Politik

Russland wird in Weißrussland nicht militärisch intervenieren, auch wenn das alle im Westen befürchten

Die Lage in Weißrussland spitzt sich immer mehr zu. Doch wird sich Moskau mit ziemlicher Sicherheit nicht militärisch einmischen.
28.08.2020 12:25
Aktualisiert: 28.08.2020 12:25
Lesezeit: 2 min
Russland wird in Weißrussland nicht militärisch intervenieren, auch wenn das alle im Westen befürchten
Demonstranten in Minsk (Foto: dpa)

„Lukaschenko greift in Weißrussland hart durch - notfalls mit Hilfe von Russland?", titelt "n-tv". "Putin Ordnungshüter stehen für einen Einsatz in Weißrussland bereit", warnt die "Welt" und "Moskau bloß keinen Vorwand liefern", ereifert sich "Spiegel Online".

Damit suggerieren die großen deutschen Medien, dass Russland kurz vor dem Einmarsch in Weißrussland steht. Der Anlass sind aktuelle Aussagen von Staatspräsident Wladimir Putin in der russischen Presse, er werde unter Umständen Polizei-Einheiten in das Nachbarland schicken. Und auch der weißrussische Verteidigungsminister Viktor Chrenin hatte zuvor gewarnt, dass „der Nachbar Russland möglicherweise militärisch zur Stelle sein wird“.

Doch dürfte die Gefahr, dass Moskau tatsächlich seine Armeen nach Minsk schickt, eher gering sein. Denn zum einen hat Putin eben nur von „Polizei-Einheiten“ ("opredelennij reserw is cotrudnikow prawochranitelnich organow") gesprochen und nicht von Truppen ("wojenne schily"). Darüber hinaus hat der Staatspräsident sein Eingreifen von bestimmten Bedingungen abhängig gemacht – beispielsweise, „wenn die Situation außer Kontrolle gerät und extremistische Elemente, die sich hinter politischen Parolen verstecken, bestimmte Grenzen überschreiten“. Dazu würde er Raubüberfälle oder in Brand gesteckte Fahrzeuge zählen, also konkrete Akte der Gewalt - die es bislang in keiner Weise gegeben hat, im Gegenteil, die Demonstranten haben sich sehr friedlich verhalten.

Konkrete Unterstützung für Lukaschenko seitens Moskau hört sich anders an. Viele werden jetzt zwar wieder an die Ukraine-Krise erinnern, wo sich die Lage später auch massiv verschärfte und schließlich im Krieg ausartete. Doch sind die Verhältnisse in Weißrussland anders als in der Ukraine. Die Demokratiebewegung im Land ist zwar groß, doch gibt es bisher keine konkreten Forderungen, dass sich Weißrussland den westlichen Bündnissen anschließen soll, so wie das in der Ukraine der Fall war.

Sicher werden die Oppositionellen von der EU diplomatisch unterstützt. Allerdings fehlen, wie gesagt, eindeutige Bestrebungen der Lukaschenko-Gegner, der westlichen Gemeinschaft oder gar der NATO beitreten zu wollen. Weißrussland gehört - genau wie Russland - der Euroasiatischen Wirtschaftsunion an; niemand in Weißrussland macht sich dafür stark, diese Organisation zu verlassen. Erwähnt werden muss auch, dass die Weißrussen kulturell wesentlich stärker nach Osten orientiert sind als beispielsweise die Menschen im westlichen Teil der Ukraine, die sich in vielerlei Hinsicht stark in Richtung Westen orientieren.

Mit anderen Worten: Moskau muss kaum befürchten, dass Weißrussland sich dem Westen annähern, gar Mitglied westlicher politischer oder militärischer Bündnisse werden will - unabhängig davon, wer das Land in Zukunft führen wird. Deshalb dürfte es kaum zu einer militärischen Intervention Russlands kommen, selbst wenn die Lage weiter eskalieren sollte.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kosten für Wohnen und Essen fressen geringere Einkommen auf
09.12.2025

Wohnen und Lebensmittel werden teurer – doch die Härte trifft nicht alle gleich. Neue Daten der Statistiker zeigen, wie stark vor allem...

DWN
Politik
Politik Analyse: Putins Besuch in Indien zeigt die gefesselten Hände des Kreml
09.12.2025

Wladimir Putins Besuch in Indien sollte Stärke demonstrieren, doch die Realität wirkt gegenteilig. Der Kreml ist stark von Ölexporten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Thyssenkrupp-Aktie: Rückkehr in die Gewinnzone trotz Sanierungsdruck
09.12.2025

Thyssenkrupp meldet wieder Gewinn, doch der Preis dafür ist hoch. Der Konzern kämpft mit sinkender Nachfrage, Sanierungsrückstellungen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Butterpreis im Sturzflug: Milchbauern schlagen Alarm – "wirtschaftliches Desaster"
09.12.2025

Der Butterpreis rutscht auf 99 Cent je 250 Gramm und jubelnde Kunden treffen auf alarmierte Milchbauern. Hinter dem Preisschub steckt der...

DWN
Technologie
Technologie Arbeitsplatz 2030: Wie KI Bürojobs neu definiert
09.12.2025

Roboter übernehmen nicht mehr nur Fließbänder, sondern auch Schreibtische. Die künstliche Intelligenz dringt tief in den Büroalltag...

DWN
Finanzen
Finanzen Halbleiter-Aktien: Wie die ASML-Aktie zur europäischen Macht im Chipsektor wird
08.12.2025

Die US-Großbank Bank of America setzt in Europa auf einen Chipkonzern, der in einem neuen Wachstumszyklus steckt und die Branche unter...

DWN
Politik
Politik EU-Staaten beschließen schärfere Migrationspolitik
08.12.2025

Die EU zieht die Zügel in der Migrationspolitik an: Abschiebungen sollen leichter, Verteilung verpflichtender werden. Doch neue Regeln zu...

DWN
Politik
Politik Russland tobt nach Interview mit ehemaligen NATO-General Rob Bauer
08.12.2025

Ein explosiver Schlagabtausch zwischen Russland und einem früheren NATO-Spitzenoffizier schürt neue Ängste vor einer Eskalation. Moskau...