Wirtschaft

Edelmetall-Manipulationen: US-Justiz will JP Morgan mit Hilfe von Anti-Mafia-Gesetz bestrafen

Der US-Staatsanwaltschaft zufolge haben Banker von JPMorgan über viele Jahre systematisch die Preise für Gold, Silber, Platin und Palladium illegal verschoben und auf diese Weise Millionengewinne für sich selbst und für ihre Bank generiert. Gegen die Beschuldigten soll ein Anti-Mafia-Gesetz angewendet werden.
13.09.2020 21:24
Aktualisiert: 13.09.2020 21:24
Lesezeit: 3 min
Edelmetall-Manipulationen: US-Justiz will JP Morgan mit Hilfe von Anti-Mafia-Gesetz bestrafen
JP Morgan befindet sich im Fadenkreuz der Ermittler. (Foto: dpa) Foto: Justin Lane

Die US-Staatsanwaltschaft hatte sich im Rahmen ihrer Untersuchung von Preisabsprachen bei JPMorgan Chase ungewöhnlich scharf ausgedrückt. Sie beschrieb den Edelmetallhandel bei der Investmentbank als "organisiertes Verbrechen", das über mehr als acht Jahre aktiv war. Der Fall wurde im September 2019 aufgegriffen und unterliegt immer noch einer Untersuchung.

Die Staatsanwaltschaft in Chicago hatte den Leiter des globalen Edelmetallhandels von JPMorgan und zwei weitere Personen angeklagt und ihnen "Verschwörung" zu Aktivitäten des "organisierten Verbrechens" (Racketeering Conspiracy) vorgeworfen, wie es in einer Mitteilung auf der Webseite des US-Justizministeriums heißt.

Diese Formulierung ist ein Hinweis darauf, dass die Staatsanwaltschaft den Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act (RICO) zur Anwendung bringt. Dieses Gesetz wird eigentlich gegen das organisierte Verbrechen angewandt, nicht jedoch gegen etablierte Großbanken wie JPMorgan Chase.

"Basierend auf der Tatsache, dass es sich um ein Verhalten handelte, das im Handel weit verbreitet war, dass es in Tausenden von Fällen über einen Zeitraum von acht Jahren eingesetzt wurde, dass es genau die Art von Verhalten ist, die das RICO-Statut bestrafen soll", zitiert Bloomberg Staatsanwalt Brian Benczkowski. "Wir werden den Fakten folgen, wohin sie uns auch führen, sei es hier oder zu einer anderen Bank oder nach oben innerhalb des Finanzinstituts", fügte er hinzu.

Das RICO-Gesetz bezieht sich auf die Verfolgung von Personen, die sich an organisierter Kriminalität beteiligen. 1970 verabschiedete der Kongress das Gesetz, um Mafia-Gruppen zu bekämpfen. Seit dieser Zeit wurde das Gesetz erweitert und verwendet, um eine Vielzahl von Organisationen zu verfolgen, von korrupten Polizeidienststellen bis hin zu Motorradbanden. Das RICO-Gesetz sollte nicht als eine Möglichkeit verstanden werden, die Begehung einer isolierten Straftat zu bestrafen. Das Gesetz sieht vielmehr schwerwiegende Konsequenzen für diejenigen vor, die als Mitglieder eines kriminellen Unternehmens ein Muster von Fehlverhalten aufweisen.

Dieser Fall unterscheidet sich von früheren Fällen von Marktmanipulation unter anderem auch darin, dass so viele Banker involviert gewesen sein sollen. Im Jahr 2015 bekannte sich JPMorgan im Zuge einer Untersuchung von Preisabsprachen an den Devisenmärkten schuldig. Damals wurde gegen einen einzelnen Händler der Bank Anklage erhoben wurde. Doch bei der Metall-Manipulation waren laut Staatsanwaltschaft mehr als ein Dutzend Menschen an dem System beteiligt. Zwei von ihnen haben sich schuldig bekundet und arbeiten mit den Behörden zusammen.

Manipulation bei JPMorgan schädigte auch die eigenen Kunden

Michael Nowak, der Leiter des globalen Edelmetalldesk der Bank, Gregg Smith und Christopher Jordan haben Marktteilnehmer und sogar Kunden der eigenen Bank systematisch abgezockt, indem sie die Preise für Gold, Silber, Platin und Palladium illegal verschoben haben, so das Justizministerium am Montag.

Nowak wurde im August 2019 suspendiert, so eine Person, die mit der Sache vertraut ist. Nowak habe nichts Falsches getan, sagten seine Anwälte. Und es sei "wirklich bedauerlich, dass das Justizministerium sich dazu entschlossen hat, diese Sache voranzutreiben".

Die US-Staatsanwaltschaft hat bereits zwei Manipulationsfälle vor Gericht verloren. Laut Benjamin Singer, einem ehemaligen Leiter der Abteilung für Wertpapierbetrug beim US-Justizministerium, sind die neuen Untersuchungen ein gutes Zeichen, dass die Staatsanwälte "unbeirrt sind und mehr, nicht weniger, aggressiv werden", wenn es darum geht, gegen Marktmanipulationen vorzugehen.

