Politik

Bekommt die „Gesundheitsbranche“ nun Zugriff auf 73 Millionen Versicherten-Daten?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will der gewinnorientierten Gesundheitswirtschaft offenbar die geschützten Daten von 73 Millionen zur Verfügung stellen. Das erschließt sich zumindest aus einer Verordnung zur Neufassung der Datentransparenzverordnung.
16.08.2020 14:52
Aktualisiert: 16.08.2020 14:52
Lesezeit: 1 min
Bekommt die „Gesundheitsbranche“ nun Zugriff auf 73 Millionen Versicherten-Daten?
03.07.2020, Berlin: Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister, sitzt in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag. (Foto: dpa) Foto: Bernd von Jutrczenka

Das „Digitale Versorgungsgesetz“ vom November 2019 hatte die Weitergabe von Patientendaten durch das neu schaffende staatliche Forschungszentrum an Dritte verboten. „Es sei denn, das Forschungszentrum genehmigt auf Antrag eine Weitergabe an einen Dritten im Rahmen eines nach Absatz 2 zulässigen Nutzungszwecks“.

Doch aus der „Verordnung zur Neufassung der Datentransparenzverordnung und zur Änderung der Datentransparenz-Gebührenverordnung vom 19. Juni 2020“ geht nun hervor, dass der Satz „Die Nutzungsberechtigten dürfen die (…) zugänglich gemachten Daten nicht an Dritte weitergeben“ komplett fehlt.

Das Bundesgesundheitsministerium unter Jens Spahn hat diesen Satz komplett gestrichen. Dabei hatte der DGB zuvor in einer kritischen Stellungnahme ausgeführt: „Dadurch soll dem Ausbau der Versorgungsforschung, dessen Grundstein im digitalen Versorgungs-Gesetz gelegt wurde, entsprochen werden. Versorgungsforschung ist, sofern sie zum Nutzen aller Versicherten durchgeführt wird und zur Verbesserung der Versorgungsqualität und der gesundheitlichen Daseinsvorsorge beiträgt, zu begrüßen. Hierfür sind jedoch die Einhaltung hoher Anforderungen im Hinblick auf 1. den umfassenden Schutz der zugrunde gelegten Daten, 2. die Vermeidung eines primär auf Renditeerzielung ausgerichteten Wettbewerbs mit den Versichertendaten als Wettbewerbsmittel sowie 3. eine genaue Festlegung des Kreises von Zugangsberechtigten, der ihnen zur Verfügung gestellten Zugangswege und Kriterien, nach denen ein Zugang ermöglicht wird sowie 4. die Regelung der Kontrollen auf Einhaltung dieser Bestimmungen sowie die Festsetzung von Sanktionen, etwa im Falle der Datenverwendung durch nicht befugte Dritte oder zu nicht zugelassenen Zwecken notwendig. Diesen Maßstäben wird der vorliegende Referentenentwurf nur in Teilen gerecht.“

Hartmut Pohl, Sprecher des Präsidiumsarbeitskreises Datenschutz und IT-Sicherheit teilte zuvor mit: „Im vorliegenden Referentenentwurf werden keinerlei Sicherheitsvorgaben oder Sorgfaltspflichten der Krankenkassen und des Spitzenverbands formuliert, mit denen Datenschutz und Sicherheit der Daten gewährleistet werden könnten(…) Der Zugriff auf die Datenbestände der Versicherten ohne jegliche Beschränkung und Kontrolle stellt eine enorme Bedrohung für alle persönlichen und personenbezogenen Gesundheitsdaten dar. Wir fordern daher Nachbesserungen sowie eine umfangreichere Beteiligung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in (BfDI) und der Fachöffentlichkeit.“

Telepolis wörtlich: „Im Klartext: Damit sind die sensiblen Gesundheitsdaten von 73 Millionen gesetzlich versicherter Bürger jetzt mittelbar dem Zugriff der gewinnorientierten Gesundheitswirtschaft ausgesetzt.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rohstoffmacht China: Wie Peking Europas Mittelstand in die Abhängigkeit treibt
16.11.2025

China verschiebt seine Exportkontrollen für Seltene Erden – offiziell um ein Jahr. Doch das ist keine Entspannung, sondern eine...

DWN
Technologie
Technologie Kuka weitet Stellenabbau in Augsburg aus – 560 Jobs betroffen
16.11.2025

Der Roboterhersteller Kuka plant an seinem Stammsitz in Augsburg einen größeren Stellenabbau als zunächst angekündigt. Statt der...

DWN
Immobilien
Immobilien PV-Anlagen für Unternehmen: Wie Betriebe mit Steuerbonus und Eigenstrom doppelt punkten
16.11.2025

Gewerbliche Photovoltaikanlagen gewinnen für den Mittelstand zunehmend an Bedeutung. Durch den Investitionsabzugsbetrag und die...

DWN
Politik
Politik Europa im Wandel: Populismus und Spannungen in Deutschland, England und Frankreich
16.11.2025

Europa steht vor politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, während der Zusammenhalt innerhalb der EU zunehmend brüchig wird....

DWN
Politik
Politik Von der Leyen unter Druck: Zwei Billionen Euro und kein Plan für Europas Bauern
16.11.2025

Der Streit um Agrarsubventionen spaltet die Europäische Union. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den EU-Haushalt...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzskandal bei privaten Krediten: HPS und BNP Paribas verlieren hunderte Millionen
16.11.2025

Der Markt für private Kredite außerhalb regulierter Banken erlebt ein rasantes Wachstum, das zunehmend systemische Risiken birgt. Wie...

DWN
Politik
Politik TNT-Produktion in Europa: NATO-Staaten planen neue Fabriken zur Versorgungssicherung
16.11.2025

Europa verfügt derzeit über nur eine Produktionsstätte für NATO‑Standard‑TNT, während mehrere Länder neue Fabriken planen. Wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...