Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Welche Funktionen hat die „Act on Crisis“App?
Veronika Siurbyte: Wir glauben, dass wir unseren Geist regelmäßig trainieren sollten, genauso wie wir unseren Körper trainieren. Aus diesem Grund haben wir Act on Crisis entwickelt, ein Art „Fitnessstudio“ für unser emotionales Gleichgewicht. Es handelt sich um ein ganzheitliches Wohlfühlprogramm, mit dem die emotionale Gesundheit verbessert werden soll, indem die Mitarbeiter in verschiedene Techniken zur Bewältigung von Burnout, Angstzuständen oder Stress eingeführt werden.
Nachdem die Benutzer ihren aktuellen emotionalen Zustand ermittelt haben, können sie Atemübungen auswählen, Erfahrungen mit Kollegen in den „Community rooms“ austauschen und individuelle Einzelgespräche mit zertifizierten Fachleuten buchen. Und das alles - vertraulich und anonym.
Unsere Dienstleistungen umfassen auch monatliche Übersichten zum emotionalen Wohlbefinden am Arbeitsplatz (nur aus aggregierten und anonymen Daten abgeleitet). Auf diese Weise ermöglichen wir Arbeitgebern, das Programm anzupassen, ein stärkeres internes Bewusstsein für bestimmte Themen oder andere erforderliche Schulungen für ihre Mitarbeiter zu schaffen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was macht es so einzigartig?
Veronika Siurbyte: Im Gegensatz zu unseren Mitbewerbern möchten wir psychische Gesundheitsprobleme destigmatisieren, indem wir ein Programm fördern, das personalisiert, anonym und multifunktional ist. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber vertrauen uns, da wir nur mit zertifizierten Psychologen zusammenarbeiten, die Benutzer in ihrer Muttersprache unterstützen (derzeit in Englisch, Litauisch und Russisch verfügbar).
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Ist die App auch auf Deutsch verfügbar?
Veronika Siurbyte: Die App wird in naher Zukunft auf Deutsch verfügbar sein.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie zuverlässig ist die App?
Veronika Siurbyte: Zuverlässigkeit ist für uns das Wichtigste. Wir verwenden nicht nur die GDPR-kompatiblen Integrationen, sondern setzen agora.io auch für Einzelvideoanrufe ein, die durch End-to-End-Verschlüsselung gesichert sind. Unsere AWS-Server befinden sich in Europa und die In-App-Zahlungen erfolgen über den App Store und Google Play.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Könnte die App auch international erfolgreich sein?
Veronika Siurbyte: Bestimmt. Wir befinden uns derzeit in Gesprächen mit Unternehmen in Nord-, Ost- und Mitteleuropa.
Veronika Siurbyte ist Chief Marketing Officer (CMO) von „Act on Crisis“ (AOC)
*Zweiter Teil des Interviews*
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie konnte Litauen so schnell auf die COVID-19-Krise reagieren?
Giedrius Surplys: Durch die genaue Verfolgung der globalen Situation konnten wir alle medizinischen und gesetzlichen Leistungen erfolgreich koordinieren. Es ermöglichte uns auch, die nationale Quarantäne früh genug anzukündigen, um die Ausbreitung der Krankheit zu begrenzen, und uns später darauf zu konzentrieren, große Mengen an Sicherheitsmaßnahmen, Reagenzien und Tests selbst bereitzustellen. Unsere Gesellschaft zeigte ein hohes Maß an Wachsamkeit und Verantwortung, während viele Unternehmen und NGOs auf ihre eigene Weise halfen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wo steht Litauen in Bezug auf die Digitalisierung weltweit?
Giedrius Surplys: Laut dem IMD World Competitiveness Report (2019) liegt Litauen an erster Stelle in Bezug auf digitale und technologische Kompetenz und an vierter Stelle in Bezug auf die Erstellung von Global Cyber Security Index und mobilen Apps. Litauen gilt auch als eines der besten Länder für die Entwicklung von Fintech-Unternehmen. Wir sind weltweit führend bei der Erteilung von Betriebsgenehmigungen und haben Fintech-Unternehmen als erste die Möglichkeit gegeben, spezialisierte digitale Banken zu werden.
Wir sind auch führend in der Glasfaserinfrastruktur, da wir bereits die Hälfte der Gebäude im ganzen Land erreicht haben. Außerdem haben wir terrestrische Technologien eingesetzt, um den drahtlosen Internetzugang über Türme auf ländliche Gemeinden auszudehnen. Darüber hinaus ist der litauische IKT-Sektor in den letzten fünf Jahren um über 70% gewachsen, während der IKT-Umsatz im Ausland um fast 14% gestiegen ist (2018).
Auf nationaler Ebene sind 90% der staatlichen Dienste online verfügbar. Die Abgabe von Steuererklärungen, die Registrierung neuer Unternehmen, Autos und sogar neugeborener Kinder erfolgt in wenigen Minuten. Kinder verwenden ein elektronisches Schultagebuch und E-Rezepte machen 85% aller Rezepte aus. 81% der Bürger und 97% der Unternehmen nutzen die Online-Dienste. Inzwischen wurde die E-Government-Website 16,9 Millionen Mal besucht, was ungefähr dem des gesamten letzten Jahres entspricht.
Die Ergebnisse sind für ein Land mit nur 2,8 Millionen Einwohnern ziemlich effizient, doch das Endziel ist es, alles Teil der digitalen Gesellschaft zu machen. Die Digitalisierung ist einer der stärksten und vielversprechendsten Aspekte der nahen Zukunft, und Litauen muss einfach weitermachen.
Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Was würden Sie der Bundesregierung zur Digitalisierung und zur Pandemie empfehlen?
Giedrius Surplys: Moderne IKT-Instrumente sind von entscheidender Bedeutung geworden, da vielen Menschen Anweisungen zu vielen Aspekten des Lebens in einer Pandemie gegeben werden mussten. In Litauen brachte die Quarantäne Tausende von Telefonanrufen und schriftlichen Anfragen mit sich, denn plötzlich stellte sich alles auf den Kopf - Kinder konnten keine Schulen besuchen, viele Menschen mussten von zuhause aus arbeiten, internationale Reisen waren eingeschränkt.
In nur wenigen Tagen konnten wir unsere medizinischen, arbeitsrechtlichen, geschäftlichen und sonstigen Dienstleistungen digitalisieren und rund um die Uhr zur Verfügung stellen. Unser virtueller KI-Berater namens Viltė beantwortete 40% aller Fragen, während die Zusammenarbeit mit Unternehmen wie Microsoft, Google und Facebook dazu beitrug, die Menschen auf dem Laufenden zu halten und Fehlinformationen zu stoppen. Letztendlich ist es wichtig, eine enge Zusammenarbeit zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor sicherzustellen, um die besten IKT-Entscheidungen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zu finden.
Giedrius Surplys, geboren im Jahr 1980 in Plungė, ist Leiter der Covid-19-Informationsgruppe der litauischen Regierung. Von 2017 bis 2018 war er Vizeinnenminister und anschließend bis zum Jahr 2019 Landwirtschaftsminister.