Politik

Gesetz gegen Unternehmens-Kriminalität kann nur dann funktionieren, wenn mehr Richter, Polizisten und Staatsanwälte eingestellt werden

Das Bundeskabinett hat unbemerkt von der Öffentlichkeit einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität beschlossen. Der Richterbund kritisiert: „Wenn die Bundesländer ihre Staatsanwaltschaften, Gerichte und Polizeibehörden nicht massiv verstärken, droht das Gesetz gegen Unternehmenskriminalität ein zahnloser Tiger zu werden.“
31.07.2020 14:58
Aktualisiert: 31.07.2020 14:58
Lesezeit: 1 min
Gesetz gegen Unternehmens-Kriminalität kann nur dann funktionieren, wenn mehr Richter, Polizisten und Staatsanwälte eingestellt werden
14.02.2020, Berlin: Christine Lambrecht (SPD), Bundesjustizministerin, sitzt kurz vor Beginn der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. (Foto: dpa) Foto: Bernd von Jutrczenka

Dem Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität zufolge müssen sich Unternehmen auf harte Strafen einstellen. Bisher zahlen Unternehmen für Vergehen wie Betrug höchstens Sanktionen von 10 Millionen Euro - unabhängig von der Größe. Für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro könnten den Plänen zufolge künftig bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes fällig werden.

Doch dem Deutschen Richterbund (DRB) zufolge mangelt es am Personal, um die Unternehmenskriminalität nachhaltig zu bekämpfen.

Sven Rebehn, DRB-Bundesgeschäftsführer, teilte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten mit: „Die Staatsanwaltschaften erledigen im Bereich der Wirtschaftskriminalität und Steuerstrafsachen jährlich etwa 150.000 Verfahren gegen Manager oder Mitarbeiter. Das von der Bundesregierung geplante Gesetz gegen Unternehmenskriminalität dürfte dazu führen, dass künftig in etwa jedem zweiten Verfahren zusätzlich eine Sanktion gegen das Unternehmen selbst zu prüfen sein wird. Bisher gehen die Behörden im Bußgeldverfahren in der Regel nur gegen Unternehmen vor, wenn diese sehr aufwendigen Ermittlungen Aussicht auf Erfolg haben. Die Ermessensspielräume des Bußgeldrechts haben sich in diesem Bereich durchaus bewährt. Um eine nun geplante Ermittlungspflicht gegen Unternehmen effektiv umsetzen zu können, braucht es angesichts der zu erwartenden Fallzahlen bundesweit rund 250 zusätzliche Stellen allein bei den Staatsanwaltschaften. Zudem ist eine weitergehende Spezialisierung erforderlich. Wenn die Bundesländer ihre Staatsanwaltschaften, Gerichte und Polizeibehörden nicht massiv verstärken, droht das Gesetz gegen Unternehmenskriminalität ein zahnloser Tiger zu werden.“

Das Justizministerium schlägt außerdem Regeln für interne Untersuchungen vor, mit denen Unternehmen selbst Fehlverhalten in den eigenen Reihen aufklären - häufig mit Hilfe von Anwaltskanzleien oder Wirtschaftsprüfern. Gut geführte Untersuchungen sollen bei späteren Sanktionen strafmildernd wirken können, falls bestimmte Standards eingehalten werden. Dazu müssen etwa Mitarbeiter auf ihr Recht zu schweigen hingewiesen werden und darauf, dass Auskünfte in einem Strafverfahren gegen sie verwendet werden könnten.

Die Badische Zeitung hatte im Juni 2020 ausgeführt:

„Das Bundeskabinett hat - entsprechend dem Koalitionsvertrag, aber weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität beschlossen. Interessenvertreter argumentieren, damit werde die Wirtschaft unter Generalverdacht gestellt. Das Argument zieht jedoch nicht. (...) Vielmehr schützen die Pläne der Regierung grundsätzlich gesetzestreue Firmen und deren Mitarbeiter. Bisher entscheiden nämlich die Staatsanwälte in den einzelnen Bundesländern, ob sie bei Verdachtsfällen - beispielsweise wegen Betrugs - überhaupt ermitteln. Der Firmensitz spielt also eine Rolle bei dem Risiko, ob man bei einer Straftat ertappt wird. Das ändert sich nun: Mit der geplanten Reform muss ermittelt werden. Sie sorgt also für Gleichbehandlung.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Open Source: Warum Gemeinschaftsprojekte die Basis für Innovation bilden

Was einst als Nischenphänomen engagierter Entwickler begann, ist heute ein globales Innovationsökosystem, das von Freiwilligen,...

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie KI im Fokus: Wie Künstliche Intelligenz das Gesundheitswesen günstiger machen könnte
22.10.2025

Künstliche Intelligenz verändert das Gesundheitswesen und könnte Diagnosen schneller und kostengünstiger machen. Besonders in der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Industrie: Was hinter dem Misstrauen gegenüber der Merz-Regierung steckt
22.10.2025

Die deutsche Industrie steht vor einem Nervenzusammenbruch: Energiepreise, Bürokratie und globale Konkurrenz rauben ihr die Perspektive....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Aktienmarkt: Warum die nächste Rekordrally näher ist als der Crash
22.10.2025

Nach den Kursstürzen an den Börsen herrscht Unruhe, doch die Panik bleibt aus. Während regionale US-Banken wanken und Investoren über...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Chipkrise durch Nexperia-Lieferstopp: VW warnt vor möglichen Engpässen
22.10.2025

Die Krise um den Chip-Zulieferer Nexperia spitzt sich zu. VW schließt kurzfristige Engpässe nicht mehr aus.

DWN
Immobilien
Immobilien Preisdynamik am Mietmarkt: Mietanstieg auf Immobilienportalen schwächt sich ab
22.10.2025

Die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt ist hoch, doch die Preisdynamik verlangsamt sich. Was ist die Ursache? Der Experte des Kiel Instituts...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis auf Rekordniveau: Warum Anleger jetzt vorsichtig sein sollten
22.10.2025

Der weltweite Goldhandel boomt wie nie zuvor. Doch hinter glänzenden Preisen lauern Risiken: Gold kann entweder Sicherheit oder Rendite...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Sanierungsfall Webasto: Rettungsplan für den Autozulieferer scheint in trockenen Tüchern
22.10.2025

Der Rettungsplan für den Automobilzulieferer Webasto steht: Der für seine Autodächer und Standheizungen bekannte Zulieferer hat seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Luxus im Wandel: Exklusive Erlebnisse lösen materiellen Besitz als Statussymbol ab
22.10.2025

Der Luxusmarkt steht vor einem Wandel. Trotz steigender Vermögen der Superreichen schrumpfen traditionelle Segmente, während sich...