Im Fall des vergifteten Kreml-Gegner Alexej Nawalny hat die US-Regierung mit Zurückhaltung auf Deutschlands Erkenntnisse reagiert. Washington habe noch keine Beweise für eine Vergiftung des Oppositionellen gesehen, zweifle aber nicht an Deutschlands Erkenntnissen, sagte US-Präsident Donald Trump am Freitag (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. „Ich weiß nicht genau, was passiert ist. Es ist tragisch, furchtbar, wir haben noch keine Beweise gesehen, aber werden es uns anschauen.“
Trump hielt sich mit Kritik an Moskau zurück und betonte stattdessen, er habe eine gute Beziehung zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Nawalny ist ein vehementer Kritiker des Kremlchefs und deckte mit seinem Team zahlreiche Korruptionsfälle in der russischen Machtelite auf.
Russland bestreitet, in die Vergiftung des 44 Jahre alten Oppositionellen verwickelt zu sein. Die russische Führung betonte mehrfach, dass eigene Labors keine Vergiftung feststellen konnten. Es gebe keine Grundlage, den russischen Staat in dem Fall zu beschuldigen, sagte ein Kremlsprecher.
Nawalny war vor mehr als zwei Wochen bei einem Inlandsflug in Russland unter heftigen Schmerzen ins Koma gefallen. Zunächst wurde er in einem Krankenhaus in Sibirien behandelt. Nach internationalem Druck und auf Drängen seiner Familie wurde er dann in die Berliner Universitätsklinik Charité verlegt.
Die Bundesregierung hatte nach Untersuchungen eines Spezial-Labors der Bundeswehr mitgeteilt, dass eine Vergiftung dem militärischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe zweifelsfrei erwiesen sei. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Freitag, dass „die Unterrichtung unserer Partner in der Europäischen Union und der Nato“ mit zu den ersten Schritten gehörte.
Das russische Außenministerium betonte, dass Experten vieler westlicher Länder, darunter auch Nato-Staaten, mit Chemiewaffen wie Nowitschok arbeiteten. In den USA gebe es zahlreiche Patente dafür. Im Zusammenhang mit Nawalny gebe es viele „Russland-feindliche“ Äußerungen, hieß es. Konkret kritisierte Moskau eine Erklärung von Bundesaußenminister Heiko Maas und dem französischen Minister Jean-Yves Le Drian vom Freitag. Darin hatten Deutschland und Frankreich Russland gemeinsam zur Aufklärung des Falls aufgefordert.
Auf die Frage, ob er die deutsche Angaben bezweifle, wich Trump zuerst aus. Es sei interessant, dass alle zuerst Russland erwähnten, aber zurzeit solle man mehr über China reden, weil die Dinge, die China mache, viel schlimmer seien, wenn man sich das Geschehen in der Welt ansehe.
Trump ging dann noch einmal auf die Nowitschok-Vergiftung Nawalnys ein: „Ich wäre sehr verärgert, wenn das der Fall ist. Und es sieht so aus, als ob das sehr gut der Fall sein könnte. Davon ausgehend, was Deutschland sagt, scheint das der Fall zu sein.“
Es gab bereits in der Vergangenheit Angriffe auf Nawalny, er wurde auch mehrfach festgenommen. In den Büros seiner Mitarbeiter gab es auch immer wieder Razzien. Auch am Samstag hätten Polizisten versucht, zwei Mitarbeiter von Nawalnys sogenannten Fonds zur Bekämpfung von Korruption festzuhalten, teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch auf Twitter mit. Details waren nicht bekannt. Eine offizielle Bestätigung der Behörden gab es zunächst nicht.
Der Fall Nawalny löste auch eine Debatte über mögliche Sanktionen gegen Russland aus. Besonders das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 in der Ostsee steht dabei im Fokus. Es gab die Forderung, das Projekt aufzugeben oder zumindest auszusetzen.
Auch Trump erneuerte seine Kritik an der Gaspipeline. Er verstehe nicht, wieso Deutschland mit Russland Geschäfte mache und zugleich Sanktionen gegen Moskau verhänge und dann noch von den USA erwarte, militärisch gegen das Land geschützt zu werden. Auch in Deutschland gibt es inzwischen Politiker, die das Projekt wegen der Vergiftung Nawalnys kritisch sehen und beenden wollen. Dagegen forderte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, die Pipeline müsse weitergebaut werden. „Wir sind aufeinander angewiesen, wir brauchen diese Zusammenarbeit“, sagte der CDU-Politiker am Samstag bei einem Termin bei Schwarzenberg in Sachsen.
Die Berliner Justizverwaltung prüft inzwischen ein Rechtshilfeersuchen der russischen Behörden, wie die Generalstaatsanwaltschaft Berlin am Freitag mitteilte. Über dessen Bewilligung werde nach einer Prüfung und gegebenenfalls in Absprache mit den zuständigen Bundesbehörden entschieden.
Moskau hatte den deutschen Behörden zuvor vorgeworfen, auf mehrere Anfrage aus Russland nicht reagiert zu haben und keine Informationen austauschen zu wollen. Die russische Generalstaatsanwaltschaft hatte ein Rechtshilfegesuch in Deutschland gestellt.