Ex-Staatsanwalt Justin Weddle sagte, dass das Justizministerium seine bereits aggressiven Bemühungen gegen Spoofing noch verdoppelt habe. Spoofing ist eine Form der Marktmanipulation, bei der Kauf- und Verkaufsaufträge für Edelmetall-Terminkontrakte erstellt werden, mit der Absicht, diese Aufträge wieder zu stornieren, bevor sie ausgeführt werden. Doch Spoofing ist erst seit 2011 illegal und viele der in der Anklage beschriebenen Geschäfte und Textnachrichten fanden vor diesem Zeitpunkt statt.

Beschuldigte sollen Ermittler über Jahre angelogen haben

Die Staatsanwaltschaft sagt, dass die drei beschuldigten Männer betrügerische Aufträge platziert hätten, entweder elektronisch und per Telefon mit den Tradern auf dem Handelsparkett. Die Männer hätten auf diese Weise Millionengewinne für sich selbst und für JPMorgan generiert und entsprechende Verluste für die anderen Marktteilnehmer, sagt die Staatsanwaltschaft.

Die Vorfälle hätten begonnen, bevor JPMorgan im Mai 2008 die Pleitebank Bear Stearns kaufte, und seien nach dieser Übernahme noch größer geworden. Jordan war der Anklage zufolge auch an Manipulationen beteiligt, als er im Jahr 2010 etwa sechs Monate lang für die Schweizer Großbank Credit Suisse tätig war. Die Banken werden von der Staatsanwaltschaft nicht ausdrücklich genannt, doch aus dem Text geht klar hervor, dass es sich um JPMorgan, Bear Stearns und Credit Suisse handelt.

Der Anklage zufolge haben Jordan und Smith nicht nur die Strafverfolgungsbehörden, sondern auch die bankinternen Ermittler über Jahre belogen. Im Jahr 2010 soll Jordan absichtlich einen Ermittler der Börsenaufsicht Commodity Futures Trading Commission (CFTC) im Zusammenhang mit der Manipulation der Silberpreise belogen haben, während Smith drei Jahre später einen Ermittler des Börsenbetreibers CME Group über seine Handelspraktiken belogen haben soll.

Nowak und Jordan sollen auch auf Jahresabschlüssen gelogen haben, wo sie angaben, dass sie in den Jahren 2008 und 2009 in Übereinstimmung mit dem Verhaltenskodex von JPMorgan gehandelt haben, während Smith in den Jahren 2009 und 2010 gelogen haben soll.

Die Untersuchung gegen JPMorgan beruht auf dem Vorgehen der USA gegen mehrere Banken wegen Manipulation der Rohstoffmärkte. Das US-Justizministerium hatte bereits Strafanzeige gegen 16 Personen erstattet, darunter Händler, die für die Deutsche Bank und UBS tätig waren. Sieben plädierten auf schuldig, einer wurde bereits verurteilt und einer wurde freigesprochen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EU-Vermögensregister und Bargeldbeschränkungen: Risiko für Anleger

Das EU-Vermögensregister gehört derzeit zu den größten Risiken für Anleger. Daher ist es wichtig, sich jetzt zu überlegen, wie man...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Praktika und Probearbeiten: Rechte, Pflichten und Fallstricke für Berufseinsteiger
06.07.2025

Viele Praktikanten kennen ihre Rechte nicht – und riskieren, ausgenutzt zu werden. Was wirklich erlaubt ist, wann Praktika bezahlt werden...

DWN
Technologie
Technologie Lithium: Schlüssel zur technologischen Unabhängigkeit – doch der Rohstoff ist knapp
06.07.2025

Lithium ist der Treibstoff moderner Technologien – von E-Autos bis Energiewende. Doch was passiert, wenn die Nachfrage explodiert und das...

DWN
Politik
Politik Rückkehr der Wehrplicht trotz Wirtschaftsflaute? Nato-Ziele nur mit Pflicht zum Wehrdienst möglich
05.07.2025

Die Nato drängt: „Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen“, hat die Nato ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen KI-Schäden: Wenn der Algorithmus Schaden anrichtet – wer zahlt dann?
05.07.2025

Künstliche Intelligenz entscheidet längst über Kreditvergaben, Bewerbungen oder Investitionen. Doch was passiert, wenn dabei Schäden...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Made in Germany: Duale Berufsausbildung - das deutsche Erfolgsmodell der Zukunft
05.07.2025

Die duale Berufsausbildung in Deutschland gilt als Erfolgsmodell: Dieses System ermöglicht jungen Menschen einen direkten Einstieg ins...

DWN
Panorama
Panorama Was Autofahrer über Lastwagen wissen sollten – und selten wissen
05.07.2025

Viele Autofahrer kennen das Gefühl: Lkw auf der Autobahn nerven, blockieren oder bremsen aus. Doch wie sieht die Verkehrswelt eigentlich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung 2024: Mit diesen 8 Steuertipps können Sie richtig viel Geld rausholen
05.07.2025

Viele Menschen drücken sich vor der Steuererklärung, weil diese manchmal etwas kompliziert ist. Doch es kann sich lohnen, die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wirtschaftskriminalität: Insider-Betrug kostet Millionen - Geschäftsführer haften privat
05.07.2025

Jede zweite Tat geschieht im eigenen Büro - jeder fünfte Schaden sprengt die fünf Millionen Euro Marke. Wer die Kontrollen schleifen...