Deutschland

Ifo-Geschäftsklima hellt sich auf: Aber im Herbst kommt die Insolvenzwelle

Für die deutsche Wirtschaft geht es wieder bergauf. Aber so manches Unternehmen wird den Herbst nicht überstehen.
25.08.2020 17:36
Lesezeit: 2 min
Ifo-Geschäftsklima hellt sich auf: Aber im Herbst kommt die Insolvenzwelle
Der Gesamtwirtschaft geht es wieder besser - aber vielen Unternehmen droht in den kommenden Monaten die Insolvenz. (Foto: dpa) Foto: Martin Gerten

Die deutsche Wirtschaft befindet sich auf dem Weg der Besserung. Das an den Finanzmärkten viel beachtete Geschäftsklima-Barometer des Münchner Ifo-Instituts hellte sich im August den vierten Monat in Folge auf. „Die deutsche Wirtschaft ist auf Erholungskurs", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am heutigen Dienstag zu dem Anstieg des Barometers um 2,2 auf 92,6 Zähler. Die wirtschaftliche Aufholjagd folgt auf einen beispiellosen Einbruch der Konjunkt im Frühjahr um 9,7 Prozent, der zudem ein tiefes Loch in die Staatskassen gerissen hat.

Trotz der immer positiver werdenden Stimmung werfen steigende Corona-Infektionszahlen und vor allem die Gefahr einer Pleitewelle auch weiterhin einen langen Schatten auf die wirtschaftlichen Aussichten. "Wir sind noch nicht auf dem Vorkrisenniveau angekommen. Die zweite Corona-Welle zeigt, dass wir noch nicht über dem Berg sind", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.

Union und SPD kündigten an, als Folge der Coronavirus-Krise die Lockerung des Insolvenzrechts verlängern, um die Zahl von Unternehmenspleiten zu dämpfen. Für überschuldete, aber noch zahlungsfähige Firmen soll die Insolvenzantragspflicht bis Jahresende 2020 ausgesetzt werden. Das Bundesjustizministerium erklärte, ein entsprechender Entwurf sei in die Ressortabstimmung gegangen.

Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte eigentlich vorgeschlagen, die Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen bis Ende März 2021 auszusetzen. Die Unions-Fraktion drängte jedoch darauf, dies bis Jahresende 2020 zu befristen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte, er denke, dass es in der Koalition eine Einigung gebe. Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, ist gegen eine Verlängerung. Man müsse der Wahrheit ins Auge schauen: "Es werden viele Firmen in die Insolvenz gehen", sagte er der "Rheinischen Post".

Ähnlich äußerte sich der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger. Eine weitere Verlängerung der Aussetzung sei keine Antwort auf die drohende Insolvenzwelle, sondern vertage nur die Probleme. "Sie birgt die Gefahr, dass gesunde Unternehmen von zahlungsunfähigen Betrieben in den Insolvenzstrudel gezogen werden", sagte Steiger den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Seit dem 1. März ist die Antragspflicht für Firmenpleiten vorerst bis Ende September ausgesetzt. Die Zahl der Insolvenzen ist zuletzt laut Statistischem Bundesamt weiter gesunken, was aber die wirtschaftliche Not vieler Firmen nicht widerspiegelt. Denn die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hatten im Frühjahr weite Teile der Wirtschaft lahmgelegt: Geschäfte, Hotels und Restaurants mussten schließen, Fabriken machten dicht, Messen, Konferenzen und Konzerte wurden abgesagt. "Das zweite Quartal war ein einziges Desaster", sagte der Chefökonom der VP Bank aus Liechtenstein, Thomas Gitzel. Die Ausgaben der Verbraucher sanken im Frühjahr um 10,9 Prozent, während die Konsumausgaben des Staates im Zuge der Rettungspakete um 1,5 Prozent stiegen.

