Weltwirtschaft

Massive Industrie-Rezession: Erste Rufe nach Verlängerung der Kurzarbeit werden laut

Lesezeit: 2 min
05.08.2020 11:03
Jüngst getätigte Äußerungen des Verbandes der deutschen Maschinenbauer lassen erahnen, wie schwer der weltweite Wirtschaftseinbruch im industriellen Sektor ist.
Massive Industrie-Rezession: Erste Rufe nach Verlängerung der Kurzarbeit werden laut
Containerterminals im Hamburger Hafen. (Foto: dpa)
Foto: Christian Charisius

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Auftragsbücher der deutschen Maschinenbauer werden infolge der Corona-Pandemie immer dünner. Eine Trendwende ist noch nicht in Sicht. "Den Tiefpunkt sehe ich noch nicht erreicht", sagte der Konjunkturexperte des Branchenverbandes VDMA, Olaf Wortmann, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Zwar hätten sich die Lieferketten stabilisiert, doch es fehle die Nachfrage. "Es gibt ein hohes Maß an Unsicherheit über mögliche weitere Infektionswellen." Das bekämen auch die Beschäftigten zu spüren.

70 Prozent der Firmen nutzten Kurzarbeit, sagte Wortmann. Um mit den Mitarbeitern durch die Krise zu kommen, sei es wichtig, dass die Kurzarbeit auf 24 Monate verlängert wird, forderte der Branchenexperte. Auch die IG Metall plädiert dafür, diese zur Entlastung der Unternehmen auf bis zu 24 Monate auszudehnen. Die als Rückgrat der deutschen Wirtschaft geltende Maschinenbaubranche beschäftigte im Mai rund 1,034 Millionen Mitarbeiter und damit 30.000 weniger als vor Jahresfrist.

Schwerer Auftragsrückgang im Auslandsgeschäft

Im ersten Halbjahr sank der Auftragseingang um 16 Prozent. Dabei lag das Minus nach VDMA-Angaben im Ausland höher als im Inland. Im Juni sanken die Bestellungen um 31 Prozent, im Inland um zwölf Prozent und im Ausland um 38 Prozent. Im Zeitraum April bis Juni lag das Minus bei 30 Prozent.

Die Corona-Krise belastet den Maschinen- und Anlagenbau, zumal die Nachfrage seit zwei Jahren ohnehin wegen des Handelsstreits zwischen China und den USA rückläufig ist. Die aktuellen Rückgänge sind nach Angaben von VDMA-Experten Wortmann aber noch geringer als zu Zeiten der Finanzkrise 2008/09.

US-Regierung politisiert die ohnehin schwierige Situation

Industriepräsident Dieter Kempf sorgt sich mit Blick auf das Thema Handelskrieg inzwischen um die Beziehungen zum wichtigen Handelspartner USA. „Die ständige Androhung neuer Zölle und die angekündigten US-Sanktionen im Zusammenhang mit Nord Stream 2 belasten die transatlantische Partnerschaft derzeit erheblich“, sagte Kempf der Deutschen Presse-Agentur. Völkerrechtswidrige extraterritoriale Sanktionen lehnen wir ab und erwarten von den USA, die transatlantischen Handelskonflikte zu bewältigen. Unsere gemeinsame Sicherheit und unser Wohlstand hängen davon ab, ob es gelingt, die Rahmenbedingungen der Globalisierung weiterhin auf der Grundlage der uns verbindenden Werte zu gestalten.“

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) sagte weiter, in den USA sei es sehr schlecht gelungen, das Risiko der Überforderung des Gesundheitssystems in den Griff zu bekommen. „Ich bin ein überzeugter Transatlantiker. Die USA bleiben ein sehr wichtiger Handelspartner für die EU.“ Die Wirtschaftsleistung in den USA ist im zweiten Quartal wegen der Coronavirus-Pandemie trotz gewaltiger Konjunkturpakete dramatisch eingebrochen.

