagte der Vorstand des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), Gerhard Hofmann. In das gleiche Horn stieß der deutsche Privatbanken-Verband BdB. "Die EZB hat alle erforderlichen Informationen, um einzelne Banken zu einem Ausschüttungsverzicht aufzufordern", sagte BdB-Hauptgeschäftsführer Christian Ossig. "Mit einer pauschalen Verlängerung und der möglichen Ausweitung in das Jahr 2021 werden insbesondere institutionelle Investoren unnötig verunsichert."
Die DZ Bank hält mit Blick auf die wirtschaftliche Lage und die eigene Kapitalausstattung eine Dividendenzahlung für das Jahr 2019 weiterhin für vertretbar. "Wir werden die Entscheidung der EZB prüfen und im Austausch mit unseren Eigentümern das weitere Vorgehen festlegen," sagte eine Sprecherin.
Die deutsche Finanzaufsicht BaFin betonte, dass Dividendenzahlungen nur sehr restriktiv gehandhabt werden sollten, spricht aber kein generelles Ausschüttungsverbot aus. "Nach Ansicht der BaFin sollten Dividenden nur ausgeschüttet werden, wenn das jeweilige Institut über eine nachhaltig positive Ertragsprognose verfügt und die Kapitalsituation auch in einer anhaltenden Stressphase weiterhin ausreichende Puffer ausweist", sagte eine Sprecherin.
Die EZB ist seit Herbst 2014 für die Kontrolle der großen Geldhäuser im Euro-Raum zuständig - darunter auch Deutsche Bank und Commerzbank. Bei den kleineren Banken teilen sich die EZB und die nationalen Aufseher diese Aufgabe.
EZB fordert bei Boni extreme Zurückhaltung
Die EZB war den Banken im März mit einer Reihe von Erleichterungen entgegen gekommen und hatte den Geldhäusern unter anderem erlaubt, ihre Kapitalpuffer anzugreifen. Diese müssen sie erst wieder auffüllen, nachdem die Kapitalaufzehrung durch die Corona-Krise ihren Höhepunkt erreicht hat. Über den Zeitplan soll nach dem 2021 vorgesehenen EU-weiten Bankenstresstest entschieden werden.
Die EZB will den Instituten erlauben, von bestimmten Kapitalvorgaben bis Ende 2022 und von einigen Liquiditätsvorgaben bis Ende 2021 abzuweichen. Manche Maßnahmen, die die EZB zu Krisenbeginn beschlossen hatte, werden aber nun zurückgenommen. So sollen beispielsweise Vorort-Inspektionen wieder aufgenommen werden.
Die Bankenwächter veröffentlichten darüber hinaus die Ergebnisse einer Analyse, die die möglichen Auswirkungen des Konjunktureinbruchs infolge der Corona-Pandemie auf die Banken abschätzt. In einem extremen Szenario würde danach die Kernkapitalquote (CET 1) der Institute bis Ende 2022 deutlich schrumpfen.