Als Folge der Corona-Krise war der Staatshaushalt erstmals seit acht Jahren wieder tief in die roten Zahlen gerutscht. "Das war zu erwarten und ist richtig. Das öffentliche Geld ist in den raschen und umfangreichen Stabilisierungsmaßnahmen gut angelegt, wie auch der anhaltende Stimmungsaufschwung in den Unternehmen unterstreicht", sagte die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib. Vernunft, gegenseitige Rücksicht und das strikte Einhalten der Regeln zum Infektionsschutz seien der Schlüssel, damit die konjunkturelle Erholung weitergehe: "Schließlich ist das Vorkrisenniveau noch in weiter Ferne, und das weltweit heftige Wüten der Pandemie bleibt ein großes Risiko für uns als Exportnation."

Laut Ifo-Experte Wohlrabe sind die Exporterwartungen zuletzt leicht gesunken: "Das Auslandsgeschäft bleibt schwierig. Angesichts der fragilen Lage in den anderen europäischen Ländern schlägt sich die deutsche Exportwirtschaft aber ganz gut." Helaba-Ökonom Ralf Umlauf verweist darauf, dass die Verunsicherung in Deutschland wegen der zuletzt verschärften Corona-Einschränkungen weiter hoch sei: "Solange es aber keinen flächendeckenden Shutdown gibt, sollte Wachstum erwartet werden." Die Münchner Ifo-Experten rechnen damit, dass im Sommer-Quartal ein BIP-Wachstum von knapp sieben Prozent herausspringen wird.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VW-Aktie im Fokus: Was die Werksschließung bei Volkswagen für die Autoindustrie bedeutet
16.12.2025

Ein symbolträchtiger Standort der deutschen Autoindustrie schließt seine Tore und rückt die VW-Aktie erneut in den Fokus von Anlegern...

DWN
Politik
Politik Keine Jobs, teure Mieten, hohe Steuern: Auswanderungen aus Deutschland weiterhin auf hohem Niveau
16.12.2025

Nach wie vor wandern sehr viele Menschen aus Deutschland aus, gleichzeitig bekommen Deutsche immer weniger Kinder: Eine fatale Entwicklung...

DWN
Politik
Politik Umfrage: Spätere Rente für Akademiker spaltet die Deutschen
16.12.2025

Sollte das Renteneintrittsalter an die Zahl der Beitragsjahre gekoppelt sein? Die Bürger sind sich darin nicht einig. Deutsche mit Abitur...

DWN
Politik
Politik CDU-Vorsitz: Einstimmiges Votum aus NRW - Merz soll CDU-Chef bleiben
16.12.2025

Friedrich Merz erhält einstimmige Unterstützung aus NRW für eine weitere Amtszeit als CDU-Bundesvorsitzender. Der Vorschlag kommt von...

DWN
Politik
Politik Anschlag geplant? Terrorverdächtiger in Magdeburg reiste legal ein
16.12.2025

Mit Visum kam er nach Deutschland, dann informierte er sich über Waffen und glorifizierte Anschläge. Zu dem 21-jährigen Mann in...

DWN
Politik
Politik Sudan führt auch 2026 Krisenliste von Hilfsorganisation an
16.12.2025

Die Hilfsorganisation IRC erstellt jeden Dezember eine Liste von Krisenstaaten, die im Folgejahr zu beachten sind. Der Sudan steht im...

DWN
Finanzen
Finanzen Bargeld: Barzahlen wird bei Behörden zur Ausnahme - Bundesbank sieht Akzeptanzlücken
16.12.2025

Bargeld ist in Deutschland nach wie vor beliebt, doch in Ämtern und Behörden stößt man damit nicht immer auf offene Türen. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Finanzielle Unabhängigkeit für Führungskräfte: So sichern Sie echte Entscheidungsfreiheit
16.12.2025

Die meisten Führungskräfte träumen davon, unabhängig Entscheidungen treffen und nach eigenen Überzeugungen handeln zu können. In der...