Politik

DWN-Recherche: Das Timing der Nazi-Vorwürfe gegen Heckler & Koch ist interessant

Die Nazi-Vorwürfe gegen Heckler & Koch erfolgen zu einem Zeitpunkt, an dem über eine mindestens 250 Millionen Euro schwere Ausschreibung für neue Sturmgewehre bei der Bundeswehr entschieden werden soll. Mitbewerber für den potentiellen Auftrag ist ein Unternehmen, das indirekt von den Vereinigten Arabischen Emiraten kontrolliert wird.
07.09.2020 12:38
Aktualisiert: 07.09.2020 12:38
Lesezeit: 1 min
DWN-Recherche: Das Timing der Nazi-Vorwürfe gegen Heckler & Koch ist interessant
06.09.2016, Brandenburg, Storkow: Der Mündungslauf eines Sturmgewehres vom Typ G36 von Heckler & Koch ist bei einem Appell der Bundeswehr auf dem Marktplatz zu sehen. (Foto: dpa) Foto: Patrick Pleul

Der BILD-Reporter Maximilian Kiewel hat nach eigenen Angaben „monatelange“ Recherchen betrieben und dabei herausgefunden, dass das deutsche Waffen-Unternehmen Heckler & Koch (H&K) während der NS-Zeit Verbrechen begangen hat. Der Ingenieur Edmund Heckler leitete während der NS-Zeit unter anderem eine Panzerfaust-Fabrik im sächsischen Taucha, wo mehr als 1.000 Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen geschuftet haben und viele von ihnen gestorben sein sollen. Die Zeitung beruft sich hierbei auf Dokumente aus verschiedenen Archiven in Deutschland, in denen Zeitzeugen von der grausamen Behandlung mit Todesfolgen berichten - es seien „immer wieder“ Häftlinge erschlagen oder erschossen worden.

Das NSDAP-Mitglied Heckler floh nach dem Krieg in den Schwarzwald, wo er 1949 zusammen mit zwei anderen Ingenieuren das Unternehmen Heckler & Koch gründete. Er starb 1960. Die Firma ist heute der größte deutsche Hersteller von Handfeuerwaffen und langjähriger Lieferant der Bundeswehr. In einer Stellungnahme des Unternehmens heißt es, die Zeitzeugen-Berichte hätten große Betroffenheit ausgelöst. H&K will nun einen Experten beauftragen, dem Sachverhalt nachzugehen.

Während der NS-Zeit basierte die deutsche Wirtschaft zu einem großen Teil auf dem Einsatz von Zwangsarbeitern. Doch nur wenige Unternehmer und Unternehmen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg für ihre Verbrechen belangt – bis heute.

Rückschlag für lukrativen Auftrag der Bundeswehr

Der Zeitpunkt, an dem die Story über Heckler & Koch von der BILD-Zeitung lanciert wurde, ist interessant. Die Waffenschmiede, die sich zu 60 Prozent im Portfolio der Finanzholding Compagnie de Développement de l’Eau (CDE) mit Sitz in Luxemburg befindet, ist ein wichtiger Lieferant von Polizei und Bundeswehr.

In den kommenden Wochen wird das Bundesverteidigungsministerium über eine Ausschreibung in Höhe von mindestens 250 Millionen Euro für neue Sturmgewehre bei der Bundeswehr entscheiden. Das Standardgewehr G36 soll ausgemustert und von einer modernen Variante ersetzt werden, so die FAZ. Im Rennen als Wettbewerber sind noch Heckler & Koch sowie Haenel aus Suhl.

Zur Waffenschmiede Haenel aus Suhl liegen interessante Informationen vor. Die Welt am Sonntag berichtet: „Haenel gehört indirekt über den arabischen Waffenhersteller Caracal zum Staatskonzern Tawazun aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.“

Wenn man das Timing der aktuellen Enthüllungen über Heckler & Koch betrachtet, hat Haenel im Hinblick auf die Ausschreibung nach der Heckler & Koch-Enthüllung eindeutig die besseren Karten.

Das Bundesverteidigungsministerium wird sich scheuen, einen Millionen-Auftrag an eine Firma zu vergeben, die sich mit einer frischen Affäre aus der NS-Vergangenheit auseinandersetzen muss. Zumal in den vergangenen Monaten immer wieder der eigentlich unberechtigte Vorwurf erhoben wurde, innerhalb der Bundeswehr würde es ein großes und geheimes Netzwerk von Rechtsextremisten geben.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien PV-Anlagen für Unternehmen: Wie Betriebe mit Steuerbonus und Eigenstrom doppelt punkten
16.11.2025

Gewerbliche Photovoltaikanlagen gewinnen für den Mittelstand zunehmend an Bedeutung. Durch den Investitionsabzugsbetrag und die...

DWN
Politik
Politik Europa im Wandel: Populismus und Spannungen in Deutschland, England und Frankreich
16.11.2025

Europa steht vor politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, während der Zusammenhalt innerhalb der EU zunehmend brüchig wird....

DWN
Politik
Politik Von der Leyen unter Druck: Zwei Billionen Euro und kein Plan für Europas Bauern
16.11.2025

Der Streit um Agrarsubventionen spaltet die Europäische Union. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den EU-Haushalt...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzskandal bei privaten Krediten: HPS und BNP Paribas verlieren hunderte Millionen
16.11.2025

Der Markt für private Kredite außerhalb regulierter Banken erlebt ein rasantes Wachstum, das zunehmend systemische Risiken birgt. Wie...

DWN
Politik
Politik TNT-Produktion in Europa: NATO-Staaten planen neue Fabriken zur Versorgungssicherung
16.11.2025

Europa verfügt derzeit über nur eine Produktionsstätte für NATO‑Standard‑TNT, während mehrere Länder neue Fabriken planen. Wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
15.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzielles Notfallpaket: So sichern Sie Ihr Vermögen in Krisenzeiten
15.11.2025

In Zeiten wachsender Unsicherheiten rückt neben Notvorräten und Fluchtplänen auch die finanzielle Absicherung in den Fokus. Marek...