„Europa ist als gemeinsamer Markt und als politische Einheit stark genug, um einen eigenen Weg zu gehen und gegenüber den USA und China selbstbewusster aufzutreten“, sagte Kempf. „Nur mit einer starken Union, die im Inneren Einigkeit zeigt, werden wir von den anderen Großmächten ernst genommen. Anders als die USA sollte Deutschland und die EU den Systemwettbewerb und die Wirtschaftspartnerschaft mit China gleichzeitig denken und dabei ihre Interessen und Werte entschiedener durchsetzen.“ Der BDI hatte Anfang 2019 in einem Grundsatzpapier gefordert, die Marktwirtschaft müsse „widerstandsfähiger“ gemacht werden. Zwischen dem Modell einer liberalen, offenen und sozialen Marktwirtschaft und Chinas staatlich geprägter Wirtschaft entstehe ein Systemwettbewerb.

Der Dollar – Opfer der Geopolitik Washingtons

Dass die durch die Regierung in Washington verhängten extraterritorialen Sanktionen und Handelskonflikte sich auch negativ auf die Verfassung des Landes selbst auswirken, zeigt ein Blick auf den Dollar. Dieser verliert nicht zuletzt auch deshalb derzeit an Wert gegenüber wichtigen anderen Währungen wie dem Euro, weil Staaten und Marktteilnehmer zunehmend dessen Verwendung scheuen, weil sie dadurch zum Ziel von Sanktionen werden könnten.

„Die US-Aggressionen gegen China losgelöst vom internationalen Regelwerk (u.a. WTO) haben Folgen an Finanzmärkten. Der US-Dollar kommt unter Druck. So konnte Gold heute neue historische Höchstmarken bei 2.030 USD pro Unze erreichen. Diejenigen in Europa, die glauben, dass das Verhalten der USA außerhalb des internationalen Regelwerks eine einmalige Situation zwischen den USA und China sei, seien versichert, dass North Stream II oder die Anwürfe gegenüber deutschen Automobilbauern belegen, dass Investitionen in den USA und die Nutzung des US-Markts und des US-Dollars mit markanten Risiken außerhalb des internationalen Rechtsrahmens flankiert sind. Politik und Wirtschaft sind geforderter denn je!“, kommentierte der Finanzdienstleister Solvecon am Mittwoch.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Neue Verträge: Nach dem KaDeWe sind auch Oberpollinger und Alsterhaus gerettet
26.07.2024

Die berühmten Flaggschiffe der deutschen Warenhäuser scheinen nach der Pleite des Immobilien-Hasardeurs René Benko endlich gerettet zu...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Hilfsgelder von Russland: EU gibt Erträge aus dem eingefrorenen Vermögen frei
26.07.2024

Die Europäische Union hat jetzt die ersten Zinserträge aus dem im Westen eingefrorenem russischen Staatsvermögen freigegeben. Die...

DWN
Politik
Politik Der Chefredakteur kommentiert: Islamisches Zentrum Hamburg - ein längst überfälliges Verbot, Frau Faeser!
26.07.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Bundeskanzler Scholz zu irregulärer Migration: „Die Zahlen müssen runter“
26.07.2024

Erwerbsmigration nach Deutschland sei erwünscht, meint der Kanzler. Problematisch findet er unerlaubte Einreisen. Eine Innenexpertin der...

DWN
Panorama
Panorama ADAC warnt: Es droht schlimmstes Stau-Wochenende der Saison
26.07.2024

Wer nun in den Urlaub fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen und mitunter starke Nerven haben. Der ADAC rechnet mit vielen Staus. Lassen...

DWN
Politik
Politik Außenministerin Baerbock: Seegerichtshof in Hamburg wird an Bedeutung gewinnen
26.07.2024

In Hamburg informiert sich die Außenministerin bei ihrer Sommerreise über die Arbeit des Internationalen Seegerichtshofs. Anschließend...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB nach Stresstest: Banken haben Verbesserungsbedarf bei Cyber-Angriffen
26.07.2024

Seit der Finanzkrise 2008 wird genauer hingeschaut bei den Banken. Im Euroraum müssen sich die Institute nach Einschätzung der...

DWN
Politik
Politik Verfassungsschutz weist auf russische Sabotageversuche hin
26.07.2024

Der deutsche Inlandsgeheimdienst beobachtet schon länger verstärkte russische Geheimdienstaktivitäten. Neue Hinweise veranlassen ihn...