Im Zuge der Ermittlungen zum Juwelendiebstahl aus dem Dresdner Schatzkammermuseum Grünes Gewölbe im November 2019 ist die Soko Epaulette am Mittwoch in Berlin fündig geworden. Bei der Durchsuchung eines Internet-Cafés im Bezirk Neukölln und der Wohnung eines dort Beschäftigten wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, wie die Staatsanwaltschaft Dresden mitteilte. «Wir gehen davon aus, dass er mit den Tätern in Kontakt stand», sagte ein Sprecher. Es bestehe der Verdacht, dass er ihnen auf fiktive Personalien registrierte SIM-Karten verkauft hat oder sie zum Vertrieb an das Café gab, die von den Tätern benutzt wurden. Ob er deren Verwendung kannte, ist bisher unklar und der Mann nicht tatverdächtig.
Die Ermittler nahmen Geschäftsunterlagen, Mobiltelefone und Speichermaterial mit, die nun ausgewertet werden. Sie hoffen, dass sie zu den Käufern der SIM-Karten führen und die Täter des Coups identifiziert werden können, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden. Es sei «ein erster Anhaltspunkt» zur Aufklärung des Falles.
Phantombild veröffentlicht
Gut drei Monate nach dem spektakulären Einbruch hatten die Ermittler ein Phantombild eines Verdächtigen veröffentlicht. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen inzwischen von mindestens sieben Tätern aus. Das hätten Einschätzungen aus einer Fallanalyse des Landeskriminalamtes Sachsen sowie umfassende Videoauswertungen ergeben. Neue Erkenntnisse gebe es auch rund um das Tatfahrzeug. So sei der zur Flucht benutzte Audi S6 im August 2019 von einer Privatperson an einen Unbekannten verkauft worden. Ein etwa 25 Jahre alte Mann habe den Wagen bei dem Verkäufer in Magdeburg abgeholt. Man gehe davon aus, dass der Abholer mit dem späteren Einbruch zu tun habe.
Das Phantombild des Käufers des möglichen Fluchtfahrzeugs sieht folgendermaßen aus:
Spuren nach Berlin gab es schon einmal
Interessant ist, dass es schon einmal - kurz nach dem Raub - zu einer vorerst rein theoretischen Spur nach Berlin kam. So berichtete die Berliner Morgenpost, der spektakuläre Juwelendiebstahl könnte mit arabischstämmigen Clans in Berlin zusammenhängen. Die Polizei prüfe entsprechende Hinweise aus Berlin, schrieb die Berliner Morgenpost im Dezember 2019.
Jürgen Schmidt von der zuständigen Staatsanwaltschaft Dresden sagte der Deutschen Presse-Agentur dazu, die Sonderkommission stehe mit den Berliner Kollegen in Kontakt, um mögliche Parallelen zu dem Diebstahl der 100 Kilo schweren Goldmünze aus dem Bode-Museum 2017 in Berlin abzugleichen. Die Berliner Polizei verwies auf die Dresdner Ermittler.
Die Täter sollen laut Berliner Morgenpost ein hydraulisches Spreizwerkzeug benutzt haben, wie es schon bei Verbrechen in Berlin der Fall war. Die Sonderkommission Epaulette habe eine Abfrage an Polizeibehörden in ganz Deutschland gestellt, ob irgendwo Einbrüche bekannt seien, bei denen so ein Werkzeug gestohlen oder eingesetzt wurde. Eine Belohnung von 500.000 Euro ist ausgesetzt.
Mit diesen akkubetriebenen Hydraulik-Spreizern öffnet die Feuerwehr Autotüren, die nach Unfällen verklemmt sind. Seit 2017 wurden aus Berliner Feuerwachen und Feuerwehrautos mindestens fünf Geräte (Hydraulikspreizer «Lukas SC 358 E 2») im Wert von jeweils 10.000 Euro gestohlen. Zudem soll ein bekanntes Clanmitglied erst kürzlich für den Einbruch bei der Hersteller-Firma der Spreizgeräte in Bayern verurteilt worden sein.
Bei einem Überfall auf einen Geldtransporter im September 2018 in Berlin hatten die Täter einen Hydraulik-Spreizer eingesetzt, um die Türen des Transporters aufzubrechen. Vor Gericht stehen deswegen derzeit einige Männer mit Beziehungen zu Clans. Bei Einbrüchen in Banken sollen Täter Bankschließfächer mit Hydraulik-Spreizern aufgebrochen haben. Der Dresdner Staatsanwaltssprecher Schmidt sagte: «Mit Blick auf das zerstörte Fenstergitter werden wir keine Aussagen zum möglichen Tatwerkzeug treffen. Hierbei handelt es sich um Täterwissen.» Das werde im laufenden Ermittlungsverfahren nicht bekannt gegeben.
Zwei maskierte Einbrecher hatten in der Nacht zum 25. November ein Gitter vor einem Fenster des Museums teilweise durchtrennt, das Fenster samt Rahmen entfernt und waren in die barocke Schatzkammer eingedrungen. Dort hatten sie mit einer Axt eine Vitrine eingeschlagen. Nach wenigen Minuten konnten sie mit Diamanten und Brillanten mit einem Auto flüchten.
Neben dem Einbruchsziel Museum und dem möglichen Einsatz eines Hydraulik-Spreizers gibt es eine dritte Parallele zum Vorgehen von kriminellen Clan-Mitgliedern in Berlin. Das Zertrümmern der Vitrine aus Sicherheitsglas durch brutale Axthiebe erinnert an einen Raubüberfall auf das Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe im Jahr 2014. Auch damals zerstörten die maskierten Täter mit einer Axt in kurzer Zeit Vitrinen, rafften Schmuck und Uhren zusammen und flohen mit einem bereitstehenden Auto. Verurteilt wurden mehrere junge Männer aus arabischstämmigen Großfamilien.
Grünes Gewölbe seit Juni wieder offen
Die ersten Besucher des Grünen Gewölbes seit dem Juwelendiebstahl im November 2019 waren Anfang Juni von der Spitze der Staatlichen Kunstsammlungen (SKD) freudig begrüßt worden. Vor dem Eingang zu der rekonstruierten barocken Schatzkammer herrschte Andrang, da die Besucherzahl wegen der Corona-Schutzregeln weiter begrenzt wurde. «Ich freue mich vor allem für unsere Besucher», sagte SKD-Generaldirektorin Marion Ackermann. Für Schlossdirektor Dirk Syndram ist es angesichts der vergangenen Wochen «schon eine Befreiung».
Am «Tatort» im Juwelenzimmer wird die Geschichte des Coups vom 25. November 2019 erzählt, der weltweit Schlagzeilen machte. Die prächtigste Vitrine, aus der zwei Unbekannte am frühen Morgen rund ein Dutzend der kostbarsten historischen Pretiosen von unschätzbarem Wert gestohlen hatten, ist verwaist. «Wir haben bewusst eine Leerstelle für das Publikum geschaffen, um den Menschen Raum zu geben für ihre eigenen Emotionen», sagte Ackermann. Auf der Stele neben der geplünderten Vitrine sind Fotos der Verluste zu sehen sowie der einstigen Präsentation. Im Laufe des Jahres soll die Vitrine, in die die Täter mit einer Axt drei Löcher geschlagen hatten, wieder eingerichtet werden.